Darum vorwärts, vorwärts Wolfowitz
16.05.2004 um 18:57„Darum vorwärts, vorwärts Wolfowitz!“
Eines Tages war Zarathustra unter einem Feigenbaume eingeschlafen. Da kam eine Natter und biß ihn in den Hals, so dass Zarathustra vor Schmerz aufschrie. Er sah die Schlange an: da erkannte sie die Augen Zarathustras, wand sich ungeschickt und wollte davon. „Nicht doch, sprach Zarathustra; noch nahmst du meinen Dank nicht an! Du wecktest mich zur Zeit, mein Weg ist noch lang.“ „Dein Weg ist nur kurz“, sagte die Natter traurig; mein Gift tötet.“ Zarathustra lächelte. „Wann starb wohl je ein Drache am Gift einer Schlange? sagte er. Aber nimmt dein Gift zurück! Du bist nicht reich genug, um es mir zu schenken.“ Da fiel die Natter von neuem um seinen Hals und leckte ihm seine Wunde.
Friedrich Nietzsche, Zarathustra, 1883
In den letzten Tagen ist das Phänomen zu beobachten, dass starke Worte zu der Verurteilung von Gräuel, schlimmer gewertet werden, als die Gräueltaten selbst. Über die verlorene Fähigkeit zu deutlichen Alltagsbeschreibungen, habe ich schon in „CAMPO de Criptana“, in meiner Polemik „Darum vorwärts, vorwärts Wolfowitz“, Auskunft gegeben - http://www.campodecriptana.de/content/ausgabe5_wolfowitz.pdf
Jedoch, ehedem war alles anders und besonders die politische Linke belegte Gräueltaten mit drastischen Aussagen, zu denen sehr häufig Vergleiche aus dem Tierreich bemüht wurden, die heute nahezu verpönt sind. Zu Unrecht. Werfen wir aber doch mal einen Blick auf die unzähligen diesbezüglichen Äußerungen, von denen ich einen Teil zitieren möchte.
Nicht nur, dass George Orwell die ganze Weltgeschichte als „Farm der Tiere“ darstellte, ja selbst die Beatles befanden „Happiness is a warm gun“ und nahmen beispielhaft die (Menschen)-Piggies heraus:
„Everywhere there´s lot of piggies livin piggies lives
You can see them out for dinner with their piggy wives“
Lou Reed war es, der den Amerikanern schon vor 15 Jahren sagte: „Stick a fork in their ass an turn them over, they´re done.“
Franz Josef Degenhardt hatte auf dem Höhepunkt der Vietnam-Proteste herausgeschrieen:
„Erschlagen wie die Ratten, werden alle Ledernacken.“
Töricht das alles, aber darum soll es auch gar nicht gehen.
Nun, Johnny Cash benannte „That beast in me“ – ein Eingeständnis schlafender Instinkte.
Aber nicht selten wurde die Dichter Sprache drastisch, wenn es um eine Brandmarkung des vertierten oder undemokratischen Gegners ging. Da war auch schon mal bei Wolf Biermann die Rede vom „braunen Bestiarium“, da freute sich Kreisler über die Römer, welche die Christen „nach Möglichkeit verbrannten“, da stellte Frank Wedekind fest, er könne „doch nicht von den Schweinen sagen, dass sie Menschen sind.“; und bei Tucholsky war es die Bürgerklasse, die „winseln wie die feigen Hunde“, während Brecht meinte, es gäbe keinen Frieden, ehe den Aufrüstern „nicht die Hände zerschlagen werden.“; und wenn sie „ihre Schweineschnauzen in unseren Sowjetgarten stecken“, werde „der Hammer auf sie niedersausen, sie die Sichel nieder mähn“.
Tucholskys Buch „Deutschland, Deutschland über alles“, enthält eine Montage von John Heartfield, auf dem deutsche Militaristen abgebildet sind, Titel: Tiere sehen dich an!
Der deutsche Liedermacher Lothar Föllmer beschrieb, wie er einen, von aufgebrachten Leuten, gehenkten Menschen, sah:
„Jeder Hilfe ist jetzt sinnlos, dachte ich so bei mir,
Sicher tötete ihn eine Bestie, irgendso ein wildes Tier.
