@Marianne48 Marianne48 schrieb:Du kannst 10 Personen dasselbe Buch in die Hand drücken, und es kommen 10 unterschiedliche Meinungen/Empfindungen raus.
Klare Sache, brauchen wir nicht drüber reden.
Marianne48 schrieb:Auch kam bei mir nicht die Befürchtung auf, dass es eine - grundsätzlich gesehen - unsachliche Berichterstattung sein könnte. Im Sinne von: Dass sie irgendwas zusammen flunkert, irgendwelche Ereignisse/Fehlverhalten von den Fahndungsbehörden, dem Richter etc. erfindet, die gar nicht stattgefunden haben.
...naja, und das ist mein Problem, das ich mit Menschen in verantwortungsvollen Berufen habe, die sowohl meinungsbildend als auch entscheidungstragend tätig sind. Insbesondere, wenn sie mit psychopathischen oder maligne-narzisstischen Straftätern zu tun haben. Ich werfe Frau Wagner nicht vor, gelogen zu haben. Ich unterstelle ihr noch nicht mal, a b s i c h t l i c h wichtige Details unter den Tisch fallen gelassen zu haben, sondern ich werfe ihr mangelndes Reflexionsvermögen und eine unkritische Haltung sich selbst gegenüber vor. Ich bin mir dessen bewusst, dass ich mich damit weit aus dem Fenster lehne, denn schließlich kenne ich die Autorin nicht persönlich und habe auch Jack Unterweger nicht gekannt, allerdings reicht mir sämtliches Video- und Schriftmaterial, das ich mir von ihm und über ihn zu Gemüte geführt habe, um zu der Einschätzung zu gelangen, das dieses Buch von einer manipulierten Frau (auch hierfür ergeben sich genügend Anhaltspunkte) geschrieben wurde, die sich hat einspannen lassen, ein Märtyer-Bild Unterwegers zu erschaffen, das noch heute, 38 Jahre (!) nach seinem "ersten" Mord zu dem führt, was sich Unterweger wohl am meisten gewünscht hatte: Dass über all die bunte Aufmerksamkeit, die man ihm zu Teil kommen lässt, sein Handeln vergessen und davon abgelenkt wird. Ich könnte müde drüber lächeln, wenn nicht eben diese Aufmerksamkeitsverschiebung dazu führen würde, dass Gutachter wider jeder Erkenntnis und sehenden Auges das Offensichtliche leugnend, gewissen Straftätern positivste Prognosen ausstellen und dann kleinlaut, wie auch Unterwegers erste Psychologin äußern: "....naja, er schien ja draus gelernt zu haben....naja....und dann dacht ich halt....man könnte ihn entlassen....". Ja SCHEIßE! SELBSTREFELXION ist angesagt! Und v.a., dass man seinen Berufsethos + die dazugehörige Verantwortung auch verstanden hat! Mehr erwarte ich ja noch nicht mal.
Auch und besonders in dieser Hinsicht ist es interessant, sich anzuschauen, was eigentlich mit den Opfern ist. JA, die gibt es, ganz am Rande, nämlich auch noch. Da ich bei den Morden nicht anwesend war, jedoch der erste Mord an Margret S. zweifelsfrei bewiesen ist, lohnt es sich tatsächlich, mal Wagners Sichtweise auf diese Tat näher zu betrachten:
Marianne48 schrieb:Ein anderer Punkt, der mir sehr aufgefallen ist: In den beiden ersten Büchern habe ich nichts darüber gelesen, dass der Unterweger seine 1. Tat, dem grausamen Mord an dem 18-jährigen Mädchen, im Drogenrausch begangen hat. Die Astrid Wagner spricht das mind. 2 x an.
Warum schreiben die beiden anderen Autoren nichts darüber? Sowas müsste doch eigentlich in den Akten vermerkt sein.
In den gesamten 288 Seiten des Buches wird diesem ersten Mordopfer gerade mal eine knappe halbe Seite gewidmet, wobei ihr Name keinerlei Erwähnung findet. Hier erfährt man lediglich, dass Unterweger sie "im Drogenrausch" erschlagen habe. Danach echauffiert sich die Autorin darüber, dass dieser "Drogenrausch" (ich lach mich schlapp) nicht ins Urteil eingeflossen sei. That's it.
