Jack Unterweger - Ein Fall, der viele Fragen offen lässt...
23.02.2017 um 23:28Hat man eigentlch über den Kriminalbeamten was gelesen, weil du sogar den Namen kennst?
traces schrieb:Nun ja, es macht kriminalistisch schon mitunter einen erheblichen Unterschied, ob eine Krawatte direkt im Wohnort des Verdächtigen gekauft wurde (als direkter Hinweis auf eine mögliche Verbindung) oder 50 Km entfernt, wo es auch jeder Andere gewesen sein könnte.wenn sie in wels gekauft worden wäre, hätte es auch jeder andere sein können ;)
Und was ganz Eigenartiges habe ich vor noch nicht allzu langer Zeit irgendwo mitbekommen, dass nach seinem Prozess/seinem Tod in Oesterreich in Laufe der Jahre noch weitere erdrosselte Prostituierte aufgefunden wurden, quasi mit derselben oder ähnlicher Handschrift. Vielleicht von irgendwelchen Nachahmern/Trittbrettfahrern.Das ist interessant, war mir gar nie bekannt. Sah bisher niemals einen Grund an seiner Schuld zu zweifeln (eigentlich ist das auch jetzt noch so), wohlwissend dass es nie klare Beweise gab, allein die Tatsache dass er immer dort wo eine Prostituierte auf diese Weise zu Tode kam in der Nähe war, egal ob Wien, Dornbirn, Graz, Prag, USA - so einen Zufall gibt es nicht.
Capitano schrieb:Und was ganz Eigenartiges habe ich vor noch nicht allzu langer Zeit irgendwo mitbekommen, dass nach seinem Prozess/seinem Tod in Oesterreich in Laufe der Jahre noch weitere erdrosselte Prostituierte aufgefunden wurden, quasi mit derselben oder ähnlicher Handschrift. Vielleicht von irgendwelchen Nachahmern/Trittbrettfahrern.Diese Morde beziehen sich u.a. auf einen Täter, der in Wien Prostituierte getötet hat. Das so ziemlich Einzige, was diese Morde mit Unterwegers Morden gemein haben, ist das Land Österreich und der Berufsstand der Opfer. Von "derselben Handschrift" kann keine Rede sein.
Capitano schrieb:es fasst sein Leben von seiner Kindheit (aufgewachsen beim Großvater der ein ziemliches Arschloch war) bishin zu seiner Inhaftierung nach seinem ersten Mord zusammen, schon das ist eigentlich extrem harter Tobak, wenn man bedenkt was nach seiner Freilassung dann noch alles passiert ist, eigentlich fast surreal sein Leben.Es gibt mehrere Stimmen aus dem Umfeld Unterwegers und der Gegend, in der er aufwuchs, die das, was er in seiner Autobiographie verfasste, arg in Zweifel ziehen. Schul- und offizielle Dokumente belegen, dass er bereits als Schüler durch Unehrlichkeit, aufmüpfiges Verhalten und Übertreibungen auffiel, dass er bei geschilderten Begebenheiten, wie z.B. den Tod seines Freundes, gar nicht anwesend war, dass sein Großvater weder ein Trinker noch Hurenbock war und dass selbst die wohnlichen Verhältnisse andere waren, als Unterweger dies darstellte. Darüber hinaus steht in Frage, ob seine Mutter, wie von ihm behauptet, gar eine Prostituierte war.
traces schrieb:Darüber hinaus steht in Frage, ob seine Mutter, wie von ihm behauptet, gar eine Prostituierte war.Zumindest hat seine Mutter das laut John Leake vehement bestritten.
traces schrieb:Es gibt mehrere Stimmen aus dem Umfeld Unterwegers und der Gegend, in der er aufwuchs, die das, was er in seiner Autobiographie verfasste, arg in Zweifel ziehen. Schul- und offizielle Dokumente belegen, dass er bereits als Schüler durch Unehrlichkeit, aufmüpfiges Verhalten und Übertreibungen auffiel, dass er bei geschilderten Begebenheiten, wie z.B. den Tod seines Freundes, gar nicht anwesend war, dass sein Großvater weder ein Trinker noch Hurenbock war und dass selbst die wohnlichen Verhältnisse andere waren, als Unterweger dies darstellte. Darüber hinaus steht in Frage, ob seine Mutter, wie von ihm behauptet, gar eine Prostituierte war.Wobei diverse Charakter-Schwächen im Umgang mit Frauen sowie Unehrlichkeit (Diebstähle, Einbrüche, dem Chef ins Kaffeehäferl schlatzen etc.) sogar in der Autobiografie vorkommen, auch eine frühere Verhaftung wegen Entführung einer Minderjährigen (die er anschaffen geschickt hat) kommt vor.
