loonts schrieb:ob jetzt Minderheit wirklich nur von einer "absoluten Zahl betrachtet, kleinere Gruppe als die andere" bzw. "weniger als die Hälfte der Probanden" heißt, oder wirklich eine "sehr sehr kleine Ansammlung von Zahl der Menschen, die statistisch quasi Richtung 0 verlaufen aber dennoch existieren" ist unterschiedlich.
Dort sehe ich das Problem der Hypothese zur Schweigespirale, indem damit mMn fahrlässigerweise suggeriert würde, diese von dir angeführten Punkte entsprechen Minderheiten in dem Sinne, dass es zu vernachlässigen ist, was ein paar Prozent der Bevölkerung palavern, weil die Mehrheit ja schweigt - als gäbe es sowas wie die Schweigespirale und den Third-Person-Effekt nur in eine, die richtige Richtung und nicht auch umgekehrt, in dem Menschen nicht alles ins Internet kübeln (als nutzte ausnahmslos jeder das Internet, um seine Meinung zu äußern) von denen ihnen medial suggeriert wird, dass sie mit ihrer Meinung in der Minderheit sind oder das sie dafür justiziablen Ärger bekämen.
Nur, genau dort sehe ich den Haken: Wenn ich mir mal nebenbei repräsentative Umfragen zu den einzelnen Themen raussuche, dann ist dieser Eindruck, dass wir von einem kleinen Anteil der Bevölkerung ausgehen sollten, schlicht empirischer Mumpitz, weil es sich mal um 20, 30, 40 oder mehr Prozent handelt und die Schweigespirale wird von diesen Menschen, die solche Kommentare verfassen mit einer Absicht gebrochen, obwohl sie sich selbst als Minderheit betrachten müssten und damit eigentlich Opfer dieser Spirale sein müssten - es aber nicht sind. Die Gegenseite wird in diese Schweigespirale gezwungen ABER zwingt sich auch selbst in diese, indem sie sich der Illusion hergibt, man sei in der Mehrheit.
Eine selbstinduzierte Schweigespirale aus der Bequemlichkeit heraus, a) nicht zu den Außenseitern sprechen zu wollen (die es sind, indem sie die soziale Ausgrenzung von der meinungstechnischen Mehrheit in Kauf nehmen) und b) zu glauben, dass dieser Zustand immer so bleiben wird.
Die Hypothese selbst ist ja auch vor meiner Kritik daran nicht unkritisiert gewesen und bereits kontrovers diskutiert worden aber im Endeffekt will ich damit auch nur aussagen, dass indem man das Problem verharmlost und es auf eine kleine aber laute Minderheit veranschlagt, ignroriert man dabei die Strategie dieses Problems, jene Menschen anzusprechen, die bis dato vielleicht dachten, "die Mehrheit findet Migranten kuhl, also halt ich besser den Mund, um nicht als Idiot dazustehen aber wenns doch so viele sind, kann ich ja endlich unverblümt das Problem benennen".
Die Bild-Zeitung (sry aber ist für mich ein rotes Tuch) hat doch empirisch vorgemacht, wie sie vorher im Grunde unbeteiligte oder desinteressierte Menschen, angeblich selbst unwissend über die Konsequenzen ihrer Berichterstattung (Reichelt bei Krömer), medial mobilisiert haben, um den Teufel an die Wand zu malen, weil sie gemerkt haben, die Meinung im Land oder in den Köpfen dreht sich statistisch merklich und es mal "irgendwer aussprechen musste, was die Menschen denken".
Dieser Effekt - die Menschen einer numerischen Minderheit denken zu lassen, sie wären mit ihrer im Grunde inhumanistischen Sicht im Recht, weil sie es sich selbst so denken und endlich jemanden gefunden haben der es mal ausspricht ist ein ziemlich heißes Eisen - auch wenn ich mich gar nicht mal auf die Migrationsfrage reduzieren will - weil es Mehrheiten formt, die sich vorher vielleicht nur bedeckt gehalten haben, um nicht im Widerspruch zum Elitenkonsens zu handeln, der ihnen sagt, was an dieser Sicht alles verkehrt ist.
Deshalb ist diese Kritik am "Mainstream" der ÖR über das angebliche Meinungsmonopol auch so fadenscheinig, weil sie im Endeffekt - die gerissenen Kritiker des rechtskonservativen Narrativs von Welt & Co - selbst wissen, dass dort auch Leute wie sie arbeiten, die Medienpsychologie verstanden haben und wissen, dass man die Menschen mit Meinungen, die sich eigentlich als Mensch selbst verbieten sollten, darüber in Verständigung halten kann, wenn man ihnen immerwieder bewusst macht, dass ihre Sicht nicht dem entspricht, was einen moralischen (oder im Gegenteil pseudomoralistischen) Menschen ausmacht.
Der ethische Standpunkt vom ÖR wird ja lediglich umgedreht, als wäre es heutzutage schon ausreichend zu sagen "Ach, der Übermoralist soll mal lieber sein heuchelndes Maul halten" um Menschen zu überzeugen, dass etwas falsch an der Berichterstattung ist. Keiner mag Moralisten lel.
Von daher.
Es gibt viele Meinungen in D und wir sind nicht alle einer Meinung und sollten es auch nicht sein, wenn es sich nicht gerade um grundlegende Fragen des Humanismus handelt aber die Behauptung, dass diese "paar" Krakeeler nur laute Minderheiten sind, funktioniert so nicht länger, wenn man damit nicht in Kauf nehmen will, dass sie die Aufgabe von Graswurzelbewegungen übernehmen, um potentielle Mehrheiten herauszulocken, die im Land leben. Eine funktionierende Demokratie verträgt Widerspruch - in beide Richtungen.