rhapsody3004 schrieb:Fazit: Die über 50-Jährigen grob geschätzt haben ein ganz anderes Auftreten, waren wertschätzender und höflicher.
So hab ich das früher auch in etwa eingegrenzt. Heute würde ich das eher auf Menschen, die vor 1950 geboren sind beschränken. Danach nahm das sukzessive von Generation zu Generation ab. Unter den heute 50 Jährigen sind auch schon ganz schöne Querschläger dabei. Meine Großväter sind beide Oberstleutnant mit akademischem Hintergrund gewesen, dennoch würde ich sie nicht zur Bildungselite zählen ... ganz einfach, weil sie nie so aufgetreten sind. Diese Höflichkeit und grundsätzliche Wertschätzung sehe ich bei überdurchschnittlich vielen Menschen dieser Generation. Auch da natürlich Querschläger dabei, jedoch nach meiner Wahrnehmung sehr selten. Meine Großmütter, eine Erzieherin und eine Kosmetikerin ... traten genauso gescheit, umgänglich und höflich auf. Ich sehe darin die Sache mit der Sozialisation, der gesellschaftlichen Prägung. Unsere Generationen bekommen gezielt Soft-Skill-Schulungen um das wieder zu aktivieren.
In dieser alten Generation gibt es wenig Menschen, die sich mit ihren Leistungen und dem Status brüsten. Sie bilden sich wenig drauf ein, weil sie offenkundig den Nutzen ihrer Fähigkeiten und ihres Wissens höher bewerten, als den Nutzen von gesellschaftlicher Anerkennung. Heute hat der Status viel mehr an Bedeutung gewonnen.
Was ich zu dem Thema noch beitragen wollte: "Über die Psychologie des Geldes" von Morgan Housel, das ist ein Buch, das in mir noch ein paar andere Gedankengänge aufkeimen lies. Er beschreibt darin die Entwicklung der amerikanischen Gesellschaft und vergleicht dabei die 50er mit den 90er Jahren. In den 50er Jahren lebten Menschen mit ähnlichen Interessen, ähnlichen Autos, ähnlichen Häusern und ähnlichem Einkommen in einer Nachbarschaft. Man war sich sehr ähnlich. Das verschob sich dann. Die Einkommen wichen in den folgenden Jahren öfter von einander ab, die Ziele und Biografien auch. Dazu noch der aufkeimende Individualismus. Das führte dann dazu, dass in den 90ern ein Banker mit einem Jahreseinkommen von 80.000 $ neben einem Investmentbanker mit dem zehnfachen Einkommen wohnte. Der Investmentbanker kaufte sich einen Luxuswagen, der einfache Banker kam zu dem Schluss, dass ihm als Vollzeitarbeiter das auch zustünde. Die Ansprüche werden abstrakt, aufgrund unserer Umgebung. Es haben sich zunehmend Ansprüche und Vorstellungen ergeben, die nicht mehr zu dem Einkommen oder der Qualifikation passen. Weil wir uns selbst suggerieren: Wenn der das kann, kann ich das auch. Man betrachtet nur noch Aspekte, nicht mehr das Gesamtbild.
Man kann das auch ganz gut in der Öffentlichkeit beobachten. Wenn es ein "einfach gestrikter" Mensch schafft, eine breite Masse für sich zu begeistern, mit einer vielleicht einfach wirkenden Tätigkeit viel Geld zu verdienen ... dann entsteht Missgunst. Warum kann ich das nicht? Der Weg, die Entbehrungen werden immer ausgeblendet. Es entsteht zunehmend ein Anspruchsdenken aufgrund einfacher Annahmen. Sowas wie "der ist doch genauso dumm wie ich, warum kriegt der 10.000 € für einen Instagram Post und ich nicht?".
Nur mal ein Blick in den Sozialen Netzwerken lässt erkennen: Da draußen muss es nur noch reiche Menschen geben. Der hang zu Statussymbolen wächst immer weiter. Selbst in der Musik wird es immer häufiger thematisiert. Das führt auch zu Ansichten wie: "Der muss doch froh sein, wenn ich überhaupt bei dem arbeiten will. Ich kann schließlich auch Influencer werden". Es ist eine ganzheitliche Entwicklung, die sich zu verschärfen scheint.
Im Gegenzug dazu, sehe ich viele ältere Arbeitnehmer, die einem suggerieren wollen, dass das Einkommen nicht steigen müsste. Ich kenne Leute, die verdienen seit 2005 nahezu das gleiche Gehalt. Das kann ich nicht verstehen. Ich wurde doch selbst durch die moderate Inflation der 2010er Jahre immer schlechter bezahlt, trotz gleicher Leistung und gleicher Qualifikation. Diese Genügsamkeit war sicher für viele andere auch ein eher abschreckendes Vorbild.
Reineke schrieb:Das Prinzip "Erst Leistung zeigen und dann mehr Geld verlangen" ist inzwischen umgekehrt.
