ThoFra schrieb:Es geht um die Fragestellung, ob und unter welchen Umständen es Angehörigen möglich ist, in einem Vermisstenfall, in dem der Verdacht eines Kapitalverbrechens im Raume steht, aktiv Such-/Fahndungsmaßnahmen zu verhindern:
Ach du je, eines meiner Lieblingshassthemen.
:) Das deutsche "Datenschutz- und Persönlichkeitsschutzrecht" läuft in diesem Bereich schon seit einigen Jahren Amok, meiner Meinung nach. Aber nun ja, schauen wir mal.
Es kommt erst einmal darauf an, wann das alles passiert ist, und dann wessen Fahndung "verboten" wurde und von wem.
Seit 2018 ist das Recht in Deutschland in diesen Punkten noch komplizierter geworden, vorher war es nicht ganz so dramatisch.
Prinzipiell kann ein Betroffener gegen Privatpersonen vorgehen, wenn er meint, ein "Fahndungsaufruf" beeinträchtige seine persönlichen Rechte. Und das ist auch gut so. Er kann auch den Staat zu Hilfe rufen, wenn er meint, dass strafbewehrte Dinge wie "Verleumdung" oder "üble Nachrede" passieren.
Beispiel: Ottokar findet seinen Keller aufgebrochen und ist überzeugt, der stadtbekannte Sandler Luigi ist der Täter. Er hat noch irgendwo ein Foto von Luigi aufgetrieben und lässt Fahndungsplakate drucken: "Dieb! Einbrecher! Findet Luigi!" Der Luigi aber ist ganz unschuldig, befand sich zur Tatzeit in der Ausnüchterungszelle am Jakobsplatz und hat damit das perfekte Alibi. Er ärgert sich aber sehr über das Vorgehen des Ottokar und zeigt ihn daher sowohl bei der Polizei an, und findet auch einen Anwalt, der für ihn Zivilklage gegen den Ottokar erhebt.
So, theoretisch kann das auch dann gelten, wenn der Staat zu Unrecht öffentlich fahndet, aber gegen den Staat vorzugehen ist oft schwierig.
Nun haben wir es hier aber nicht mit übler Nachrede oder Verleumdung zu tun, sondern mit einer Fahndung nach einer Vermissten, der sonst aber nichts vorgeworfen wird, soweit ich das verstehe. Dann kann die Fahndung immer noch das "Persönlichkeitsrecht" beeinträchtigen. Dagegen steht die meist legitime Besorgnis der Personen, welche die Fahndung ausgelöst haben.
Auch hier müsste man schauen, wer vorgeht: die vermisste Person selbst kann sich gegen Massnahmen wehren, welche ihr Recht beeinträchtigt. Bei einem Kind können das in der Regel auch die Eltern. Viel schwieriger wird es, wenn andere Angehörige sich einmischen. Kann ein Bruder, Onkel etc. die Rechte der Schwester, Nichte usw. vertreten? Ohne dazu bevollmächtigt zu sein? In der Regel nicht.
Und zu guter Letzt noch die Frage, was ist mit dem Staat? Wenn der Staat in so einem Fall fahndet, dann auf Grundlage des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts. Er muss eine Gefahr für die Person sehen und der Meinung sein, diese durch eine solche Fahndung mindern oder beseitigen zu können. Auch der Staat darf dabei nicht unzulässig in die Rechte anderer eingreifen, aber er darf es, wenn es begründbar ist. Wichtig ist aber auch hier: normalerweise kann nur der Betroffene seine Rechte geltend machen.
Soweit eine kurze (?) Erklärung ohne den Hintergrund dieses Falles zu kennen.