Capitano schrieb:Meistens wird bei solchen Serientätern, bei denen die Opfer eben diese Gemeinsamkeiten haben das Verhältnis zur Mutter herangezogen, da schließt man dann, die Mutter eine Prostituierte, Hass auf Prostituierte, tötet Prostituierte, damit würde man es sich leicht machen. Ist bei Serientätern ein immer wieder kehrendes Muster, Frauenhass aufgrund eines gestörten Verhältnisses zur Mutter.Es ist richtig, dass es sicherlich verkürzt ist, per sé von einem gestörten Verhältnis zur Mutter darauf zu schließen, warum ein Täter eine bestimmte Opfergruppe anvisiert. Das hat oft eher tatökonomische Gründe. Allerdings ist die Art der Bindungs- bzw. Beziehungsgestaltung sowie das Interaktionsverhalten eines Täters, insbesondere das Sexuelle, in seinem Ursprung dort zu verorten, wo die ersten Beziehungserfahrungen gemacht werden und die psychosexuelle Entwicklung stattfindet. Und das betrifft nun mal die ersten Lebensjahre eines Menschen bei den ersten Bezugspersonen, i.d.R. sind das die Eltern. Die Pathologie, die Unterweger entwickelt hat und die sich auch bei anderen sadistischen Tätern findet, ist eine sehr frühe Störung, die nicht erst im Kindes- oder Jugendalter angelegt wird. Daher ist es richtig, bei einem solchen Täterkreis die Beziehung z.B. zur Mutter/ zum Vater unter die Lupe zu nehmen.
Capitano schrieb:Ich befasse mich intensiv mit Kriminalfällen, vor allem mit Serienmördern, habe reihenweise Bücher verschlungen, es gibt kaum jemanden der mich mit so vielen Fragezeichen zurücklässt wie Unterweger.Welche Fragezeichen sind das denn? Ich fänd's gut, wenn du deine Gedanken dazu einfach offen schreibst, denn dann wird hier auch wieder Austausch möglich. Eine gewisse Faszination teilen wir ja in gewisser Hinsicht alle.
traces schrieb:Welche Fragezeichen sind das denn? Ich fänd's gut, wenn du deine Gedanken dazu einfach offen schreibst, denn dann wird hier auch wieder Austausch möglich. Eine gewisse Faszination teilen wir ja in gewisser Hinsicht alle.Vor allem geht es mir dabei um ihn selbst. Wenn ich zB andere Serientäter hernehme - mit Chikatilo befasse ich mich zB auch intensiv - dann hast du etwas, in dieser Dimension schlüssiges in der Hand, aus der Sicht des Täters. Da weiß ich warum er seine Taten begangen hat und wenn ich versuche mich in sein Krankes Hirn hineinzuversetzen kann ich sagen, ok aus diesen und jenen Gründen hat er so gehandelt.
Capitano schrieb:diesen Hass konnte man bei anderen Serientätern irgendwo erklären, bei ihm ist das schwierig....nun ja, vielleicht ist es deswegen "schwierig zu erklären", weil sein Umgang mit Frauen nicht von Hass motiviert war, sondern von Lust. Ich kann in seinen Taten ehrlich gesagt keinen Hass auf Frauen erkennen, sondern eher den Willen, sie zu benutzen, sie sich gefügig zu machen, sie zu unterwerfen, damit sie ihm nützlich werden: entweder um seinen Unterhalt zu finanzieren, seinen Ruf zu konsolidieren, Fürsprache vor bedeutsamen Organen zu erhalten, gefügig machen, um sich selbst aufwerten zu können.... die Liste ist lang. Selbst bei seinen sexuellen Aktivitäten stand der Machtaspekt im Vordergrund - der Sex selbst war für ihn laut eigener Aussage ziemlich uninteressant. Daher gehe ich im Übrigen auch davon aus, dass die von ihm selbst konstruierte Ätiologie seiner Straffälligkeit und Störung eine Mär ist, durch die er sich aufwerten wollte - was ja auch geklappt hat. Mitleid erzeugen. Aufmerksamkeit erhalten. Andere mobilisieren, um sie für seine Zwecke zu benutzen.