Schön, dass sich jemand aus dem Personalwesen hier einklinkt. Das war meine Hoffnung, gerade im Hinblick auf die Beiträge, die ich im Eingangspost verlinkte. Grundsätzlich gebe ich dir recht. Jedoch führt Leistung nicht automatisch zu besserer Bezahlung oder anspruchsvolleren Posten. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass deine Leistung relativ durchschnittlich wahrgenommen wird, wenn du dich dazu nicht noch gut verkaufen kannst. Da gibt es sicherlich auch einige Gegenbeispiele, wenn man deine Expertise besonders dringend benötigt oder deine langen Firmenzugehörigkeit einen besonderen Mehrwert darstellt. Ich fand das früher auch sehr "unfair", da bringst du das ganze Jahr überdurchschnittliche Leistung und in der Gehaltsverhandlung sitzt du dann einem Verhandlungsexperten gegenüber, den du jetzt trotzdem noch überzeugen sollst?
rhapsody3004 schrieb:Viel Geld machen für möglichst wenig Leistung und wenn schon Leistung, dann aber so schick, hipp, sauber, ruhig und bequem wie möglich.
Es wird ihnen ja auch überall vorgegaukelt, dass man viel Geld "machen" muss. Deren Idole pranzen nicht gerade selten damit, dass man den Lambo aus der Portokasse zahlt. Die Inflation des Geldes passiert auch im Kopf. Nicht nur in der Realität.
Berryl schrieb:Dies ist meiner Meinung aber eher dem Fakt geschuldet dass man es sich, sofern man eine solide Ausbildung genossen hat, mittlerweile ziemlich aussuchen kann wo man arbeitet.
Würde dies wegfallen wäre das schnell wieder vorbei.
Ich denke auch, dass das vor allem daran liegt, dass wir in vielen Bereichen den Luxus eines Arbeitnehmermarktes haben.
Berryl schrieb:Ich glaube dies liegt aber nicht an der Generation ansich.
Unsere Gesellschaft ist in weiten Bereichen schon so satt.
Es ist soviel an Substanz usw. da.
Da müssen sich viele nicht mehr wirklich anstregen um was aufzubauen.
Man erbt es einfach.
Das stimmt auch. Dennoch entwickelt sich ein Kind anders, wenn man ihm das Gefühl gäbe, er habe dieses Erbe auch verdient. In meinem Umfeld gibt es auch einen Fall, auf die Person fallen irgendwann 2, möglicherweise 3 Immobilien ab ... der macht sich wenig Gedanken um Qualifikation usw.
Reineke schrieb:Über Jahrzehnte hatte es sich bewährt, dass man als junger Mensch einen Einstiegslohn bekam und mit entsprechender Leistung Argumente für Gehaltserhöhungen nach der Einarbeitung bzw. mit steigender Erfahrung lieferte. Da hatte dann auch der Chef weniger Bauchschmerzen mit, wenn er bereits wusste, was er an der/dem Neuen hat.
Erfahrung muss schon gewürdigt werden. Aber nur, wenn sie wirklich nützlich ist. In meinem Job kommen viele mit der Erfahrung um die Ecke, und dennoch ist da fachlich nicht viel dahinter. Ich bin schneller, leistungsfähiger und kompetenter als manche dieser Leute. Warum soll ich mich in meiner leistungsfähigsten Zeit billiger anbieten, als mein wirklicher Wert ist? Ich erbringe meine Leistung im hier und jetzt. Die Zukunft ist ungewiss, ich kann sogar erwerbsunfähig werden. Ich finde dieses Abspeisen aufgrund deines Alters nicht richtig. Wenn die Leistung, Qualifikation und Kompetenz passt ... muss das dauerhaft vom Alter entkoppelt werden.
Mein Arbeitgeber, über 600 Angestellte, wirft nun mittlerweile auch regelmäßig sein an Firmenzugehörigkeit gekoppeltes Gehaltsgefüge über den Haufen, und das ist auch richtig so. Am Ende entscheidet der Wert deiner Arbeit, nicht dein Alter. Dazu muss ich sagen, dass die motivierten Arbeitnehmer bei uns eher in den jüngeren Semestern zu finden sein.
rhapsody3004 schrieb:Das Problem ist nicht nur das liebe Geld. Du kannst je nach Branche noch so viel bezahlen, die Menschen, insbesondere jüngere Jahrgänge werden immer weniger, die diese dort anfallenden Arbeiten machen wollen würden. Aus Gründen, die aber teilweise auch verstehen kann - je nach konkretem Bereich.
Sehe ich genauso. Allerdings fehlt manchmal auch der konkrete Einblick. Viele Jobs sind viel attraktiver, als sie von außen wirken.
Dwarf schrieb:Wenig bezahlen, aber viel Leistung erwarten passt einfach nicht zusammen.
Und vor allem die Rahmenbedingungen. Wenn ich höre, dass Arbeitnehmer bei auslaufender Befristung nicht rechtzeitig Meldung bekommen, wie es weiter geht ... na dann entscheiden sich viele, nicht mehr hinterher zu rennen. Wenn dann 3 Wochen später der Chef ankommt, hat man halt schon seine Lösung für die Zukunft gefunden. Als Arbeitgeber hat man nun mal auch eine soziale Verantwortung. Wer die nicht ernst nimmt, der kann mir gestohlen bleiben. Schließlich schaue ich auch für meinen Job selten auf die Uhr.
Dwarf schrieb:Ältere Generationen haben das vielleicht stillschweigend akzeptiert, aber zufrieden waren sie auch nicht damit.
Und genau deshalb, taugen sie für uns jüngere Generationen nur noch als Beispiel, wie es nicht laufen sollte. 40 - 50 Jahre harte, zehrende Arbeit ... dennoch Sorgen, dennoch körperliche Probleme, dennoch mickrige Rente.