Kc schrieb:In dieser Diskussion soll es um die Frage gehen, nicht nur mit Bezug auf den konkreten Fall, wie sich Deutschland gegenüber im Ausland festgenommenen deutschen IS-Mitgliedern verhalten soll?
Ist es das Recht der jeweiligen Staaten, diese zu richten, da sie in diese Staaten gekommen sind und dort schwere Verbrechen zumindest unterstützend begangen haben?
Oder muss Deutschland auf eine Auslieferung nach Deutschland dringen und hier nach deutschem - oder ausländischem? - Recht einen Strafprozess anstrengen?
In dieser Diskussion werden bisher juristische und politische Dinge wild durcheinandergeworfen, daher will ich noch mal zur Ausgangsfrage zurückkommen.
1. Im Strafrecht gilt weltweit zunächst einmal das Territorialitätsprinzip: Jeder Staat hat das Recht, Straftaten die auf seinem Territorium begangen werden dort auch zu verfolgen und zu ahnden. Ausnahmen gibt es nur in ganz wenigen Fällen auf grund bestimmter Abkommen, z.B. diplomatische Immunität. In diesem Fall heisst das: wenn sie auf irakischem Boden Straftaten begangen hat, dann kann der Irak juristisch einwandfrei sie verhaften, ihr den Prozess machen und sie ggf. auch verurteilen. Und das alles nach irakischem Recht, hinsichtlich Prozessführung und Strafmass. Deutschland hat in dieser Sache juristisch gar nichts zu sagen.
2. Aus dem deutschen Konsulargesetz ergibt sich, dass sie als deutsche Staatsangehörige das Recht auf konsularische Betreuung hat, wobei dieses Recht auch nur dann wahrgenommen werden kann, wenn der inhaftierende Staat es zulässt. Zumindest wenn die Staaten diplomatische Beziehungen haben, ist das meist der Fall (aber siehe z.B. letztens Probleme in der Türkei). Diese Betreuung ist aber sehr rudimentär, weder fällt darunter, dass Deutschland die Verteidigung organisieren, bezahlen, betreuen oder sonst wie beeinflussen muss/kann, noch dass Deutschland irgendwelche Rechte gegenüber dem inhaftierenden Staat durchsetzen kann noch zu irgendetwas ausserhalb von kurzen Besuchen der Inhaftierten gegenüber verpflichtet ist.
3. Deutschland ist keineswegs rechtlich verpflichtet, oder auch nur berechtigt, juristisch gegen eine Verurteilung, eine Verurteilung zum Tode usw. vorzugehen. Denn wie oben beschrieben, gilt hier das Territorialitätsprinzip. Etwas anderes läge vor, wenn sie sich bereits wieder auf deutschem Boden befinden würde und der Irak eine Auslieferung verlangen würde: der würde das Grundgesetz widersprechen und einige andere politische Entscheidungen.
Daher sind die genannten Dinge hier rein politischer Natur und nicht juristischer Natur: Deutschland setzt sich in der Regel für deutsche Staatsbürger ein, denen im Ausland die Todesstrafe droht oder die dazu bereits verurteilt wurden. Dabei versucht Deutschland politischen Einfluss geltend zu machen und treibt das teilweise mit erheblichem Aufwand, auch was die Kosten angeht. So versucht Deutschland z.B. immer wieder in den USA verurteilte Mörder oder in Asien verurteilte Drogenhändler vor der Todesstrafe zu bewahren.
Selbst wenn das Mädel hier nicht von der Todesstrafe bedroht ist, kann es gut sein, dass Deutschland sich wegen dem Alter des Mädels für eine Überstellung nach Deutschland stark macht. Auch das ist dann eine rein politische Entscheidung, keine juristische.
4. Bei diesen politischen Dingen kommt es sehr darauf an, welchen politischen Einfluss Deutschland generell in den betreffenden Ländern hat. Ob USA, China, oder Singapore, Deutschland hat hier normalerweise keinen Erfolg in dieser Frage. Die meisten Länder lehnen solchen Einfluss als unzulässige Einmischung in die Unabhängigkeit ihrer Justiz ab.
Im Irak wird man sehen, wie weit der deutsche Einfluss reicht. Dabei gibt es ja durchaus Argumente für eine aus deutscher Sicht positive Entscheidung: das Mädel ist erst 16, es ist Deutsche, es mag für den Irak negativ sein, wenn er mit Todesurteilen gegen halbe Kinder Schlagzeilen macht und so weiter und so weiter. Dagegen kann man einwenden, dass die einheimische Bevölkerung, die unter den Gräueltaten des ISIS schwer gelitten hat, eine Überstellung an Deutschland als Sonderbehandlung privilegierter Ausländer empfinden könnte und damit als ungerecht.
5. Vorstellbar sind allerdings noch ein paar andere Dinge: Der Irak könnte zum Beispiel, sofern das sein eigenes Recht zulässt, anbieten, auf die Todesstrafe zu verzichten. Das könnte auf verschiedene Weise geschehen:
a) Die Anklagebehörde verzichtet von vornherein auf die Todesstrafe und beantragt nur eine zeitliche Strafe oder lebenslänglich (ein Modell, das die USA oft bei Europäern anwenden).
b) Der Strafvollzug, sollte das Mädel wirklich zum Tode verurteilt werden, wird ausser Vollzug gesetzt, oder die Strafe wird im Nachhinein in eine andere umgewandelt und das Mädel sitzt diese im Irak ab.
c) Das Mädel wird verurteilt, aber vor Vollzug der Strafe nach Deutschland abgeschoben (das wäre vermutlich die eleganteste Lösung aus irakischer Sicht). Oder eine Kombination aus b und c.
Deutschland könnte es dem Irak vielleicht sogar einfacher machen, wenn es den Fall nicht so sehr an die grosse Glocke hängt. So etwas ist Sache der eher stillen Diplomatie.
Wieder in Deutschland angekommen, besteht nach deutschem Recht die Möglichkeit, das Mädel dann ebenfalls anzuklagen, sofern sie wegen der gleichen Vorwürfe nicht schon im Irak verurteilt wurde.