Als ich längst schon gegangen kamen mir doch Zweifel auf…
Dennoch wies ich den Gedanken,
Dass ein Mensch so etwas tut
Weit von mir und in die Schranken
Denn man sagt: der Mensch sei gut.
Später wurd´ ich durch die Zeitung eines Besseren belehrt
Und nun musste ich erkennen, dass mein Verdacht nicht ganz verkehrt,
Dass es Tiere waren die diesen Tat vollbracht,
Doch das es Bestien gibt in Menschenhaut
Das hätt´ ich nicht gedacht
Ich erfuhr das biedere Bürger diesen Menschen umgebracht
Weil er sie durch sein Verhalten zur Raserei gebracht
Denn sie hatten durch sein Reden oft verspottet sich gefühlt
Und ja hat man ihn erschlagen, sich als Richter aufgespielt
Heut traue ich keinem Menschen und sehe mich stets vor
Schleiche manchmal wie ein Tier das den Instinkt schon längst verlor
Nur um unverletzbar zu bleiben
Ohne Wunden zu entfliehn
Denn der Strom in dem Treiben
Weiß noch nicht genau wohin
Wirken Menschen noch so friedlich
Ich bin immer auf der Hut
Ist die Menschheit auch schon alt
Das was länge währt, wird nicht immer gut.“
Brecht war es, der in seinem Stück „Freiheit und Democracy“ den Mord beschrieb: „wohlig räkelt sich das Vieh“, er war es auch, der Theresa Carrar in seinem Stück zum Spanischen Bürgerkrieg über die aufständischen Faschisten sagen ließ: „Das ist ein Aussatz und das muss ausgebrannt werden wie ein Aussatz.“; und der Vorsitzende des National Komitee Freies Deutschland, Erich Weinert, empfahl seinen Umgang mit den Franco-Leute: „Mit Gewehren, Bomben und Granaten“, wird das Ungeziefer ausgebrannt“ und „Dem Faschistengesindel keine Gnade, keine Gnade dem Hund der uns verrät.“
Erich Kästner beschrieb sehr schön seine Empfindungen, die er gegenüber einem schikanierenden Ausbilder bei der Armee hatte:
„Er hat mich zum Spaß durch den Sand gehetzt
Und hinterher lauernd gefragt:
Wenn du nun meinen Revolver hätt´s
Brächst du mich um, gleich hier und gleich jetzt?
Da hab´ ich: JA! gesagt
Wer ihn gekannt vergisst ihn nie
Den legt man sich auf Eis
Er war ein Tier er spie und schrie
Und SERGANT WAURICH HIEß DAS VIEH!
Damit es jeder weiß
Der Kerl hat mir das Herz versaut
Das wird ihm nie verziehn
Es wurmt und sticht und hämmert lau
Und wenn mir Nachts vorm Schlafen graut
Dann denke ich an ihn!“
Einst wurde auch gerne das Lied „Dolchstoßlegende“ in der Linken gehört:
Wo war denn das geile Getier
Das nach dem Stahlbad des Krieges geschrieen
Bei Orgien im sicheren Hauptquartier
Muss niemand vor Kugeln und Giftgasen fliehen
---
Einst kommt der Tag, die Verbrechen zu sühnen
Dann wird wohl den Mördern das Lachen vergehen
Denn diesmal bekommen sie was sie verdienen
Und wenn sie auch feige, um Gnade flehen
Für dieses Getier keine ehrlichen Flinten
Den Strick und einen Tritt von hinten.“
Johannes R. Becher, fast zuletzt -
Erich Mühsam
Sie haben auf ihre Weise sich tüchtig angestrengt
Damit der „rote Jude“ sich endlich selbst erhängt.
Sie sahen, dass er freiwillig nicht in die Schlinge schlüpft
Da haben ihn die Henker selber aufgeknüpft…
Darüber viel zu sprechen, Erich, erübrigt sich
Wir werden alle rächen, Erich, auch dich! Auch dich!
Und wie hieß es im „Läuselied“ – man habe erst gesiegt, wenn „zerquetscht ist jede Laus“; Majakowski reimte zuletzt und Hanns Eisler schrieb dazu die Musik:
„Darum vorwärts, vorwärts Bolschewik
Tod den Weißen und der weißen Läusebrut!“
Ach ja, jetzt weiß ich wieder, woher ich die Überschrift zu dem Artikel habe.
