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Feuerbachs Theorie
06.05.2009 um 18:11Ludwig Feuerbach: Gott als Projektion des menschlichen Wesens
Zusammenfassung von Frank Willenberg
Feuerbachs Religionskritik läßt sich ganz allgemein als ein Versuch charakterisieren, alles Übernatürliche in den Religionen auf seine natürlichen Fundamente zurückzuführen. Sein Ziel war:
1. aufzuzeigen, daß die Inhalte der Religion nicht das sind, als was sie in der Theorie dargestellt werden, nämlich übernatürliche und übermenschliche Geheimnisse.
2. dem Menschen zu helfen, seine Energien nicht an ein illusionäres Konstrukt zu verlieren, sondern sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und die Welt nach seinen ureigenen Bedürfnissen zu gestalten.
Feuerbachs Kritik ist im Blick auf das Christentum dennoch nicht zerstörerisch gemeint gewesen. Seine Aufgabe ist, wie er in einer Vorlesung zu seinen Studenten sagt, "Sie aus Gottesfreunden zu Menschenfreunden, aus Gläubigen zu Denkern, aus Betern zu Arbeitern, aus Candidaten des Jenseits zu Studenten des Diesseits, aus Christen, welche ihrem eigenen Bekenntnis und Geständnis zufolge , halb Thier, halb Engel sind, zu Menschen, zu ganzen Menschen zu machen!"
Feuerbachs Lehre ist folgende:
die Theologie ist Anthropologie, d.h. der Gott des Menschen ist nichts anderes als das vergötterte Wesen (vergöttertes Selbst) des Menschen, also eine Projektion. Denn die Religionen sind so verschieden,wie die Menschen verschieden sind.
Diese Lehre hat Feuerbach zuerst in seiner Schrift ,Das Wesen des Christentums' entwickelt. Später aber hat er eingesehen, daß in seiner Lehre die Natur unberücksichtigt blieb. Im ,Wesen der Religion' zeigt er, daß der physischeGott das vergötterte, personifizierte Wesen der Natur ist.
Seine Lehre kann also auf folgende Kurzformel gebracht werden: die Theologie ist Anthropologie und Physiologie. Seine Lehre faßt sich daher in die zwei Worte Natur und Mensch zusammen.
Die Natur ist die Ursache und der Grund des Menschen. Das Wesen aber, in dem die Natur ein persönliches, bewußtes Wesen wird, heißt Mensch. Feuerbach geht davon aus, daß der Mensch sein Leben für das höchste Gut hält. Der Mensch will zwar selig, unabhängig und allmächtig sein, hat aber genügend Gelegenheiten festzustellen, daß er es nicht ist. Die tägliche Erfahrung der Bedürftigkeit nach Licht, Luft, und Nahrung festigen im Menschen das Gefühl elementarer Abhängigkeit. Das Abhängigkeitsgefühl ist nur eine andere Bezeichnung für das Endlichkeitsgefühl. Wenn der Mensch ewig lebte, so wäre auch keine Religion. Im Christentum deutet eine Reihe von Erscheinungen des religiösen Lebens für Feuerbach auf das Furchtmotiv. Warum flehen die Menschen während der Erntezeit inständig um gutes Wetter, wenn nicht aus einer Furcht vor der Hungersnot? so fragt er.
Das Abhängigkeitsgefühl ist der einzige richtige Name zur Bezeichnung und Erklärung des psychologischen oder subjektiven Grundes der Religion.
Allerdings gibt es in der Wirklichkeit kein Abhängigkeitsgefühl als solches, sondern immer nur bestimmte Gefühle wie Hunger, Todesfurcht, Trauer, in denen sich der Mensch abhängig fühlt. Für das Abhängigkeitsgefühl gilt deshalb in verstärktem Maße, was bereits für das unbestimmte Gefühl der Endlichkeit galt: Was dem Menschen ein Bedürfnis ist, das ist ihm Gott. Das Wesen, das in der Religion als Gott unabhängig vom Menschen existiert, ist in Wirklichkeit die Natur. Der Mensch verdankt der Natur seine Existenz; sie ist der Grund seines Abhängigkeitsgefühls.
Feuerbach versucht seine religionsphilosophischen Hypothesen an Hand des historischen Materials zu begründen, daß es in den Religionen zunächst immer um die Vergottung der Natur geht, wobei allerdings meistens die Natur für ein fremdes Wesen gehalten wird, das sie nicht ist. Die Eigenschaften Gottes, sowohl die physischen als auch die moralischen, sind in Wirklichkeit Prädikate der Natur. Zorn, Gerechtigkeit, Macht, Güte und Unendlichkeit sind Namen, die von Erscheinungen der Natur abgeleitet sind. So ist die Güte Gottes von den guten und die Gerechtigkeit von den schädlichen Wirkungen der Natur abgezogen. Gott ist von der Natur abstrahiert worden, so daß die Natur das Original, Gott die Kopie ist.