Viel spannender ist, was Frau Wagner NICHT erwähnte:
Der 25-jährige Discjockey Johann “Jack” UNTERWEGER (*1950) aus Saalbach steht am Landesgericht Salzburg vor einem Geschworengericht. Er soll am 12.12.1974 die 18-jährige Deutsche Margret REFÄHCS (*1956, Name verkehrt herum) beraubt und anschliessend in einem Waldstück nahe Frankfurt ermordet haben. Komplizin der Tat soll die 20-jährige Deutsche Barbara ZLOHCS (*1956, Name verkehrt herum) gewesen sein, die wie die 18-jährige Anneliese REDE (*1958, Name verkehrt herum) aus Saalbach für UNTERWEGER der Prostitution nachgegangen sein soll. ZLOHCS soll jedenfalls REFÄHCS in UNTERWEGERs Wagen gelockt haben und auch deren Wohnung nach Geld durchsucht haben, während UNTERWEGER REFÄHCS gefesselt hat. Anschliessend schlug UNTERWEGER das Mädchen mit einer Stahlrute bewusstlos, um sie anschliessend zu erdrosseln. Dann entkleidete er die Tote, um einen Sexualmord vorzutäuschen.
Der Psychiater bestätigt UNTERWEGER ein durch mangelnde Mutterliebe ausgelöstes “absolut pervertiertes Verhältnis zu Frauen”.http://maxfanta.wordpress.com/2008/08/22/historische-kriminalfalle-1967-1974-jack-unterweger-die-fruhen-jahre/Er hat Margret S. nicht erschlagen, er hat sie erdrosselt. Er hat seine Komplizin eingespannt, das Opfer zu berauben, ins Auto zu locken; er hat sie erst gefesselt, dann bewusstlos gepeitscht (Stahlseil!), sie erwürgt und hat sich nach dem Mord noch die Mühe gemacht, das Opfer zu entkleiden.
In einem Drogenrausch handeln Täter chaotisch, exzessiv und nicht-planvoll. Ich kann aus dem planvollen, komplexen und bedachten Vorgehen Unterwegers, das zudem eine sadistische und sexuelle Komponente beinhaltet, ehrlich gesagt (mit meinem laienhaften Blick) weder eine für Rauschzustände typische mangelnde Steuerungsfähigkeit noch Unzurechnungsfähigkeit herauslesen.
Zufall, dass Wagner die Details des Erdrosselns und Entkleidens nicht erwähnte?
Ich glaube nicht...
Allerdings ist es klar, dass mit dem Weglassen dieser Details der damalige Gutachter, der in einem der o.g. Vids aussagt, als kompletter Vollidiot dasteht, da sich der Laie fragt, wie er bei nem armen, netten Drogenkonsumenten auf die Diagnose einer Psychopathie und Sadismus kommt. Auch die Richter kann man so als Volldeppen dastehen lassen, weil sich der Laie bei Lesen Wagners Buch dann fragt, wieso man den armen, netten Drogenkonsumenten zu lebenslanger Haft verknackt hat.
Und wie man sieht - es braucht noch nicht mal Lügen, sondern nur das Weglassen bestimmter Wahrheiten, um ein gewisses Bild zu kreieren und Menschen zu mobilisieren, einseitig Partei zu ergreifen und Feindbilder entstehen zu lassen (die böse böse Justiz).
Wir lassen uns allzu gern das Denken abnehmen und vertrauen blind, "nur", weil jemand Jura studiert hat, "nur", weil jemand Psychologe ist, "nur", weil jemand am Prozess teilgenommen hat. DAS ist es, was mich ärgert.
Egal, was man zum Fall Unterweger liest oder sieht - immer geht es um seine Person. Nirgends wurde die Frage diskutiert "was können wir tun, um juristische oder gutachterliche Verfahrensfehler zu vermeiden?", "Wie können wir uns mit diesen Fehlern oder Verbesserungen auseinandersetzen, ohne gleichzeitig die beteiligten Opfer zu diffamieren, zu vergessen oder soweit zu entmenschlichen, dass sie gerade mal ne Randnotiz wert sind?", "Wie können wir uns mit zweifelhaften Beweislagen auseinandersetzen und dies in einem konstruktiven Diskurs tun, der auch ohne Lagerbildung der Pro und Contra Unterweger-Parteien auskommt?".
Wir müssten uns ein wenig mehr mit uns selbst auseinandersetzen, mit unserer Arbeit, unserem Verstand, statt der Einfachheit halber lieber an das zu glauben, was uns vorgesetzt wird. Dieser simple Sachverhalt ist letztlich auch das, wovon Unterweger profitiert hat.