Eines Tages war Zarathustra unter einem Feigenbaume eingeschlafen. Da kam eine Natter und biß ihn in den Hals, so dass Zarathustra vor Schmerz aufschrie. Er sah die Schlange an: da erkannte sie die Augen Zarathustras, wand sich ungeschickt und wollte davon. „Nicht doch, sprach Zarathustra; noch nahmst du meinen Dank nicht an! Du wecktest mich zur Zeit, mein Weg ist noch lang.“ „Dein Weg ist nur kurz“, sagte die Natter traurig; mein Gift tötet.“ Zarathustra lächelte. „Wann starb wohl je ein Drache am Gift einer Schlange? sagte er. Aber nimmt dein Gift zurück! Du bist nicht reich genug, um es mir zu schenken.“ Da fiel die Natter von neuem um seinen Hals und leckte ihm seine Wunde.
Friedrich Nietzsche, Zarathustra, 1883
In den letzten Tagen ist das Phänomen zu beobachten, dass starke Worte zu der Verurteilung von Gräuel, schlimmer gewertet werden, als die Gräueltaten selbst. Über die verlorene Fähigkeit zu deutlichen Alltagsbeschreibungen, habe ich schon in „CAMPO de Criptana“, in meiner Polemik „Darum vorwärts, vorwärts Wolfowitz“, Auskunft gegeben - http://www.campodecriptana.de/content/ausgabe5_wolfowitz.pdf
Jedoch, ehedem war alles anders und besonders die politische Linke belegte Gräueltaten mit drastischen Aussagen, zu denen sehr häufig Vergleiche aus dem Tierreich bemüht wurden, die heute nahezu verpönt sind. Zu Unrecht. Werfen wir aber doch mal einen Blick auf die unzähligen diesbezüglichen Äußerungen, von denen ich einen Teil zitieren möchte.
Nicht nur, dass George Orwell die ganze Weltgeschichte als „Farm der Tiere“ darstellte, ja selbst die Beatles befanden „Happiness is a warm gun“ und nahmen beispielhaft die (Menschen)-Piggies heraus:
„Everywhere there´s lot of piggies livin piggies lives
You can see them out for dinner with their piggy wives“
Lou Reed war es, der den Amerikanern schon vor 15 Jahren sagte: „Stick a fork in their ass an turn them over, they´re done.“
Franz Josef Degenhardt hatte auf dem Höhepunkt der Vietnam-Proteste herausgeschrieen:
„Erschlagen wie die Ratten, werden alle Ledernacken.“
Töricht das alles, aber darum soll es auch gar nicht gehen.
Nun, Johnny Cash benannte „That beast in me“ – ein Eingeständnis schlafender Instinkte.
Aber nicht selten wurde die Dichter Sprache drastisch, wenn es um eine Brandmarkung des vertierten oder undemokratischen Gegners ging. Da war auch schon mal bei Wolf Biermann die Rede vom „braunen Bestiarium“, da freute sich Kreisler über die Römer, welche die Christen „nach Möglichkeit verbrannten“, da stellte Frank Wedekind fest, er könne „doch nicht von den Schweinen sagen, dass sie Menschen sind.“; und bei Tucholsky war es die Bürgerklasse, die „winseln wie die feigen Hunde“, während Brecht meinte, es gäbe keinen Frieden, ehe den Aufrüstern „nicht die Hände zerschlagen werden.“; und wenn sie „ihre Schweineschnauzen in unseren Sowjetgarten stecken“, werde „der Hammer auf sie niedersausen, sie die Sichel nieder mähn“.
Tucholskys Buch „Deutschland, Deutschland über alles“, enthält eine Montage von John Heartfield, auf dem deutsche Militaristen abgebildet sind, Titel: Tiere sehen dich an!
Der deutsche Liedermacher Lothar Föllmer beschrieb, wie er einen, von aufgebrachten Leuten, gehenkten Menschen, sah:
„Jeder Hilfe ist jetzt sinnlos, dachte ich so bei mir,
Sicher tötete ihn eine Bestie, irgendso ein wildes Tier.
