Wie geht es Euch nach Eurer Abtreibung?
06.02.2020 um 12:05
Ich schreibe Euch mal, wie es mir geht nach meiner Abtreibung. Sie ist nun 4 Wochen her und zum Glück hat sich mein Körper davon erholt. Ich habe drei Wochen lang recht stark geblutet. Das war für mich nicht abzusehen, ich dachte, es dauert in ungefähr so lang, wie eine Menstruation. Die Schmerzen liessen tageweise nach, die erste Nacht war schon sehr schlimm. Mal ganz von der Psyche abgesehen. Es war wie eine stetige Erinnerung an das Geschehene, das Blut zu sehen. Ein bisschen fuehlte ich mich wie im Wochenbett, was man ja nach der Geburt erlebt. Irgendwie offen, entleert. Schrittweise ging es mit den Schmerzen besser. Ich habe meine normalen Tagesablaufe beibehalten, soweit es möglich war und das hat auch geklappt.
Psychisch war das Ganze ein enormer Kahlschlag an allem Vertrauen und Zuversicht, ja, sogar der Vorfreude auf das Baby. Ich hatte mir nämlich eigentlich ein Kind gewünscht. Also es war für mich zwar nicht geplant passiert/forciert, aber auch nicht unerwünscht. Ich habe bereits ein Kind aus einer vor drei Jahren in die Brüche gegangenen langen Beziehung. Noch ein Kind zu bekommen, war immer ein grosser Wunsch meinerseits gewesen. Ich bin schon 39.
Also die Freude und die Überraschung, die ich erlebte, als es sich manifestierte, dass ich schwanger bin, wurde im Laufe von circa 10 Tagen umgewandelt in Angst, Hoffnungslosigkeit und Schmerz des Loslassens. Mein Freund war einfach komplett dagegen bis zu dem Punkt, dass er das Land verlassen hätte und verschwunden wäre, haette ich das Kind bekommen. Er hat mir so viele Vorwürfe gemacht. Ich dachte nur Hallo?! Sind wir im selben Film? Ich dachte, er sagt, okay Baby, jetzt isses passiert, lass uns das Baby auch bekommen, willst Du mich heiraten?^^
Ja, ich weiss, klingt im Nachhinein echt naiv, aber ich fühlte mich bei ihm geborgen und geliebt sonst hätte ich keinen ungeschuetzten Sex mit ihm gehabt. Ich liebte ihn und er war fuer mich da, seit 10 Monaten. Er ist Ausländer, da gab es wohl von mir zwar wahrgenommen schon Kommunikationsprobleme, aber sein Schweigen, bzw. ambivalente Antworten hier und da waren und blieben rätselhaft. Eine Beziehungskrise und die damit einhergehenden Diskussionen via Telefon, Besuche, Konflikte und die Versuche, es irgendwie doch zu retten, darum zu kämpfen und die Erkenntnis, dass ich allein bin, mit allen Konsequenzen hatten an dem einen Tag der Abtreibung dann irgendwann, irgendwie ihr Ende gefunden.
Danach ist alles in die Brüche gegangen mit diesem Mann, in der Woche danach. Wir hatten uns einen Tag vorher noch gesehen und es waren vielleicht 5 Tage nach der Abtreibung selbst vergangen. Ich lebte in dieser akuten Zeit mit einer permanenten Panikartigen Unsicherheit und fühlte mich schwach, dennoch hatten wir einen recht schoenen Abend ohne Drama in einem Restaurant, es tat mir gut mit ihm zu sein, ich glaubte, wir schaffen das. Andererseits merkte ich wie er sich doch distanzierte und er sich weniger meldete, zumindest in meiner Wahrnehmung fehlte da etwas. Sein Wille, in die Zukunft zu sehen. Als ich ihn darauf hin in einem Chat ansprach, schrieb er unter Anderem mir eine lange Nachricht, die er dann später löschte, als ich sie bereits aber schon gelesen und auch beantwortet (!) hatte.
In dieser Nachricht machte er quasi Schluss mit mir. So, das war auch ein Aspekt der ganzen Abtreibung. Der Verlust an allem, was ich bis dahin als mein Privatleben definiert habe.
Ich habe in der frühen 5. Woche abgetrieben. Ich mache mir keine Vorwuerfe, ein Kind umgebracht zu haben. Es war ein Potential, das Wunder und Geschenk eines Kindes, eines Kindes welches ich gerne bekommen hätte… das macht es mir so schwer, damals und fuer immer, dieses Erlebnis zu verkraften.
Manchmal werden Kinder abgetrieben, die eigentlich sehr gewünscht sind. Wer das nicht verstehen kann oder möchte, den bitte ich davon abzusehen, mich zu kritisieren, oder zu hinterfragen. Es ist einfach so.
Fakt ist: ich bin bereits alleinerziehend und erlebe dies auch mitunter als Stress und permanente Herausforderung. In Kombination mit meinem Job und Lebensumfeld in einer grossen Stadt ohne Familie um mich herum. Meine Familie lebt 4.5 Stunden mit dem Auto weit weg. Ich halte gerade so alles am Laufen, ich sehne mich nach einer festen Partnerschaft und etwas Unterstützung/Teamwork im Alltag. Ich hatte eine gute, Beziehung mit dem Mann, bis dato. Auf diese meine wackeligen 2 Beine noch mehr Verantwortung und Stress zu laden, geht nicht. Ein Kind sollte meiner Meinung nach mit Mama und Papa aufwachsen. Es tut mir fuer mein - nicht mehr so kleines Kind sehr leid, dass die Eltern sich getrennt haben. Auch dies war nicht meine Wahl, sondern die vom Vater.
Ein Kind ohne Vater allein auf die Welt zu bringen und dann zwei Kinder von zwei Männern allein zu haben empfinde ich fuer mich als zu hohe Hürde. Andere Frauen können das vielleicht, ich aber nicht.
Ich möchte keinen Totenkult um das Kind beginnen, die Erinnerungen an die Zeit der Entstehung, der Realisation, der Weg zur Entscheidung und zur eigentlichen Abtreibung selbst reichen mir als Erfahrung, die ich nie vergessen werde.
Noch zur Abtreibung selbst, es war in einer Klinik, es gibt da mehrere Zentren, die das machen. Das Ganze hat 4 Stunden gedauert. Es war wie eine Massenabfertigung. In meiner Stadt werden allein diesem Ort 300 Frauen pro Monat behandelt. Die allermeisten Frauen waren erleichtert nach der Behandlung. Sie assen am Buffet und zogen sich an, gingen normal raus. Bei mir war das anders. Selbst mein Begleiter ist traumatisiert, weil ich so ein Nervenbündel war.
Ich war nie gegen Abtreibung, und ich bin auch stets noch der gleichen Meinung. Ich fühle mich schon schuldig, ich habe nicht (mehr) die Pille genommen, habe mir ein Kind gewuenscht und er wusste das sehr genau. Wir haben daruebr gesprochen. Er versprach mir, mir ein neues zu machen... ja, verdammt, wie unreif kann man sein? Ich habe sonst immer die Kontrolle behalten mit der Pille. Maedels, passt auf.
Nachdem er doch mehrere Male “mit dem Feuer spielte” und sogar auf direkte Hinweise auf eine Art indifferent reagierte, habe ich das als Okay interpretiert. Das ist meine Schuld an der Sache und mehr nicht.
Er: “I am at work, I again forgot the condoms at home.”
Ich: “So you will make us a nice baby tonight.”
Er: “:)”