Ist es nicht rassistisch, Deutsche als Nazis etc. zu bezeichnen?

Ich wollte mal fragen, ob es nicht rassistisch ist, wenn Deutsche einfach wegen ihrer Nationalität/Herkunft als Nazis oder Rassisten oder sonstwas bezeichnet werden. Sowas kommt ja hin und wieder (im Ausland) vor. Ich erinnere da nur an das deutsche Mädchen, welches während und nach dem Achtelfinalspiel zwischen England und Deutschland im Londoner Wembley-Stadion bei der Fußball-Europameisterschaft im Jahr 2021 von englischen Fans verhöhnt und beleidigt wurde.

Es gibt verschiedene Bezeichnungen, die man für Deutsche im Ausland hat. Hier eine Auflistung: Wikipedia: Ethnophaulismen für Deutsche

Ist es nicht wirklich rassistisch, Deutsche so zu bezeichnen?

Menschen aus anderen Ländern wollen auch nicht wegen ihrer Herkunft beleidigt werden.

Es ist zumindest dumm, Menschen pauschal wegen ihrer Zugehörigkeit zu einem Staat irgendwelche Eigenschaften zu unterstellen.

Bin gleicher Meinung sie wurde ja bloß in Deutschland geboren, ist noch lange kein Verbrechen

Johnny1887 schrieb:Es gibt verschiedene Bezeichnungen, die man für Deutsche im Ausland hat. Hier eine Auflistung:

In der Liste steht aber der "Nazi" gar nicht drin. Generell halte ich genauso wenig davon, Deutsche als Piefkes, Gummihälse, etc. zu bezeichnen wie wenn man Leute aus anderen Ländern pauschal mit einem blöden Begriff versieht (z.B. Ösis, Inselaffen, etc.)

@martenot
Nazi ist aber ein gängiges beleidigendes Wort für Deutsche. Gut finde ich das nicht.

Johnny1887 schrieb:Nazi ist aber ein gängiges beleidigendes Wort für Deutsche.

Bisher kenne ich eher Worte wie Piefke, Gummihälse, Kartoffel, Boche, etc. Wenn jemand "Nazi" sagt, ist meistens eine bestimmte politische Ausrichtung gemeint, aber dass das Wort auf alle Deutschen angewandt wird, habe ich noch nicht gehört. Vielleicht früher mal, vor 30 oder 40 Jahren, aber heutzutage eher nicht, würde ich sagen.

@martenot
Ab und an dürfte das aber (leider) vorkommen, dass man wegen seiner deutschen Herkunft oder Nationalität als Nazi bezeichnet wird. Mir ist das wegen meinem Migrationshintergrund, den man mir ansehen kann, nie passiert. Aber manch anderer hat aber da so seine Erfahrungen.

Johnny1887 schrieb:Mir ist das wegen meinem Migrationshintergrund, den man mir ansehen kann, nie passiert.

Ich habe keinen Migrationshintergrund und sehe aus wie ein "Biodeutscher", aber auch ich bin nie als Nazi bezeichnet worden. Zumindest hat man mir noch nie irgendeine solche spezifische Beleidigung an den Kopf geworfen. Sogar vom Piefke bin ich bislang verschont geblieben, was vielleicht daran liegt, dass ich in Österreich mit meinem bairischen Dialekt halbwegs als "Nachbar" akzeptiert werde.

Mir ist es tatsächlich noch nie passiert, dass man mich als Nazi tituliert hat und ich habe schon diverse Länder besucht. Auch Kraut, Piefke etc. kam mir noch nicht unter.
An "Those crazy Germans" kann ich mich erinnern, aber das war der Situation geschuldet. Ich bin mit 2 anderen Famulanten auf Tongatapu bei einem Ausflug mit dem Fahrrad ins Gehege eines Insulaners gebrettert und hab sein Hausschwein freigesetzt. Wir waren alle schon nicht mehr in Bestform, das Einfangen etwas länger gedauert. Daher geht das für mich völlig i. O.

Überhaupt sollte man den Kontext beachten. Warum betitelt jemand das Gegenüber entsprechend.
So nennt man die Holländer am Niederrhein Käskopp, dabei lieben wir unsere Nachbarn doch heiß und innig. Mit dem GI (POC), der mich als Weißbrot betitelte hab ich abends in der Kantine, die der Amerikaner war Klassen besser als unsere, gefeiert und er nahms mir nicht krumm wenn ich gefragt habe obs hier gebrannt hätte.
Ist für den Außenstehenden vielleicht over the top, aber in der Situation für uns beide absolut i. O.