Capitano schrieb:Er hielt sich in jungen Jahren mit Kleinkriminalität über Wasser, bis zum ersten Mord, im Häfn schreibt er ein Buch, er kommt dann raus, genießt fast ein gewisses Ansehen in bestimmten Kreisen. Und könnte dem "Leben am Limit" entfliehen, finanziell sorgenfrei leben, wenn man so gelebt hat wie er vor seiner Inhaftierung kann man dieses Gut gar nicht hoch genug einzuschätzen wissen.Du vergisst, dass es vor diesem "ersten" Mord bereits noch ein weiteres Opfer gab, an dem die Handschrift Unterwegers erkennbar war, der ihm jedoch nicht nachgewiesen werden konnte. Zudem gibt es frühe Hinweise auf seine Gewalttätigkeit gegenüber Frauen. Selbst in seinen kleinkriminellen Straftaten zieht sich eines wie ein roter Faden durch:
Capitano schrieb:Aber dann wird er zum Serientäter, völlig ohne Not eigentlich
traces schrieb:...nun ja, vielleicht ist es deswegen "schwierig zu erklären", weil sein Umgang mit Frauen nicht von Hass motiviert war, sondern von Lust. Ich kann in seinen Taten ehrlich gesagt keinen Hass auf Frauen erkennen, sondern eher den Willen, sie zu benutzen, sie sich gefügig zu machen, sie zu unterwerfen, damit sie ihm nützlich werden: entweder um seinen Unterhalt zu finanzieren, seinen Ruf zu konsolidieren, Fürsprache vor bedeutsamen Organen zu erhalten, gefügig machen, um sich selbst aufwerten zu können.... die Liste ist lang. Selbst bei seinen sexuellen Aktivitäten stand der Machtaspekt im Vordergrund - der Sex selbst war für ihn laut eigener Aussage ziemlich uninteressant. Daher gehe ich im Übrigen auch davon aus, dass die von ihm selbst konstruierte Ätiologie seiner Straffälligkeit und Störung eine Mär ist, durch die er sich aufwerten wollte - was ja auch geklappt hat. Mitleid erzeugen. Aufmerksamkeit erhalten. Andere mobilisieren, um sie für seine Zwecke zu benutzen.Ja das sehe ich ähnlich aber so sind ja sehr viele gestrickt, nur die meisten töten die Frauen deshalb nicht gleich, das ist ja auch gar nicht notwendig um sie für sich "nützlich" zu machen. Das ist eben genau der Punkt, wo ich meine seine Charakterzüge (nach außen hin) die zeigen viele auf, das macht einen aber nicht zwangsläufig zum Mörder, da muss es noch irgendetwas anderes geben.
Du vergisst, dass es vor diesem "ersten" Mord bereits noch ein weiteres Opfer gab, an dem die Handschrift Unterwegers erkennbar war, der ihm jedoch nicht nachgewiesen werden konnte. Zudem gibt es frühe Hinweise auf seine Gewalttätigkeit gegenüber Frauen. Selbst in seinen kleinkriminellen Straftaten zieht sich eines wie ein roter Faden durch:
Das bewusste Regelsetzen und territoriales Verhalten. Will heißen: Null Respekt gegenüber dem Besitz, den Werten und den Gefühlen Anderer. Im Gegenteil: Bewusstes Entwenden, ohne Rücksicht auf Verluste, um etwas zu erhalten, von dem er meinte, es stehe ihm zu. Völliges Unrechtsbewusstsein. Wenn dann spätestens in der Pubertät noch sexueller Lustgewinn verspürt wird, wenn man Anderen entwenden kann, was man selbst gern hätte, dann setzt relativ rasch eine Eskalation solcher Taten ein, wie dies auch bei Unterweger der Fall war. Vor seinem "ersten" nachgewiesenen Mord hatte sich sein kriminelles Gebaren bereits dahin entwickelt, dass er nicht nur Andere beraubt hat, sondern Andere benutzte, um wiederum Andere zu berauben. Er sorgte nicht mehr selbst für seinen Unterhalt durch Diebstahl z.B., sondern benutzte menschliches "Material", die seinen Unterhalt erwirtschafteten. Er benutzte "Körper" - schickte seine Freundinnen auf den Strich. Lust am Gefügigmachen. Wie lange würde es wohl dauern, bis ein solcher Lust-motivierter Mensch letztlich "Körper" benutzen würde, um sich die ultimative Macht zu bestätigen, indem er damit etwas finales anstellt? Weiter oben habe ich Auszüge aus einem Radio-Interview gepostet, in dem er beschreibt, welche Form von "Kick" ihm dies gegeben hat. Dort wird recht verständlich, weswegen er einen solchen Kick vielleicht auch nötig hatte und das Morden auch nach Entlassung nicht hat sein lassen.