soso
Diskussionsleiter
Profil anzeigen
Private Nachricht
Link kopieren
Lesezeichen setzen
dabei seit 2005
Profil anzeigen
Private Nachricht
Link kopieren
Lesezeichen setzen
Gottes Nützlichkeitsfunktion.
14.04.2003 um 19:54Gottes Nützlichkeitsfunktion.
Von Richard Dawkins
Darwin schrieb einmal "Ich kann nicht glauben, dass ein gütiger und allmächtiger Gott die Schlupfwespe mit der Absicht geschaffen hat, dass sich ihre Larven von den Körpern lebender Raupen ernähren sollten." Eine andere Art von Wespen legt nicht nur ihre Eier in Raupen (oder Grillen oder Bienen), damit sich ihre Larven davon ernähren können, sondern sie sticht ihr Opfer so direkt ins zentrale Nervensystem, dass sie gelähmt werden, aber nicht sterben. Auf diese Art bleibt das Fleisch frisch. Es ist nicht bekannt, ob die Lähmung durch den Stich auch betäubend wirkt, oder ob sie (wie Curare) nur die Bewegungsfähigkeit des Opfers blockiert. Sollte letzteres der Fall sein, dann dürft die Beute bei vollem Bewusstsein von innen heraus aufgefressen zu werden, ohne auch nur einen Muskel dagegen rühren zu können. Das klingt furchtbar grausam, aber die nicht grausam, nur gnadenlos gleichgültig. Die ist eine der schwierigsten Lektionen, die Menschen zu lernen haben. Wir können einfach nicht zugeben, dass es Dinge gibt, die weder gut noch böse sind, weder grausam noch gnädig, sondern schlicht und einfach herzlos gleichgültig gegenüber allem Leiden, ohne irgendwelche Absicht.
Wir Menschen haben die Absicht immer im Kopf. Es ist schwer für uns, irgendetwas zu betrachten ohne uns zu fragen "wozu" es da ist, oder welche Absicht dahinter steckt.
...
Geparden erwecken den Eindruck, für einen ganz bestimmten Zweck geschaffen zu sein; sie erscheinen perfekt, um Gazellen zu töten. Ihre Zähne, Krallen, Augen, Nase, Beinmuskeln, Rückgrat sind genau das, was wir erwarten würden, wenn es Gottes Absicht bei Erschaffung der Geparden gewesen wäre, möglichst viele Todesfälle unter Gazellen zu erreichen. Dagegen zeigen Gazellen genauso eindrucksvolle Anzeichen der entgegengesetzten Absicht: Überleben der Gazellen und Hungertod für die Geparden. Es ist, als wären Geparden von einer und Gazellen von einer anderen, rivalisierenden Gottheit entworfen worden.
Wenn es nur einen Schöpfer gibt, der den Tiger und das Lamm, den Geparden und die Gazelle geschaffen hat, was war seine Absicht? Ist er ein , der sich an blutigen Schauspielen erfreut? Will er Überbevölkerung unter den Säugetieren Afrikas vermeiden? Will er die Zuschauerzahlen von Tierfilmen erhöhen? Dies alles wären vorstellbare Nützlichkeitsüberlegungen, die sich als wahr herausstellen könnten. Natürlich sind sie völlig falsch. Wir kennen heute die einzige Nützlichkeitsfunktion der Natur sehr gut, und es ist keine der genannten. Es ist das Überleben der DNA.
DNA fliegt nicht frei im Raum herum, sie ist in den Körpern von Lebewesen eingeschlossen und muss das Beste aus den ihr zur Verfügung stehenden Kräften machen. DNA-Sequenzen die sich in den Körpern von Geparden finden, tun dies, indem sie diese Körper dazu bringen, Gazellen zu töten. Sequenzen, die sich in den Körpern von Gazellen befinden maximieren ihre Überlebenschancen, indem sie das Gegenteil betreiben. Alles macht Sinn, sowie man davon ausgeht, dass das Überleben der DNA entscheidet.
