Bei uns ist das auch so - wir haben eine sehr distanzierte Familiendynamik - mit großen Abstufungen (je nachdem, welches Kind das betrifft). Meine Eltern wohnen nur "um die Ecke", aber ich sehe sie eher zufällig, sie würden uns nie zum Kaffee einladen (es sei denn, es ist Geburtstag), etc. Glaubst du denn, dass es an dir liegt oder am generellen fehlenden Interesse?
Bei uns ist es so, dass meine Eltern zu meiner jüngeren Schwester ein sehr viel engeres Verhältnis haben als zu mir und meinem älteren Bruder. Meine Schwester + Enkel sind eigentlich täglich bei meiner Mutter, essen oft dort zu Mittag, meine Eltern essen sonntags oft bei meiner Schwester zu Mittag und -als meine Schwester in Elternzeit war- ist meine Mutter oft mit meiner Schwester + Baby auf irgendwelche Städtetrips gefahren. Das wird aber von keinem der beiden "offen" kommuniziert - meine Eltern laufen auch nie auf direktem Weg zu meiner Schwester (das wäre der Weg an unserem Haus vorbei).
So Verhältnisse sind ja auch dynamisch. Mein Bruder und ich haben uns als Kinder gut verstanden, dann bis aufs Blut gehasst, weil eine Konkurrenzsituation entstand, da wir gemeinsam um die (fehlende) Zuneigung unserer Eltern buhlten. Zu Studienzeiten waren wir sehr eng befreundet (auch mit meiner Schwägerin) und nun lebt jeder sein Leben - er lebt drei Stunden Fahrt entfernt und mit Corona ist das Verhältnis noch distanzierter. Er geht auch völlig in seiner Schwiegerfamilie auf (sind auch nette und unkomplizierte Leute mit sehr viel Familiensinn).
gruselich schrieb am 21.04.2021: In meinem Bekannten und Familienkreis fällt mir in letzter Zeit auf, dass hauptsächlich nur noch über sich selbst gesprochen werden möchte. Das ist die Komfortzone, die eigenen Interessen, Probleme, Gedanken, Herausforderungen. Diese immer wieder per Nachricht, sprachnachricht, email und Foto darzustellen.
Das stimmt ... mitunter sind die Leute einfach froh, wenn man zuhört ... und wenn es noch so große Bagatellen sind. Sie wollen auch nur reden, also gar kein Feedback. Ich habe kürzlich eine 25 (!) minütige Sprachnachricht von jemand bekommen - da ging es echt um Bagatellen und ich habe nur die ersten fünf Minuten angehört. Bisher (drei Wochen) ist es der Person aber auch nicht wichtig, dass sie ein Feedback bekommt, es ging glaube ich nu darum, den Alltag mal irgenwo abzuladen.
kaumeisterbob schrieb am 22.04.2021: Habe Verwandtschaft, die sich inzwischen nur noch fast nur noch rührt, wenn sie irgendwelche Probleme haben. Sonst kaum ein Lebenszeichen.
So ist es bei uns auch. Ich habe eine (nun verwitwete) Tante, die auch in unserem Dorf lebt. Wir (meine Schwester und ich) erledigen die meisten Dinge für sie (einkaufen, Fahrdienste, ....). Es ist nicht mal so, dass sie dafür irgendwie besonders nett oder dankbar ist. Sie nimmt das einfach so hin (ich erwarte nun auch keine Kniefälle, aber mitunter kann sie wirklich sehr bissig sein).
Ich finde es auch eher anstrengend - meine Schwester meldet sich manchmal täglich, dann eine Weile nicht - oft auch, wenn sie etwas will (babysitten oder so). Es ist auch ein eher "einseitiges" Geschäft ...
kaumeisterbob schrieb am 22.04.2021:Ich glaube aber, das das inzwischen ein generelles Problem unserer Gesellschaft ist.
Das glaube ich auch. Wir haben total nette Nachbarn, für die wir mit einkaufen, über 80, die darunter leiden, dass sich Kinder und Enkel kaum melden. Da denke ich oft, dass wir falsch "gematcht" sind - solche Eltern würde ich mir auch wünschen. Was ich auch krass finde ist, wenn ältere Menschen Hilfe brauchen, die Kinder um die Ecke wohnen und dann doch nicht helfen.
XAE schrieb am 22.04.2021:Jede Familie hat ihren eigenen Vibe, mit dem die Mehrzahl wahrscheinlich fine ist, mit der ein, zwei Individuen aber auch unglücklich sein können. Bei uns gibt es nur Kontakt, wenn jemand was braucht, krank ist etc. Ansonsten zu Weihnachten.
Ich kenne aber auch Familien, die treffen sich jedes Wochenende zum Kaffee. Bei uns würden sich da alle anschweigen, weil keiner was zu erzählen hätte - aber wenn man jede Woche beisammen ist, ist man wahrscheinlich so tief in den Alltagsthemen, dass es doch etwas zu bereden gibt.
Das ist bei uns auf dem Dorf auch so ... da gibt es auch sehr gruselige Konstellationen - ich habe z.B. ehemalige Mitschüler, die noch immer in der Kinderrolle von damals verhaftet sind (wir sind nun um die 50) - in einem Fall bewohnen sie noch immer das Kinderzimmer daheim, essen am häuslichen Tisch und werden von Mama bekocht und verwöhnt ... Sonntagvormittag geht man gemeinsam in die Kirche, Sonntagmittag isst man gemütlich, legt sich etwas hin, macht einen Spaziergang und trinkt dann Kaffee.
Bei uns ist es auch so mit den Gesprächsthemen, meine Eltern habe keine Idee von meinem Alltag - aber es interessiert sie auch nicht. Die seltenen Familientreffen sind bei uns so, dass meine Schwester mit ihren Alltagsanliegen das gesamte Gespräch dominiert - sie redet aber auch nur und fragt nie nach. Daher ist es immer anstrengend, man geht hin, wechselt einige belanglose Worte, sitzt am Kaffeetisch, lobt den Kuchen, meine Schwester erzählt von Kindergarten, Arbeit, einkaufen, .... wir hören dem Monolog zu. Dann gibt es eine Pause, niemand weiß, was er reden soll, dann erzählt meine Schwester noch etwas, meine Mutter hakt ein, die beiden unterhalten sich. Wir gehen dann irgendwann, weil wir eh das Gefühl haben, wir stören, mein Bruder kommt nun gar nicht mehr (dem kommt Corona und die Verordnungen gerade recht).