Die Religion hat einen praktischen Zweck und Grund; der Trieb, aus dem die Religion hervorgeht, ist der Glückseligkeitstrieb. Der Mensch verehrt und betet die Götter nur an, damit sie seine Wünsche erfüllen und damit er durch sie glücklich ist. Die Mittel, mit denen der religiöse Mensch seine Wünsche durchsetzen will, zeigen, daß in der Religion das Wesen des Menschen verehrt wird:
1. In den Opfern und Gebeten zeigt sich, daß die Befriedigung eines...Bedürfnisses der Grund ist, warum ein Mensch sich religiös verhält.
2. Gott ist letztlich identisch mit der Zielvorstellung, die der...religiöse Mensch von sich selbst hat.
Als Beispiel führt Feuerbach den psychologischen Gottesbeweis an. Das Wissen, Wollen und Können des menschlichen Geistes ist mangelhaft, beschränkt; das Beschränkte, Unvollkommene setzt aber etwas Unbeschränktes, Unendliches voraus; also setzt der endliche Geist einen unendlichen als seinen Grund voraus; dieser ist Gott.
Die Menschen wünschen allwissend, allmächtig zu sein. Daher haben sie in Gott das menschliche Wesen vergegenständlicht. Gott, der unendliche Geist, ist das Vor- und Musterbild von dem, was sie einst selbst werden wollen, das Grund-, Abbild ihres eigenen, in der Zukunft sich entfaltenden Wesens. Die Quelle der Religion ist die Phantasie, die Einbildungskraft. Der Mensch macht alle möglichen Gegenstände kritiklos zu seinen Göttern. In Umkehrung eines Satzes aus der Bibel kommt Feuerbach zu dem Schluß: "Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde."
Selbstverständlich schafft die Phantasie ihre Bilder nicht aus nichts, sondern entzündet sich vornehmlich an den Erscheinungen der Natur, von denen der Mensch sich am meisten abhängig fühlt. Die Phantasie ist eng verbunden mit dem Abstraktionsvermögen. Denn nur durch die Einbildungskraft verselbständigt der Mensch die abstrakten, allgemeinen Begriffe, deutet sie als Wesen.
(Quelle: Bernward Oberstufenkurs, Die Frage nach Gott heute, Hildesheim 1990, S.18f., leicht verändert)
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In den Opfern und Gebeten zeigt sich, daß die Befriedigung eines...Bedürfnisses der Grund ist, warum ein Mensch sich religiös verhält.
Ich persönlich finde den Text und die Theorie sehr intressant und habe dazu eine Frage dazu an euch , warum verhält sich der Mensch religiös ? Hat die Religion einen besonderen Sinn ? Und was ist dieses "Bedürfniss" ?
Zusammenfassung von Frank Willenberg
Feuerbachs Religionskritik läßt sich ganz allgemein als ein Versuch charakterisieren, alles Übernatürliche in den Religionen auf seine natürlichen Fundamente zurückzuführen. Sein Ziel war:
1. aufzuzeigen, daß die Inhalte der Religion nicht das sind, als was sie in der Theorie dargestellt werden, nämlich übernatürliche und übermenschliche Geheimnisse.
2. dem Menschen zu helfen, seine Energien nicht an ein illusionäres Konstrukt zu verlieren, sondern sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und die Welt nach seinen ureigenen Bedürfnissen zu gestalten.
Feuerbachs Kritik ist im Blick auf das Christentum dennoch nicht zerstörerisch gemeint gewesen. Seine Aufgabe ist, wie er in einer Vorlesung zu seinen Studenten sagt, "Sie aus Gottesfreunden zu Menschenfreunden, aus Gläubigen zu Denkern, aus Betern zu Arbeitern, aus Candidaten des Jenseits zu Studenten des Diesseits, aus Christen, welche ihrem eigenen Bekenntnis und Geständnis zufolge , halb Thier, halb Engel sind, zu Menschen, zu ganzen Menschen zu machen!"
Feuerbachs Lehre ist folgende:
die Theologie ist Anthropologie, d.h. der Gott des Menschen ist nichts anderes als das vergötterte Wesen (vergöttertes Selbst) des Menschen, also eine Projektion. Denn die Religionen sind so verschieden,wie die Menschen verschieden sind.
Diese Lehre hat Feuerbach zuerst in seiner Schrift ,Das Wesen des Christentums' entwickelt. Später aber hat er eingesehen, daß in seiner Lehre die Natur unberücksichtigt blieb. Im ,Wesen der Religion' zeigt er, daß der physischeGott das vergötterte, personifizierte Wesen der Natur ist.
Seine Lehre kann also auf folgende Kurzformel gebracht werden: die Theologie ist Anthropologie und Physiologie. Seine Lehre faßt sich daher in die zwei Worte Natur und Mensch zusammen.