Solange die DNA weitergegeben wird, ist es egal, wer oder was bei dem Prozess zu Schaden kommt. Es ist besser für die Gene von Darwins Schlupfwespe, dass die Raupe am Leben bleibt, während sie von innen heraus aufgefressen wird, gleichgültig, wie viel sie dabei leidet.
Gene kümmern sich nicht um Leiden, weil sie sich um überhaupt nichts kümmern.
Wenn die Natur gnädig wäre, würde sie wenigstens das kleine Zugeständnis machen, die Raupen zu betäuben, bevor sie bei lebendigem Leibe aufgefressen werden. Aber die weder gnädig, noch ungnädig. Sie ist weder für noch gegen Leiden. Die in keiner Weise am Leiden interessiert, solange es nicht die Weitergabe der DNA betrifft. Es fällt leicht, sich ein Gen vorzustellen, das, sagen wir, die Gazellen beruhigt, bevor sie den tödlichen Biss erleiden. Würde ein solches Gen einen Überlebensvorteil darstellen? Nein, nicht, solange die Beruhigung nicht die Chancen der Gene verbessert, an zukünftige Generationen weitergegeben zu werden. Dem scheint nicht so zu sein, und wir können davon ausgehen, das die Gazelle schreckliche Angst und Schmerzen leidet, wenn sie getötet wird - was den meisten Gazellen früher oder später passiert. Die Menge von Leiden pro Jahr in der Natur liegt jenseits aller Vorstellungskraft. Während der Minute, die ich brauche, um dies zu schreiben, werden Tausende von Tieren lebendig aufgefressen, andere rennen um ihr Leben, wimmernd vor Angst; andere werden langsam von innen heraus von Parasiten verzehrt, Tausende aller Art sterben an Hunger, Durst und Krankheiten. Und dies muss so sein. Wenn es jemals eine Zeit des Überflusses gäbe, würde dies automatisch zu einem Anstieg der Bevölkerung führen, bis der natürliche Zustand wieder hergestellt ist.
Theologen machen sich viele Gedanken über das "Problem des Bösen" und das "Problem des Leidens". Am Tag, als ich diesen Absatz schrieb, fand sich in allen englischen Zeitungen eine schreckliche Geschichte über einen Bus voller Kinder einer katholischen Schule, der einen Unfall mit vielen Toten hatte. Nicht zum ersten mal ergingen sich die Kleriker in Reden über die theologische Frage, die ein Autor des "Sunday Telegraph" folgendermaßen formulierte: "Wie kann man an einen liebenden, allmächtigen Gott glauben, der eine solche Tragödie zulässt?" Die Zeitung gab die Antwort eines Priesters wieder: "Die einfache Antwort ist, dass wir nicht wissen, warum es einen Gott geben sollte, der solch furchtbare Dinge geschehen lässt. Aber der Schrecken dieses Unfalls bestätigt einem Christen nur, dass wir in einer Welt wirklicher Werte leben, positiver und negativer Werte. Wenn das Universum nur aus Elektronen bestünde, gäbe es das Problem des Bösen oder des Leidens gar nicht:"
Ganz im Gegenteil, wenn das Universum nur aus Elektronen und egoistischen Genen bestehen würde, wären sinnlose Tragödien wie der Unfall des Busses genau das was zu erwarten wäre, ebenso genauso sinnlose Fällen des Glücks. Ein solches Universum wäre weder absichtlich gut noch böse. Es würde keinerlei Absichten irgendwelcher Art zum Ausdruck bringen. In einem Universum blinder physikalischer Kräfte und genetischer Replikation würden manche verletzt werden und andere würden Glück haben, und man würde keinerlei Sinn oder Gerechtigkeit darin finden. Das Universum, das wir beobachten, hat genau die Eigenschaften, die zu erwarten wären, wenn es auf seinem Grunde keine Absicht, keinen Zweck, kein Gut und kein Böse geben würde, nichts als blinde, gnadenlose Gleichgültigkeit. Die DNA weiß von nichts. Sie existiert einfach. Und wir tanzen nach ihrer Musik.
