Röschen schrieb am 31.10.2022:Moin!
Die Armee hat sich – genauso übrigens wie die Gesellschaft – in den letzten Jahren schlicht extrem verändert, weswegen „Spökskes von damals“ einfach nicht mehr repräsentativ sind. Ein Beispiel: Alkoholkonsum. Während sich Generationen von Soldaten noch die Lampe verglüht haben, ist die Zahl dieser Fälle im Vergleich mittlerweile ziemlich überschaubar. Ja, es gibt sie noch, aber weiß Gott nicht mehr so krass und verbreitet, wie immer erzählt wurde.
Auch moin.
Ja, die BW hat sich geändert. Allerdings nicht zum Positiven.
Die Alkoholkonsumenten sind weniger geworden. Die Aussage würde ich aber mit Vorsicht genießen. Denn derzeit ist die Truppenstärke so niedrig wie noch nie. Ferner hat sich auch der Anteil der Kasernenschläfer massiv reduziert. Bei uns sind vielleicht noch 10% der Kompanie Kasernenschläfer. Der Rest muss sich zu WGs rund um die Kaserne zusammenfinden oder zieht mit seiner Familie in die Nähe. Die Jungs, die in der Kaserne pennen oder sich in WGs zusammenfinden, hämmern sich ganz gern noch einen rein. Vor drei Monaten hab ich einen von der Schießbahn geworfen, weil er um acht Uhr morgens noch nicht dazu in der Lage war, seine Weste klar zu machen. Das Phänomen wurde im Prinzip nur verlagert. Und auch damals haben sich hauptsächlich die Kasernenschläfer vollgeschüttet.
Ich komme mehr oder weniger gerade aus dem Einsatz zurück und obwohl dort die höchtste Gefährdungsstufe gilt, wurde sich da nahezu jeden zweiten Tag amtlich der Helm lackiert.
Röschen schrieb am 31.10.2022:Ich bleibe als Reswervist bei meiner bisherigen Lagebewertung: Aus der Gesamtgeschichte jetzt eine Verschwörung zu kreieren, die den pazifistischen / eher links eingestellten Bundesrepublikaner gefährdet und gar das Potenzial hat, die Republik zu zerschlagen, halte ich für arg übertrieben. Wäre dem anders, so hätten sich die Inhalte der heutigen Generaldebatte im Bundestag wohl erheblich anders gestaltet.
Inwiefern man als Reservist einen wirklichen Einblick in die Truppe bekommen kann, vermag ich nicht zu beurteilen. Die Reservisten, mit denen ich zu tun habe, sind nicht wirklich in der Materie drin und da gehts bei den Basics los.
Als aktiver Soldat bin ich seit 2000 mit zwei kürzeren Unterbrechungen bei der Bundeswehr. Die Veränderungen, die ich über diesen mitbekommen habe, sind nicht zwingend positiv. Insgesamt hab ich einen ziemlichen Ruck nach rechts festgestellt. Whatsappgruppen mit einschlägigen Inhalten, gemeinsame Reisen ins Ausland, wo man mit ensprechender Musik und HKNKRZ T-Shirts auftritt usw. Allein in unserer Kompanie war im letzten Jahr der MAD ein oft gesehener Gast.
Woran mags liegen?
- Einerseits an der Aussetzung der Wehrpflicht. Wir bekommen nicht mehr den Querschnitt durch die Gesellschaft, sondern nur noch die, die sich freiwillig bewerben. Es gab früher diverse Typen, die ganz einfach zu faul waren, zu verweigern und dann festgestellten, so schlecht isses gar nicht in dem Laden. Ich war auch so einer.
- Andererseits am Umstand, dass die Bundeswehr nicht wirklich realisiert, dass sie nicht mehr der supergute Arbeitgeber ist, der sie Anfang der 2000er mal war. Damals gabs ne gute Bezahlung für nen relativ lockeren Job. Wenn ich allein an die laxe Auslandsvorbereitung denke, wo man nach gut 10 Wochen einsatzfertig war, es gab Quat-Tage und Anrechnungsfälle, UvDs und Wachdienste für alle, die erstens gut vergütet und zweitens noch mit freien Tagen belohnt wurden.
Heute gibt es ne relativ hohe Einsatzbelastung, dazwischen immer wieder Abwesenheiten wie Lehrgänge, Übungen etc. Sicherlich bekommt man immer noch nicht wenig Geld, aber im Vergleich zum Zivilleben mit ensprechender Qualifizierung hängt man dann doch ein wenig hinterher. Da kommt dann hinzu, dass das Personal, welches dann in die Truppe kommt, in vielen Fällen eher fragwürdig ist. Einige wären zu Zeiten der Wehrpflicht nicht mal auf W23 verlängert worden. Heute kann man dann als SU immerhin SAZ12 werden, wenn man nicht komplett behelmt ist.
Eine Verschwörung sehe ich aber nicht. Dazu sind die meisten dieser Charaktere doch zu einfältig. Und zur Zerschlagung der Republik haben wir nicht die Ausrüstung in der Truppe.