VERBRECHEN - Heute wird das Urteil im Prozess gegen den 36-Jährigen gesprochen, der im August 2013 die 23-jährige Marleen Häfner aus Walddorfhäslach getötet hat Verbrechen an Marleen Häfner: Mord oder Totschlag?
Von Andreas Fink
WALDDORFHÄSLACH/TÜBINGEN. »Fünf, zehn oder fünfzehn Jahre oder doch lebenslänglich: Für die Angehörigen bedeutet es auf jeden Fall lebenslänglich«, sagt Andrea Sautter, die die Eltern von Marleen Häfner im Prozess gegen den 36-Jährigen, der die 23-Jährige im August 2013 getötet hat, vertritt. Lebenslänglich Trauer, Wut und die Erkenntnis, dass die Mutter, die Tochter, die Schwester, das Patenkind nie wieder zurückkommen wird.
»Der Täter hat nicht nur einer jungen, lebenslustigen Frau das Leben genommen, er hat eine ganze Familie zerstört«, sagt die Anwältin. Die Eltern sind immer noch arbeitsunfähig, um ihren Enkel ist ein Sorgerechts-Streit mit dem Kindsvater entflammt, »das Kind sucht die größte Leiter der Welt, um zu seiner Mutter zu kommen«, sagt Andrea Sautter.
Noch vor den Plädoyers war gestern klar, dass der 36-Jährige voll schuldfähig ist. Zu diesem Ergebnis kommt Dr. Stephan Bork, forensischer Psychiater am Universitätsklinikum Tübingen, der sich mit dem Täter mehrfach unterhalten hat. Bei dem 36-Jährigen kann er weder psychologische noch psychiatrische Auffälligkeiten erkennen. Auch die Tatsache, dass er vor der Tat einigen Alkohol (allein fünf Jägermeister, mit Marleen dann zwei oder drei Pina Colada) getrunken hatte, will er nicht hoch bewerten. Maximal 1,3 Promille bei einem Mann, der Alkohol gewöhnt ist – kein Grund für eine eingeschränkte Schuldfähigkeit.
Der Täter habe sich im Laufe der Zeit in Marleen verliebt, ist Staatsanwalt Burkhard Werner überzeugt. Obwohl sie ihm klargemacht hatte, dass sie eine Freundschaft, aber keine Liebesbeziehung wolle, drängte er ihr weiter Geschenke aller Art auf – sogar am Valentinstag. »Das grenzte an Stalking«, so der Staatsanwalt, »es mag aber auch sein, dass Marleen etwas naiv war, sich von ihm so vereinnahmen zu lassen.«
Zur Tat: »Er wollte sie von Anfang an töten«, ist der Staatsanwalt überzeugt, »und er wollte sichergehen – er hat zwischen drei und fünf Minuten zugedrückt, er wusste also, was er tat, von Affekt kann keine Rede sein.« Dafür spricht auch, dass er nach der Tat genau plante, wie er die Tote »entsorgen« könnte, in den Tagen danach tat er alles, um das Kapitalverbrechen zu vertuschen.
»Egal, welche Strafe rauskommt – das wird an der Tragödie nichts ändern«
»Eifersucht war sicher ein Motiv für die Tat«, sagt Werner. Eifersucht als niederer Beweggrund wäre ein Mord-Merkmal. »Eifersucht ist aber nicht alles«, so der Staatsanwalt, »hier kommt ein ganzes Motivbündel zum Tragen.« Das Verhalten des Täters komme »sehr nahe an das Mordmerkmal heran, das wird zu berücksichtigen sein.« Werner plädiert für eine Haftstrafe von 13 Jahren.
Andrea Sautter, die die Eltern und den Sohn von Marleen Häfner vertritt, redet nicht von Totschlag, sondern von Mord. Mord aus einem niedrigen Beweggrund, getrieben von Eifersucht. Der 36-Jährige sei in Marleen vernarrt gewesen. Als er an ihrer Seite einen neuen Mann sah, habe er bemerkt, dass sein Traum endgültig geplatzt sei. »Wenn ich sie nicht kriege, kriegt sie keiner.« So habe er gedacht und Marleen ermordet.
Die Woche vor der Tat bezeichnet die Anwältin als »eine einzige große Inszenierung«, die nur die Tat vorbereitet habe. Dann sieht die Juristin noch eine ganze Reihe rätselhafter Punkte, die auf Mord hindeuteten: Warum lagen am Tag nach der Tat im Wohnzimmer überall Scherben? Warum trug die Tote nicht die gleichen Kleider, die Marleen getragen hatte, als sie wenige Stunden vor der Tat bei ihren Eltern weggefahren war? Warum lag ihr Nasen-Piercing auf dem Tisch? In den Akten ist außerdem die Rede von Schlafmitteln. Hat sie der Täter verwendet, um Marleen leichter töten zu können, fragen sich die Eltern.
»Dem Täter ist es bislang nicht gelungen, auszudrücken, dass er für seine Tat Bedauern empfindet«, sagt Verteidigerin Julia Geprägs, »das tut er aber. Er bittet mich, dies auszudrücken – es tut ihm unendlich leid.« Die Anwältin glaubt nicht an das Eifersuchts-Motiv, »ich lese aus der Tat mehr die Enttäuschung darüber heraus, dass sie ihn nicht mehr in ihr Privatleben eingeweiht hat«. Beim fatalen Streit schließlich hätten sich beide so verhalten wie sonst nie: Marleen sei laut geworden und auf ihren »Kumpel« losgegangen, der große, starke Mann habe im Gegenzug zum ersten Mal in seinem Leben mit Gewalt reagiert.
»Egal, welche Strafe rauskommt – das wird an der Tragödie nichts ändern«, sagt die Verteidigerin, »13 Jahre halte ich aber für zu hoch.« Der Täter, der ebenfalls einen Sohn hat, »soll auch noch irgendeine Perspektive in seinem Leben haben«. Julia Geprägs plädiert für eine Haftstrafe von maximal neun Jahren.
Der Vorsitzende Richter Dr. Ralf Peters verkündet das Urteil heute, Freitag, um 14 Uhr in Saal 120 des Tübinger Landgerichts. (GEA)
Mord und Totschlag
Wer einen Menschen vorsätzlich tötet, wird wegen Totschlags zu Freiheitsstrafen nicht unter fünf Jahren verurteilt. Die lebenslange Freiheitsstrafe sieht das deutsche Strafgesetzbuch ausschließlich für Mörder vor. Einen Mord begeht, wer einen Menschen vorsätzlich tötet und zusätzlich unrechts- oder schuldsteigernde Merkmale verwirklicht. Dazu zählen Habgier oder niedere Beweggründe des Täters genauso wie eine besonders grausame, heimtückische oder gemeingefährliche Tatausführung.
http://www.gea.de/region+reutlingen/neckar+erms/verbrechen+an+marleen+haefner+mord+oder+totschlag+.3692636.htm