Als Nazi ließe ich mich tatsächlich nicht titulieren.
Inwieweit das rassistisch ist, ließe sich recht einfach mit der Definition nach Memmi abgleichen

"Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen"

Memmi

martenot schrieb:Vielleicht früher mal, vor 30 oder 40 Jahren, aber heutzutage eher nicht, würde ich sagen.

Naja doch.
Also mir selber ist es auf der Krim passiert dass uns einer, rein weil mein Kumpel und ich deutsch sprachen, als Faschistenschwein bezeichnete.
Der meinte es ernst aber glücklicherweise war zufällig eine Polizeistreife in der Nähe und verräumte den recht unsanft.
Ansonsten ist es, was mir auch schon passiert ist aber auch Freunden und Kollegen, für manche im Ausland ein Scherz dass so bald sie merken dass man Deutscher ist sie einen mit dem Hitlergruß begrüßen müssen.
Irwas triggert da scheinbar die Menschen.

Heide_witzka schrieb:Mir ist es tatsächlich noch nie passiert, dass man mich als Nazi tituliert hat

Ach ja, vor vielen Jahren - es muss wohl fast 40 Jahre her sein- da wurde ich in Nordamerika wegen meiner deutschen Herkunft angesprochen und jemand fing an, Hitler zu loben. Er war sehr erstaunt, dass ich in die Lobeshymnen nicht einstimmen wollte. Ach ja, und in England fing mal eine britische Bekannte an, über das Thema "Blitzkrieg" zu faseln....

Weder im In- noch im Ausland hat mich irgendwer wegen meiner Staatsbürgerschaft beschimpft. Ich hatte damit noch nie so recht ein Problem als Deutscher bei Auslandsaufenthalten. Sowohl im Libanon als auch in Nicaragua waren die Einheimischen ob meines Besuches so aus dem Häuschen, dass sie das Feuer auf mich eröffneten.

Bislang ist mir in fast 70 Lebensjahren noch niemand begegnet, der mich hassen würde, nur weil ich Deutscher sei. Ausser einer von mir mal interviewten Shoah-Überlebenden, die gewisse Vorbehalte hatte, mit einem deutschen Journalisten zu sprechen. Aus ihren Schilderungen konnte ich diese Vorbehalte durchaus nachzuvollziehen.

In Irland waren sie begeistert, weil "die Deutschen" ja gegen die Engländer Krieg geführt haben. Als ich den irischen Saufkumpanen dann erzählte, dass mein Vater als Scharfschütze bei den Fallschirmjägern 1944 in der Gegend um Arnheim vor allem Mitglieder der Irish Guards getroffen hat, und zwar "right between the eyes", wurden die Beifallsbezeugungen dann doch spontan schmallippiger.

Ich bin in Dublin im Lieblingspub meiner Frau von ihren Bekannten auch schon mal mit "Heil Hitler", Armhoch und Hackenklappen begrüsst worden. Meine Antwort: "God save the Queen!" Dann war Ruhe im Karton.

Hingegen habe ich viele gute Freunde und ehemalige Geschäftspartner in Frankreich, England, Polen, Russland und der Ukraine, bei denen ich nie auf irgendwelche Abneigung oder Vorurteile stiess. In Österreich hingegen kam es schon mal vor, dass mich Gastronomiepersonal oder AutofahrerInnen als "bleeda Piefke" beschimpften.

Johnny1887 schrieb:Ist es nicht wirklich rassistisch, Deutsche so zu bezeichnen?

Ja, ist es und dagegen gehört genauso aufgestanden.

(Wer mit tatsächlichen Neonazis gemeinsam Seite an Seite mitmarschiert oder einzelne rechtsextreme Politiker hofiert und beklatscht, sollte sich allerdings zumindest nicht wundern in dieselbe Schublade gesteckt zu werden)


@martenot
Ich selbst habe damit auch keine Erfahrungen machen müssen.

Nur die Betreuer der AWO warnten uns 1998 davor uns vor englischen Jugendlichen nicht unbedingt offensichtlich als deutsche Jugendliche/deutsche Jugendgruppe erkennen zu geben.

Ich denke ist typisch England, das die mit den Deutschen "Krauts" besonders im Fussball verfeindet sind. Den Konflikt übertragen die englischen Hooligans dann auf den 2. Weltkrieg.