Richard Dawkins, River out of Eden, Kapitel 4
Von Richard Dawkins
Darwin schrieb einmal "Ich kann nicht glauben, dass ein gütiger und allmächtiger Gott die Schlupfwespe mit der Absicht geschaffen hat, dass sich ihre Larven von den Körpern lebender Raupen ernähren sollten." Eine andere Art von Wespen legt nicht nur ihre Eier in Raupen (oder Grillen oder Bienen), damit sich ihre Larven davon ernähren können, sondern sie sticht ihr Opfer so direkt ins zentrale Nervensystem, dass sie gelähmt werden, aber nicht sterben. Auf diese Art bleibt das Fleisch frisch. Es ist nicht bekannt, ob die Lähmung durch den Stich auch betäubend wirkt, oder ob sie (wie Curare) nur die Bewegungsfähigkeit des Opfers blockiert. Sollte letzteres der Fall sein, dann dürft die Beute bei vollem Bewusstsein von innen heraus aufgefressen zu werden, ohne auch nur einen Muskel dagegen rühren zu können. Das klingt furchtbar grausam, aber die nicht grausam, nur gnadenlos gleichgültig. Die ist eine der schwierigsten Lektionen, die Menschen zu lernen haben. Wir können einfach nicht zugeben, dass es Dinge gibt, die weder gut noch böse sind, weder grausam noch gnädig, sondern schlicht und einfach herzlos gleichgültig gegenüber allem Leiden, ohne irgendwelche Absicht.
Wir Menschen haben die Absicht immer im Kopf. Es ist schwer für uns, irgendetwas zu betrachten ohne uns zu fragen "wozu" es da ist, oder welche Absicht dahinter steckt.
...
Geparden erwecken den Eindruck, für einen ganz bestimmten Zweck geschaffen zu sein; sie erscheinen perfekt, um Gazellen zu töten. Ihre Zähne, Krallen, Augen, Nase, Beinmuskeln, Rückgrat sind genau das, was wir erwarten würden, wenn es Gottes Absicht bei Erschaffung der Geparden gewesen wäre, möglichst viele Todesfälle unter Gazellen zu erreichen. Dagegen zeigen Gazellen genauso eindrucksvolle Anzeichen der entgegengesetzten Absicht: Überleben der Gazellen und Hungertod für die Geparden. Es ist, als wären Geparden von einer und Gazellen von einer anderen, rivalisierenden Gottheit entworfen worden.
Wenn es nur einen Schöpfer gibt, der den Tiger und das Lamm, den Geparden und die Gazelle geschaffen hat, was war seine Absicht? Ist er ein , der sich an blutigen Schauspielen erfreut? Will er Überbevölkerung unter den Säugetieren Afrikas vermeiden? Will er die Zuschauerzahlen von Tierfilmen erhöhen? Dies alles wären vorstellbare Nützlichkeitsüberlegungen, die sich als wahr herausstellen könnten. Natürlich sind sie völlig falsch. Wir kennen heute die einzige Nützlichkeitsfunktion der Natur sehr gut, und es ist keine der genannten. Es ist das Überleben der DNA.
DNA fliegt nicht frei im Raum herum, sie ist in den Körpern von Lebewesen eingeschlossen und muss das Beste aus den ihr zur Verfügung stehenden Kräften machen. DNA-Sequenzen die sich in den Körpern von Geparden finden, tun dies, indem sie diese Körper dazu bringen, Gazellen zu töten. Sequenzen, die sich in den Körpern von Gazellen befinden maximieren ihre Überlebenschancen, indem sie das Gegenteil betreiben. Alles macht Sinn, sowie man davon ausgeht, dass das Überleben der DNA entscheidet.
Solange die DNA weitergegeben wird, ist es egal, wer oder was bei dem Prozess zu Schaden kommt. Es ist besser für die Gene von Darwins Schlupfwespe, dass die Raupe am Leben bleibt, während sie von innen heraus aufgefressen wird, gleichgültig, wie viel sie dabei leidet.
