alibert schrieb am 05.08.2022:Ernst gemeinte Frage, glaubt wirklich jemand ernsthaft, dass die Leute, die aus dem Ausland hier her kommen, ausgebildete Facharbeiter sind?
Ich arbeite in einer Branche, in der noch relativ viel "Handarbeit" im Einsatz ist. Wir haben schon sehr viele "Facharbeiter" verstärkt auch welche, die ab 2015 zu uns gekommen sind, versucht bei uns zu beschäftigen.
Das Thema hatten wir im Fachkräfte-Mangel-Thread schon mal. Im Handwerk sehe ich das Problem, dass die Menschen aus anderen Ländern ganz anders geprägt sind als wir ... da ist oftmals ein völlig anderes Qualitäts- und Gewährleistungsverständnis vorhanden. In dem anderen Thread war sogar die Rede davon, dass man in Deutschland für alles ein Zertifikat oder einen "Schein" bräuchte, und man den Fachkräfte-Mangel durch eine Reduktion erwarteter nachgewiesener Kompetenzen entschärfen könnte, mit vorwurfsvollen Tenor.
Diese Ansicht ist mir gar nicht unbekannt. Die Nörgelei über den "Ausbildungswahn" in Deutschland höre ich im Handwerk aber tatsächlich vorwiegend von Kollegen, die im Ausland aufgewachsen sind. Da kommen dann schon mal Zurechtweisungen, warum ich eine Ausbildung brauche um einen Gasanschluss mit Bajonettverschluss anzuschließen - kann ja jeder Depp. Dass ich gewerblich für die Dichtigkeit sorgen und haften muss, der Kunde sich unterdessen auf meine Qualifikation verlässt / verlassen muss, spielt da keine Rolle.
In sicherheitsrelevanten Gewerken ist das dermaßen nötig, dass es solche Zertifizierungen gibt. Man glaubt manche Dinge erst, wenn man sie selbst mal erlebt hat. Da werden Stromanschlüsse getätigt, die das Netz komplett überlasten ... man macht das, weil es ja funktioniert. Das Problem an der Sache ist, dass viele gefährliche Konstruktionen erst mit der Zeit ihr Potenzial entfalten ... manchmal sogar nur durch Verkettung mehrerer Faktoren. Wollen wir, dass unsere Fachkräfte, die ihr Geld mit dieser Arbeit verdienen, sich so weit aus dem Fenster lehnen? Ich hab in den letzten 12 Jahren Leute gesehen, die mit Phasenprüfer eine vermeintlich 3-phasige Anschlussdose ausmessen wollten ... wobei der Phasenprüfer gar nicht zugelassen und schon gar kein Messinstrument ist, abgesehen davon, dass man für die Messung ein zweipoliges Prüfgerät benötigt. Man verlässt sich dann auf die Arbeit des Elektrikers oder Kollegen, schiebt die Verantwortung von sich weg, obwohl sie rechtlich voll bei einem selbst liegt. Andere erklären dir, du solltest einen elektrischen Anschluss vornehmen, obwohl die Zuleitungen noch gar nicht im Schaltkasten verkabelt sind ... was soll schon passieren, die Kabel sind ja mit Farben markiert.
Ich hab Installationen gesehen, die nachweislich den Neutralleiter über Monate oder Jahre überlasten. Die Folge sind Wohnungsbrände. Weil es aber "funktioniert" wirds gemacht. Man kann sich nicht vorstellen, dass der Super Gau erst nach längerem Warten eintritt. Ich hab Typen gesehen, die Wasseranschlüsse mit Silikon reparierten ... und ich hab sogar Typen gesehen, die angebohrte Stromleitungen mit reduziertem Kabelquerschnitt nur mit Silikon versiegelten. Hochgradiger und gefährlicher Pfusch, der mir mit "ihr Deutschen stellt euch immer so an" gerechtfertigt wurde. "In meiner Heimat machen wir das schon immer so, da ist nie was passiert". Mir hängt das ehrlich zum Hals raus. Wenn ich dran denke, dass eine geliebte Ur-Oma Liselotte da voller Gottvertrauen Fachleute holt und rein technisch jederzeit in eine Notsituation geraten könnte, weil der Depp da keine Ahnung hatte ... fehlt mir echt das Verständnis für andere "Mentalitäten".
Es gibt aber auch genügend Gegenbeispiele. Natürlich betrifft das nicht alle Menschen mit Migrationshintergrund. Ich habe in den vergangenen Jahren dennoch das deutsche Ausbildungssystem sehr zu schätzen gelernt / auch mit dem Wissen, dass manche Leute auch nicht die Kenntnisse haben, die ihnen zertifiziert wurden. Auch unter deutschen Fachkräften gibts Ausreißer.
Auch in nicht sicherheitsrelevanten Gewerken habe ich gemerkt, dass man das mit der Qualität in manchen anderen Ländern offensichtlich anders definiert als hier. Darauf gehe ich hier aber nicht mehr weiter ein. Wichtig ist, dass Menschen die hier arbeiten wollen, offen sind, sich an das vorgegebene Qualitätsbewusstsein zu halten. Wenn ich hier für eine Leistung 20.000 € berappe, dann erwarte ich, dass die nach unserem Standard erledigt wird, und nicht nach ecuadorianischem.