Aber es gibt auch einen positiven Bezug zu Deutschen im Ausland als Nazis, also die wissen nicht viel über Deutschland und wenn ihnen mal einer begegnet, dann sagen sie: "Ah Deutschland?" - "Heil Hitler". Das ist aber der gleiche Level wie, "Lederhose und Bier".

frivol schrieb:Das ist aber der gleiche Level wie, "Lederhose und Bier".

Vor Jahrzenten fragte mich mal ein US-Amerikaner, warum ich keine Lederhosen tragen würde. Ich antwortete mit der Gegenfrage: Warum trägst Du keinen Feder-Kopfschmuck?

Ich war als Jugendlicher in den 90er Jahren in Amerika. Da mußte ich mir schon Sachen anhören wie: So you're from Germany. Are you a nazy, or what?

stereotyp schrieb:So you're from Germany. Are you a nazy, or what?

Genauso generalverdächtig hätte man auch fragen können: Are you a Racist? (In Anspielung auf die bis in die 60er Jahre hinein Rassentrennung in den USA. Da war Deutschland Gott sei Dank schon (ja auch mit Hilfe der Amis) zu einem Rechtsstaat geworden.

Und auch die Rechtsextreme und Neonazi-Szene ist in den USA sehr stark verbreitet. Sind deswegen alle US-Amerika Neonazis? No!

Johnny1887 schrieb:Ich wollte mal fragen, ob es nicht rassistisch ist, wenn Deutsche einfach wegen ihrer Nationalität/Herkunft als Nazis oder Rassisten oder sonstwas bezeichnet werden.

Klare Antwort: JA.

Ich habe es in mehreren Ländern erlebt das Deutsche allein wegen ihrer Herkunft mit Nazis in Verbindung gebracht werden, oftmals sogar positiv aufgeladen (England, Indien, Südafrika).
Also Ja natürlich ist das rassistisch.

Ich bin schon so oft als Nazi bezeichnet worden, das kann ich schon gar nicht mehr zählen.

Um ein paar Beispiele zu nennen:
Eine Dame mit Migrationshintergrund musste sich an einer Engstelle mit Hindernissen auf ihrer Seite unbedingt vordrängeln, ich konnte nicht ausweichen deswegen hat sie mir den Außenspiegel zerdeppert und hat es nicht eingesehen das es ihr Verschulden war.
Leider musste für so einen Quatsch dann die Polizei raus kommen.
Sowohl Polizei als auch ich wurden immer wieder als Nazis bezeichnet und sie fühlte sich absolut rassistisch behandelt weil sie einen Schaden begleichen sollte den sie verursacht hat.


Bei Facebook Diskussionen passiert es häufig das man Nazi genannt wird.
Thema ist das E-Auto, die letzte Generation, vor einiger Zeit auch Corona und die Impfungen.
Man äußert wertfrei und unpolitisch seine persönliche Meinung, da kommt dann nur scheiß AFD-Wähler, rechtes Pack, Nazi-Hure usw.

Niemand hat irgendeine politische Neigung erwähnt, trotzdem sind alle die anderer Meinung sind grundsätzlich Nazis.

Mein Mann und ich sind Busfahrer.
Der Bus hat eine Endhaltestelle, die steht auch vorne drauf.
Immer wieder kommt es vor, daß irgendjemand mal wieder nicht gelesen hat das der Bus schon dort endet: ich muß aber da und da hin, ich hab aber Termine, du fährst jetzt.
Sagst du nein, ich fahr jetzt ne andere Linie, oder ich hab jetzt Pause oder Feierabend: Nazi !

Bei uns passiert das echt ständig.
Wir haben einen hohen Ausländeranteil in der Stadt, da ist sowieso jedes dritte Wort Nazi, aber auch Deutsche schmeißen mit diesem Wort inzwischen extrem um sich.

Und ja, ich finde es beleidigend.

Ich renn ja auch nicht durch die Gegend und nenne die alle Kümmel, Kanacke, Eselreiter, Kamelreiter usw.

Es gibt auch noch die Bezeichnung Alman, wenn man Kinder hat, kennt man den Begriff. Witzigerweise wird dieser selbst von deutschen Kindern genutzt, die kein Alman sein möchten bzw. den gegen andere deutsche Personen nutzen. Bedeutet, sehr spießig zu sein, und das will schließ kein (Kind) sein.