@Fedaykin Offensichtlich haben die Luftschläge dann etwas bewirken können, wenn am Boden agierende Truppen unterstützt wurden. Außer den Kurden ist keine homogene und moderate "Rebellen"-Gruppe groß genug, als das sich Unterstützung lohnen würde. Guter Artikel dazu in der Zeit, der Deine Sicht auf die Luftschläge teilt:
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Annahme Nr. 1: Ein Krieg könne aus der Luft gewonnen werden. Bomben können ein Land jedoch nur zerstören, sie können es nicht besetzen. Letztlich vermögen sie keinen Sieg zu erringen (das ist nur den Atombomben von Hiroshima und Nagasaki gelungen). Allein können sie jedenfalls keinen Frieden schaffen. Zum Beweis: Hitlers "Blitz" zwang England nicht in die Knie, und erst die amerikanische Invasion im Westen und der Vormarsch der Roten Armee aus dem Osten besiegelten 1944/45 den Sieg über das längst in Schutt und Asche bombardierte Deutschland. In den vergangenen zwölf Monaten haben die Amerikaner 8.000 Bombenangriffe geflogen. Kriegsentscheidende Wirkung hatten sie nicht.
Annahme Nr. 2: Man könne sich, wenn man partout keine Bodentruppen schicken will – und das will bisher noch keiner – auf Luftangriffe in Kombination mit dem Einsatz lokaler Bodentruppen stützen. Dafür wird auf die "Ertüchtigung" einheimischer Kräfte gesetzt, wer immer die sein mögen – die angeblich 70.000 Mann der Freien Syrischen Armee, die Milizen der weiß wie moderaten Opposition, die Kurden im Nordwesten oder die von der Bundesrepublik bewaffneten und ausgebildeten kurdischen Peschmerga im Nordosten. Die Erfahrungen, die der Westen im Irak und in Afghanistan mit derartigen Verbündeten gemacht hat, sind freilich nicht ermutigend; das geht aus einer Untersuchung des Londoner Internationalen Instituts für strategische Studien mit erschreckender Deutlichkeit hervor. Die ertüchtigten Counterinsurgency-Gruppierungen – Söldnertruppen, um ehrlich zu sein – erwiesen sich vielfach als korrupt, wenig diszipliniert, zerstritten und in hohem Maße unzuverlässig. Alle verfolgten sie ihre eigene Agenda. Diesmal dürfte dies kaum anders sein.
Annahme Nr. 3: Die diplomatischen Bemühungen, in Syrien einen Verhandlungsfrieden zwischen den streitenden Parteien und nach einer Übergangszeit auch einen Regimewechsel zu erreichen, um danach mit vereinten Kräften den "Islamischen Staat" zu zerschlagen, entheben die Mächte vorerst der Notwendigkeit, über militärische Weiterungen nachzudenken. Für den Erfolg der Diplomatie gibt es einige hoffnungsvolle Zeichen, doch allenfalls embryonische Ansätze, keineswegs eine Garantie. Der Abschuss des russischen Bombers durch die Türken erschwert die ohnehin schwierigen Gespräche. Auch die Aufnahme Montenegros mit seinen 2.000 Soldaten in die Nato zu einem Zeitpunkt, in dem alles darauf ankäme, Russlands Einverständnis zu einer gemeinsamen Lösung des syrischen Schlamassels zu erlangen, ist ein törichter Nadelstich; da hat die Allianz jeglichen Sinn für das sachlich Gebotene verloren. Ähnliches lässt sich für das Bestreben sagen, den Iran um Gottes willen nicht stärker in das gemeinsame Bemühen einzubeziehen.
Resümee? Dem politischen Prozess ist absolute Priorität einzuräumen. Scheitert er, oder zieht er sich zu lange hin, wird die Neigung wachsen, militärisch zu eskalieren. Doch dem mission creep, der Rutschbahn, auf der wir allmählich immer tiefer hineinschlittern in einen Krieg, der keinen glücklichen Ausgang nehmen kann, muss sich Berlin unter allen Umständen widersetzen.
http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-12/syrien-krieg-bundeswehr-is-frankreich-euAlso sollte das Dilemma erst politisch und später dann gemeinsam militärisch gegen den IS gelöst werden - und das möglichst schnell. Da hakt es nun aber auch wieder:
Das liegt vor allem daran, dass sich die Staaten der "Unterstützergruppe" nicht darüber einig werden, welche oppositionellen Gruppen als Gesprächsteilnehmer und welche als Terroristen gelten sollen. So wertet beispielsweise die Türkei die syrisch-kurdische PYD (deren militärischer Arm die geschlechtergetrennten YPG/YPJ-Milizen sind) wegen ihrer engen Verbindungen zur PKK als nicht gesprächsfähige Terroristen.
Von den USA wird die gleiche Gruppe mit Waffen und Munition beliefert und als wichtiger Verbündeter im Kampf gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) betrachtet. Tatsächlich ist die Gruppe zwar klar weniger gefährlich als der IS, aber auch nicht ganz unproblematisch - immerhin wirft ihr Amnesty International unter Berufung auf zahlreiche Zeugenaussagen Vertreibungen vor Arabern vor (vgl. Amnesty International wirft Kurden Vertreibung von Arabern vor).
Mindestens ebenso große Uneinigkeit gibt es über sunnitisch-arabischen Gruppen. Saudi-Arabien besteht darauf, dass auch Dschihadistenmilizen wie Ahrar asch-Scham als Vertreter der Opposition teilnehmen (vgl. Syrien: Konferenzen mit ausgewählten Oppositionellen). Ahrar asch-Scham ist mit der al-Nusra-Front verbündet (der syrischen al-Qaida-Filiale) und vertritt ebenso wie Dschaisch al-Islam, Liwa al-Haqq, Liwa al-Umma oder al-Dschabha al-Islamiya al-Kurdiya eine ähnliche Ideologie wie der IS. Deshalb wollen weder die syrische Regierung noch Russland solche Gruppen als Gesprächspartner akzeptieren.
Die Schwierigkeiten bei der Auswahl werden noch dadurch erhöht, dass es in Syrien Hunderte von Gruppen gibt, "die wechselnd miteinander koalieren, sich dulden oder sich bekämpfen" (vgl. Hunderttausend Kämpfer in Syrien teilen die IS-Ideologie). Einem Bericht des von Tony Blair gegründeten und finanzierten Centre on Religion and Geopolitics sind die sunnitischen Extremisten dabei so klar in der Überzahl, dass sie auch nach einem Rücktritt des syrischen Staatspräsidenten Baschar al-Assad gewaltsam mit der Errichtung eines Gottesstaates weitermachen würden. Dass man das außer Acht lässt, hält der Think Tank für die "größte Gefahr" - aber auch eine Trennung zwischen extremistischen und gemäßigten Rebellen lässt sich seiner Analyse nach nicht bewerkstelligen. Den Schutz aller ethnischen und religiösen Gruppen streben nur zehn Prozent der Rebellen an.
http://www.heise.de/tp/artikel/47/47163/1.htmlVielleicht muß man tatsächlich einen der "großen" Player vor Ort politisch erst einmal kalt stellen. Die Frage ist dann wohl entweder die Türkei (durch die militärische Unterstützung der Kurden ohnehin nicht so gut auf die NATO zu sprechen) und Sausi-Arabien nebst "Vasallen". Beide Lager werden im Augenblick in den westlichen Medien permanent kritisiert.