Als ich längst schon gegangen kamen mir doch Zweifel auf…
Dennoch wies ich den Gedanken,
Dass ein Mensch so etwas tut
Weit von mir und in die Schranken
Denn man sagt: der Mensch sei gut.
Später wurd´ ich durch die Zeitung eines Besseren belehrt
Und nun musste ich erkennen, dass mein Verdacht nicht ganz verkehrt,
Dass es Tiere waren die diesen Tat vollbracht,
Doch das es Bestien gibt in Menschenhaut
Das hätt´ ich nicht gedacht
Ich erfuhr das biedere Bürger diesen Menschen umgebracht
Weil er sie durch sein Verhalten zur Raserei gebracht
Denn sie hatten durch sein Reden oft verspottet sich gefühlt
Und ja hat man ihn erschlagen, sich als Richter aufgespielt
Heut traue ich keinem Menschen und sehe mich stets vor
Schleiche manchmal wie ein Tier das den Instinkt schon längst verlor
Nur um unverletzbar zu bleiben
Ohne Wunden zu entfliehn
Denn der Strom in dem Treiben
Weiß noch nicht genau wohin
Wirken Menschen noch so friedlich
Ich bin immer auf der Hut
Ist die Menschheit auch schon alt
Das was länge währt, wird nicht immer gut.“
Brecht war es, der in seinem Stück „Freiheit und Democracy“ den Mord beschrieb: „wohlig räkelt sich das Vieh“, er war es auch, der Theresa Carrar in seinem Stück zum Spanischen Bürgerkrieg über die aufständischen Faschisten sagen ließ: „Das ist ein Aussatz und das muss ausgebrannt werden wie ein Aussatz.“; und der Vorsitzende des National Komitee Freies Deutschland, Erich Weinert, empfahl seinen Umgang mit den Franco-Leute: „Mit Gewehren, Bomben und Granaten“, wird das Ungeziefer ausgebrannt“ und „Dem Faschistengesindel keine Gnade, keine Gnade dem Hund der uns verrät.“
Erich Kästner beschrieb sehr schön seine Empfindungen, die er gegenüber einem schikanierenden Ausbilder bei der Armee hatte:
„Er hat mich zum Spaß durch den Sand gehetzt
Und hinterher lauernd gefragt:
Wenn du nun meinen Revolver hätt´s
Brächst du mich um, gleich hier und gleich jetzt?
Da hab´ ich: JA! gesagt
Wer ihn gekannt vergisst ihn nie
Den legt man sich auf Eis
Er war ein Tier er spie und schrie
Und SERGANT WAURICH HIEß DAS VIEH!
Damit es jeder weiß
Der Kerl hat mir das Herz versaut
Das wird ihm nie verziehn
Es wurmt und sticht und hämmert lau
Und wenn mir Nachts vorm Schlafen graut
Dann denke ich an ihn!“
Einst wurde auch gerne das Lied „Dolchstoßlegende“ in der Linken gehört:
Wo war denn das geile Getier
Das nach dem Stahlbad des Krieges geschrieen
Bei Orgien im sicheren Hauptquartier
Muss niemand vor Kugeln und Giftgasen fliehen
---
Einst kommt der Tag, die Verbrechen zu sühnen
Dann wird wohl den Mördern das Lachen vergehen
Denn diesmal bekommen sie was sie verdienen
Und wenn sie auch feige, um Gnade flehen
Für dieses Getier keine ehrlichen Flinten
Den Strick und einen Tritt von hinten.“
Johannes R. Becher, fast zuletzt -
Erich Mühsam
Sie haben auf ihre Weise sich tüchtig angestrengt
Damit der „rote Jude“ sich endlich selbst erhängt.
Sie sahen, dass er freiwillig nicht in die Schlinge schlüpft
Da haben ihn die Henker selber aufgeknüpft…
Darüber viel zu sprechen, Erich, erübrigt sich
Wir werden alle rächen, Erich, auch dich! Auch dich!
Und wie hieß es im „Läuselied“ – man habe erst gesiegt, wenn „zerquetscht ist jede Laus“; Majakowski reimte zuletzt und Hanns Eisler schrieb dazu die Musik:
„Darum vorwärts, vorwärts Bolschewik
Tod den Weißen und der weißen Läusebrut!“
Ach ja, jetzt weiß ich wieder, woher ich die Überschrift zu dem Artikel habe.