@PeterWimsey Ich bin gerade dabei das Buch von John Leake zu lesen. -Vielen Dank für die Empfehlung. Ich werde noch darüberschreiben, wenn ich es fertig habe. Es ist auf jedem Fall gut um mein Gedächtnis aufzufrischen. Es ist ja schon 29 Jahre her, dass ich mich mit dem Thema beschäftigt habe und natürlich habe ich in der Zwischenzeit viele Details vergessen.
Ich habe auch wieder das Buch „Wenn der Achter im Zenit“ von Gert Schmidt und anderen gelesen, das 1993 erschienen war. Ich habe damals auch die Autoren interviewt, wobei ich sie auf die Inkonsistenzen hingewiesen. Es ging dabei vor allem um Rudolf Prem, der Mann der ermordeten Prostituierten Regina Prem. Für die Autoren ist er ein Kronzeuge und er wird auch zu einem Helden stilisiert, der
„trotz einer Mauer des Widerstandes in der Manier eines Einzelkämpfers für die Rechte seines 12jährigen Sohnes“ kämpft. Prem lebte vom Geld, das die Mutter seines Sohnes auf dem Straßenstrich verdient, ein sehr gefährliches Gewerbe. Für mich klingt das nicht gerade wie ein liebender Ehemann und Vater!
Rudolf Prem behauptete, dass er verschiedene anonyme Anrufe bekommen hatte. Als er die Stimme von Unterweger später im Radio hörte, erkannte er die Stimme wieder. Der Buchtitel
„Wenn der Achter im Zenit“ steht, stammt aus diesen angeblichen Gesprächen. Weiter hätte der anonyme Anrufer gesagt
„Elf sind ihrer gerechten Strafe zugeführt worden,“ – was wie die elf Opfer klingt, für die Unterweger angeklagt wurden. Warum würde Unterweger Rudolf Prem angerufen und ein halbes Geständnis ablegen? Es klingt sehr unwahrscheinlich und passt auch nicht zu Unterwegers Art sich zu verstellen.
Noch fragwürdiges ist ein achtseitig maschingeschriebenes Tagebuch seiner Ehefrau, das Prem der Polizei übergab. Es ist sehr merkwürdiger Text ohne Daten, wie es in einem Tagebuch üblich ist. Laut John Leake würde das Tagebuch „lebhafte Beschreibungen von Reginas Kunden“ enthielten. Das stimmt nicht, denn nur von einem einzigen Kunden gibt es eine „lebhafte Beschreibung“:
„Heute kam der Schriftsteller wieder. Ich war bei ihm auf Hausbesuch in der Florianigasse. Der Kerl hat eine Handschellentick und dürfte pervers obendrein sein. Diesmal hatte ich einen Verkehr mit ihm, nachher erzählte er andauernd von seinen Filmprojekten und Vorlesungen. Am meisten jammerte er über seinen Schäfer, den er krankheitshalber in Pflege geben musste. Über seine Tätowierungen an Brust und Oberarm ist er auch ganz stolz…“Es ist klar, dass es hier um Jack Unterweger handelt, aber alle Information hätte der Schreiber aus den Medien holen. Ansonsten ist nur die Rede von Personen wie „Fritz, der Zahnarzt“ oder „Karl, der Richter“ ohne dass klar wird um wen es sich handelt. Keine Adressen oder Details, die nur Regina hätte wissen können. Im Tagebuch gibt es die Beschreibung einer wilden Party, die Reichenau stattgefunden haben soll:
„Gegen Mitternacht kamen noch einige Personen dazu, zwei kannte ich davon von den Medien und ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, sie gehörten zum Clan der Saubermacher.“ So schreibt keiner ein Tagebuch! In einem richtigen Tagebuch würde man Namen nennen und nicht einfach nur bekannte Personen saen.
Ansonsten wird auf eher primitive pornografische Art die Prostitution verteidigt. Rudolf Prem kommt als Ehemann natürlich gut weg. Das Tagebuch beschreibt das Treffen mit dem FPÖ-Politiker.
„Die Wohnung wimmelt von Hitlerbüsten und Hakenkreuzen. Ich musste mich nackt auf eine Hackenkreuzfahne (sic!) legen, er zog eine speziell angefertigte braune Uniform an mit Hackenkreuzbinde an den einen musste ich ihm Kluppen hängen, dann riß er sich einen runter, alses ihm kam brüllter Sieg Heil.“ Es wirkt so wie wenn der Autor einem linken Publikum gefallen will. Ich fand „Fegefeuer“ schon einen Schundroman, aber im Vergleich zum „Tagebuch der Regina Prem“ ist es ein literarisches Meisterwerk!
Es gibt aber eine Passage, die das Ganze eindeutig wie eine plumpe Fälschung entlarvt. Das Tagebuch beschreibt eine Reise, die Regina und Rudolf nach Italien machte, wo Regina in Bologna auf dem Strich ging. Eine andere Nutte versuchte vergebens Standgeld von ihr zu bekommen.
„Nie wieder wurde von mir Standgeld verlangt. Auch in den Jahren später hatte keiner mehr diese Forderung an mich gemacht.“ Wie kann man in einem Tagebuch über spätere Jahre schreiben?! Noch abgesehen von der Tatsache, dass Regina Prem nicht noch Jahre gelebt hat. Sehr intelligent war die Person, die den Text gefälscht anscheinend nicht.
Als Gerd Schmidt, der Autor von „Wenn der Achter im Zenit“ auf diese Passage hinwies, war er total verblüfft. Das war ihm nicht aufgefallen. Er war auch überzeugt, dass das Tagebuch authentisch sein musste, weil es auf der Schreibmaschine von Regina Prem geschrieben war. Dass vielleicht auch ihr Ehemann die Maschine benutzt haben konnte, war ihm anscheinend nicht in den Sinn gekommen. Schmidt war der Herausgeber der Zeitschrift Erfolg. Eine Redakteurin der Zeitschrift war eine Helferin und Schmidt war nicht gerade begeistert über Unterweger und die Verbindung, was ich gut vorstellen kann.
Wie Leake beschreibt war Kurt Haas, der Richter im Prozess gegen Unterweger, weniger blauäugig. Als Rudolf Prem als Zeuge auftrat, ließ Haas deutlich merken, dass er ihn für nicht glaubwürdig hielt und das Tagebuch als Fälschung betrachtete. Auf dem ersten Blick könnte man glauben, dass dies eher eine unwichtige Episode war. Eine zwielichtige Gestalt versuchte mit fragwürdigen Mitteln Unterweger zu belasten – vermutlich damit er einen Schadenersatz für seinen Sohn kassieren konnte.
Was bei mir aber die meisten Fragen aufruft, ist jedoch die Haltung der Polizei. Ernst Geiger, der führende Ermittler, ist bestimmt ein intelligenter Mann und laut Leake beschäftigte sich die ganze Zeit mit dem Thema. Warum fiel ihm nicht auf, dass das Tagebuch eine plumpe Fälschung und man Rudolf Prem als Zeuge unbrauchbar war. Die Verteidiger von Unterweger zielten ja darauf hinab, dass die Polizei Unterweger um jeden Preis als Täter festnageln wollte und deswegen alles unterdrückte, was für ihn und für andere Täter sprach. Ich will nicht sagen, dass ich Unterweger für unschuldig oder entlastet halte, aber ich finde es sehr fragwürdig, dass die Polizei an einem Zeuge als Rudolf Prem und einem offensichtlich gefälschten Tagebuch als Beweismittel festhielt.