Die Natur ist die Ursache und der Grund des Menschen. Das Wesen aber, in dem die Natur ein persönliches, bewußtes Wesen wird, heißt Mensch. Feuerbach geht davon aus, daß der Mensch sein Leben für das höchste Gut hält. Der Mensch will zwar selig, unabhängig und allmächtig sein, hat aber genügend Gelegenheiten festzustellen, daß er es nicht ist. Die tägliche Erfahrung der Bedürftigkeit nach Licht, Luft, und Nahrung festigen im Menschen das Gefühl elementarer Abhängigkeit. Das Abhängigkeitsgefühl ist nur eine andere Bezeichnung für das Endlichkeitsgefühl. Wenn der Mensch ewig lebte, so wäre auch keine Religion. Im Christentum deutet eine Reihe von Erscheinungen des religiösen Lebens für Feuerbach auf das Furchtmotiv. Warum flehen die Menschen während der Erntezeit inständig um gutes Wetter, wenn nicht aus einer Furcht vor der Hungersnot? so fragt er.
Das Abhängigkeitsgefühl ist der einzige richtige Name zur Bezeichnung und Erklärung des psychologischen oder subjektiven Grundes der Religion.
Allerdings gibt es in der Wirklichkeit kein Abhängigkeitsgefühl als solches, sondern immer nur bestimmte Gefühle wie Hunger, Todesfurcht, Trauer, in denen sich der Mensch abhängig fühlt. Für das Abhängigkeitsgefühl gilt deshalb in verstärktem Maße, was bereits für das unbestimmte Gefühl der Endlichkeit galt: Was dem Menschen ein Bedürfnis ist, das ist ihm Gott. Das Wesen, das in der Religion als Gott unabhängig vom Menschen existiert, ist in Wirklichkeit die Natur. Der Mensch verdankt der Natur seine Existenz; sie ist der Grund seines Abhängigkeitsgefühls.
Feuerbach versucht seine religionsphilosophischen Hypothesen an Hand des historischen Materials zu begründen, daß es in den Religionen zunächst immer um die Vergottung der Natur geht, wobei allerdings meistens die Natur für ein fremdes Wesen gehalten wird, das sie nicht ist. Die Eigenschaften Gottes, sowohl die physischen als auch die moralischen, sind in Wirklichkeit Prädikate der Natur. Zorn, Gerechtigkeit, Macht, Güte und Unendlichkeit sind Namen, die von Erscheinungen der Natur abgeleitet sind. So ist die Güte Gottes von den guten und die Gerechtigkeit von den schädlichen Wirkungen der Natur abgezogen. Gott ist von der Natur abstrahiert worden, so daß die Natur das Original, Gott die Kopie ist.
Die Religion hat einen praktischen Zweck und Grund; der Trieb, aus dem die Religion hervorgeht, ist der Glückseligkeitstrieb. Der Mensch verehrt und betet die Götter nur an, damit sie seine Wünsche erfüllen und damit er durch sie glücklich ist. Die Mittel, mit denen der religiöse Mensch seine Wünsche durchsetzen will, zeigen, daß in der Religion das Wesen des Menschen verehrt wird:
1. In den Opfern und Gebeten zeigt sich, daß die Befriedigung eines...Bedürfnisses der Grund ist, warum ein Mensch sich religiös verhält.
2. Gott ist letztlich identisch mit der Zielvorstellung, die der...religiöse Mensch von sich selbst hat.
Als Beispiel führt Feuerbach den psychologischen Gottesbeweis an. Das Wissen, Wollen und Können des menschlichen Geistes ist mangelhaft, beschränkt; das Beschränkte, Unvollkommene setzt aber etwas Unbeschränktes, Unendliches voraus; also setzt der endliche Geist einen unendlichen als seinen Grund voraus; dieser ist Gott.
Die Menschen wünschen allwissend, allmächtig zu sein. Daher haben sie in Gott das menschliche Wesen vergegenständlicht. Gott, der unendliche Geist, ist das Vor- und Musterbild von dem, was sie einst selbst werden wollen, das Grund-, Abbild ihres eigenen, in der Zukunft sich entfaltenden Wesens. Die Quelle der Religion ist die Phantasie, die Einbildungskraft. Der Mensch macht alle möglichen Gegenstände kritiklos zu seinen Göttern. In Umkehrung eines Satzes aus der Bibel kommt Feuerbach zu dem Schluß: "Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde."
Selbstverständlich schafft die Phantasie ihre Bilder nicht aus nichts, sondern entzündet sich vornehmlich an den Erscheinungen der Natur, von denen der Mensch sich am meisten abhängig fühlt. Die Phantasie ist eng verbunden mit dem Abstraktionsvermögen. Denn nur durch die Einbildungskraft verselbständigt der Mensch die abstrakten, allgemeinen Begriffe, deutet sie als Wesen.
(Quelle: Bernward Oberstufenkurs, Die Frage nach Gott heute, Hildesheim 1990, S.18f., leicht verändert)
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In den Opfern und Gebeten zeigt sich, daß die Befriedigung eines...Bedürfnisses der Grund ist, warum ein Mensch sich religiös verhält.
Ich persönlich finde den Text und die Theorie sehr intressant und habe dazu eine Frage dazu an euch , warum verhält sich der Mensch religiös ? Hat die Religion einen besonderen Sinn ? Und was ist dieses "Bedürfniss" ?