canisrex schrieb:Die Simpsons haben auch nur 4 Finger, obwohl jeder weiß, dass das nicht richtig ist.
Auch moderne künstlerische Darstellungen der Kreuzigung Jesu halten sich meist an die alte Darstellungstradition, obwohl sich inzwischen herumgesprochen hat, dass sie unzutreffend ist. Es stimmt also schon, dass Kunst und Faktenwissen zwei verschiedene Dinge sind. Trotzdem bleiben meiner Ansicht nach einige Haken:
Ein Fälscher hätte für den Realismus große Recherche betreiben müssen, um überhaupt herauszufinden, welche Spuren eine echte Kreuzigung hinterlässt. Die Information war ja offensichtlich nicht mal eben erhältlich, sonst hätten wir wahrscheinlich mehr Überlieferungen dazu als ausgerechnet nur dieses eine, einzigartige Objekt. Gerade die Kreuzigung Jesu war jahrhundertelang eines der häufigsten künstlerischen Themen, da gibt es massenhaft Vergleichsmaterial. Von daher kommt auch mir sehr unwahrscheinlich vor, dass es verbreitete Kenntnisse über reale Kreuzigungsmethoden gegeben habe, die sich in all den vielen Darstellungen aber nie gezeigt haben sollen. (Und es gibt nicht nur die Simpsons, sondern auch Zeichentrickfiguren mit 5 Fingern!
:D)
In dem Zusammenhang muss man auch fragen, wie die fehlerhafte Darstellungstradition überhaupt entstanden ist. Und da, denke ich, bleibt als Erklärung nur Unkenntnis der genauen Prozedur, weil es gegen Ende der Antike verloren ging. Die Künstler hatten dann wohl nur noch die vagen Angaben aus den Evangelien, mussten den Rest nach ihrer eigenen Vorstellung ergänzen und haben sich dabei einfach geirrt. Das kommt mir jedenfalls naheliegender vor, als dass diese Darstellungen gegen besseres Wissen entstanden seien.
Die synoptischen Passionsberichte beschreiben den Hinrichtungsvorgang kaum. [...] Möglicherweise wurden Jesu Arme nur festgebunden, denn ein Annageln und äußere Verletzungen sind nicht erwähnt (Mk 15,23ff EU). Nur Joh 20,25 EU erwähnt Wundmale von durch die Handflächen getriebenen Nägeln und einen Stich in Jesu Seite, bei dem Blut und Wasser ausgeflossen seien (19,34-35 EU).
Quelle:
Wikipedia: Kreuzigung#ChristentumUnd wenn man annehmen will, dass später im Lauf des Mittelalters diese verlorene Kenntnis wiedergewonnen wurde, ist die nächste Frage klar: woher? Die Nagelposition ließe sich im Extremfall noch durch Menschenversuche herausfinden, aber schon mit der Geißelung klappt das nicht mehr:
perttivalkonen schrieb am 26.08.2024:Allerdings weisen die Geißelungsmale auf eine typische römische Peitschenart hin
Woher hätte der mittelalterliche Hersteller diese Information haben sollen? Wie hätte er überhaupt auf die Idee kommen können, dass die Römer andere Peitschen benutzten als seine Zeitgenossen, mit anderem Verletzungsbild? Und seine Zeitgenossen hätten auch hier keine Methoden gehabt, um die Abdrücke der Peitschenspuren darauf zu prüfen, das geht schon in Richtung moderne Forensik. Demnach wäre diese Detailversessenheit bei einer bloßen Fälschung nur unnötiger Aufwand.
Noch ein Hinweis auf die beiden Schächer, die mit Jesus gekreuzigt worden sein sollen. Bei diesen werden traditionell nämlich meist andere Kreuzigungsarten dargestellt. Das könnte für die Problematik vielleicht interessant sein.
Wikipedia: Schächer------
Das mal als spontane Überlegungen. Ehrlich gesagt, bin ich trotz allem etwas ratlos, denn es gibt nun mal noch die C14-Datierung. Die ist zwar nicht unfehlbar, passt aber gut zur ersten bekannten Erwähnung.
@perttivalkonen hatte schon recht in dem alten Beitrag ...
perttivalkonen schrieb am 20.07.2018:Schon damals, 1988, als die C14-Ergebnisse wie eine Bombe einschlugen, schon damals sagte ich, daß mit dieser Datierung das wirkliche Wunder des Grabtuches erst beginnt. Erst als solch junges Tuch und rein europäisches Produkt wird das Turiner Grabtuch geradezu unerklärlich.