Gene kümmern sich nicht um Leiden, weil sie sich um überhaupt nichts kümmern.
Wenn die Natur gnädig wäre, würde sie wenigstens das kleine Zugeständnis machen, die Raupen zu betäuben, bevor sie bei lebendigem Leibe aufgefressen werden. Aber die weder gnädig, noch ungnädig. Sie ist weder für noch gegen Leiden. Die in keiner Weise am Leiden interessiert, solange es nicht die Weitergabe der DNA betrifft. Es fällt leicht, sich ein Gen vorzustellen, das, sagen wir, die Gazellen beruhigt, bevor sie den tödlichen Biss erleiden. Würde ein solches Gen einen Überlebensvorteil darstellen? Nein, nicht, solange die Beruhigung nicht die Chancen der Gene verbessert, an zukünftige Generationen weitergegeben zu werden. Dem scheint nicht so zu sein, und wir können davon ausgehen, das die Gazelle schreckliche Angst und Schmerzen leidet, wenn sie getötet wird - was den meisten Gazellen früher oder später passiert. Die Menge von Leiden pro Jahr in der Natur liegt jenseits aller Vorstellungskraft. Während der Minute, die ich brauche, um dies zu schreiben, werden Tausende von Tieren lebendig aufgefressen, andere rennen um ihr Leben, wimmernd vor Angst; andere werden langsam von innen heraus von Parasiten verzehrt, Tausende aller Art sterben an Hunger, Durst und Krankheiten. Und dies muss so sein. Wenn es jemals eine Zeit des Überflusses gäbe, würde dies automatisch zu einem Anstieg der Bevölkerung führen, bis der natürliche Zustand wieder hergestellt ist.
Theologen machen sich viele Gedanken über das "Problem des Bösen" und das "Problem des Leidens". Am Tag, als ich diesen Absatz schrieb, fand sich in allen englischen Zeitungen eine schreckliche Geschichte über einen Bus voller Kinder einer katholischen Schule, der einen Unfall mit vielen Toten hatte. Nicht zum ersten mal ergingen sich die Kleriker in Reden über die theologische Frage, die ein Autor des "Sunday Telegraph" folgendermaßen formulierte: "Wie kann man an einen liebenden, allmächtigen Gott glauben, der eine solche Tragödie zulässt?" Die Zeitung gab die Antwort eines Priesters wieder: "Die einfache Antwort ist, dass wir nicht wissen, warum es einen Gott geben sollte, der solch furchtbare Dinge geschehen lässt. Aber der Schrecken dieses Unfalls bestätigt einem Christen nur, dass wir in einer Welt wirklicher Werte leben, positiver und negativer Werte. Wenn das Universum nur aus Elektronen bestünde, gäbe es das Problem des Bösen oder des Leidens gar nicht:"
Ganz im Gegenteil, wenn das Universum nur aus Elektronen und egoistischen Genen bestehen würde, wären sinnlose Tragödien wie der Unfall des Busses genau das was zu erwarten wäre, ebenso genauso sinnlose Fällen des Glücks. Ein solches Universum wäre weder absichtlich gut noch böse. Es würde keinerlei Absichten irgendwelcher Art zum Ausdruck bringen. In einem Universum blinder physikalischer Kräfte und genetischer Replikation würden manche verletzt werden und andere würden Glück haben, und man würde keinerlei Sinn oder Gerechtigkeit darin finden. Das Universum, das wir beobachten, hat genau die Eigenschaften, die zu erwarten wären, wenn es auf seinem Grunde keine Absicht, keinen Zweck, kein Gut und kein Böse geben würde, nichts als blinde, gnadenlose Gleichgültigkeit. Die DNA weiß von nichts. Sie existiert einfach. Und wir tanzen nach ihrer Musik.
Richard Dawkins, River out of Eden, Kapitel 4