Was bringt uns die besinnliche Weihnachtszeit?
23.12.2010 um 12:26
Besinnlich?
Nicht in DIESER Familie!
Für alle diejenigen, die uns nicht kennen:
Hier bei uns zu Hause ist schon lange Weihnachten. Im Supermarkt sogar schon nach den Sommerferien. Anfang Oktober gab es bei ALDI Nord die ersten Adventskalender.
Ende August, also zu Beginn der offiziellen Vorweihnachtszeit, läute ich eben diese mit dem feierlichen Kauf des ersten Lebkuchen-Paketes (Bahlsen) beim lokalen EDEKA ein.
Zu Hause dekoriere ich dann am folgenden Sonntag den Frühstückstisch mit Tannengrün und Kerzen und verabreiche die erste Lebkuchen-Dosis mit den Worten: Nun ist Weihnachten. Freut Euch gefälligst!
Nach Halloween kommt Eileen - und mit ihr das grässlichste, was sich Menschen zu Weihnachts-Dekozwecken ersonnen haben. Den Weihnachtsdeko-Overkill, den meine Frau jedes Jahr veranstaltet, ertrage ich so gelassen wie die Herbst- und Frühjahrsstürme. Ein bedrohliches Naturereignis, das aber vorüber geht. Irgendwie scheint die anglophone Welt die tiefschürfende deutsche Beschaulichkeit (or German "Gemutlichkeit) durch Kreischbuntquietschignervendes zu übertönen. Das ist leider auch nicht besser.
Unser Haus sieht ab Halloween-Ende aus wie eine Verkaufsausstellung schwuler Weihnachtsmänner und blinder wahnsinniger Christkinder, die mit Schimpf und Schande von der Fachhochschule für Design gejagt wurden. Jedes Jahr etwas mehr Plüsch, Rosa, Glitzer, Flacker!
Das lokale AKW (Brunsbüttel) haben wir schon kaputt gekriegt. Dafür müssen sich die Windkraftwerke doppelt schnell drehen. Bei EON Hanse knallen die Sektkorken, das Dorf knipst die beiden einzigen Strassenlaternen aus. Nur die Piloten der Airlines, die Copenhagen Airport anfliegen, sind irritiert. Nach Anbruch der Dunkelheit hört man den brutalen Triebwerksschub der Airbusse, wenn sie über dem Acker versuchen, wieder durchzustarten - die Lichterketten waren noch nicht die Runway.
Am 6. 1. ist die Chose hoffentlich vorbei. - Dann wird auf Ostern umdekoriert. Auw Ei!
Christmas is a funny show!
Christmas with Mrs. Himmler
(Weihnachten 2008)
Schon der Einstieg fällt mir schwer, weil ich gar nicht weiss, wie man den Morgen des 24. Dezember offiziell nennt. Heiligabendmorgen? Heiliger Morgen? Heilige Scheisse, die deutsche Sprache!
Also, zweiter Versuch:
Am Frühstückstisch an besagtem Tag sprach meine Herz-Dame zu mir: „Ich fahre noch nach Hamburg und bringe eine Überraschung mit.“, wobei sie einen Gesichtsausdruck zur Schau stellte, wie man ihn beispielsweise von Jack Nicholson in „Shining“ kennt.
Und richtig: Unsere Weihnachtsüberraschung waren Granny und Kenny. Vier Fäuste, ach was, zwei Arschgesichter für ein Halleluja.
Granny ist meine Lieblingsschwiegermutter, die in meinem persönlichen Ranking irgendwo zwischen Brechdurchfall mit Bronchitis oder Filzlausbefall mit beidseitigem Handbruch angesiedelt ist. Kenny ist ihr Lieblingsenkel Kenneth, den ich nur das „Gary-Larson-Kind“ nenne. Wer dessen Karikaturen fetter Knaben mit dicken Brillen und Bürstenhaarschnitt kennt, hat ein gutes Bild von Kenneth.
Grannys Weltbild ist einfach und überschaubar:
Gott schuf die Erde und als auserwähltes Volk die Iren. Soweit sie katholisch sind. Um sie zu prüfen, umgab er sie mit allerlei Abschaum: Protestanten, Engländern, Juden, Ungläubige und Menschen anderer Hautfarben – aufsteigend in ihrem „Abschaumgrad“.
Ihr Antisemitismus hätte selbst Himmler zum Schweigen gebracht, dafür stellt ihre Religiosität den kompletten Vatikan in den Schatten. Grundsätzlich gibt es auch nur zwei unumstössliche Meinungen: Die von Gottvater und die ihre.
Ich habe zwar den Vorteil, Deutscher zu sein (wenigstens kein verdammter Engländer), aber dafür bin ich nicht mal Protestant, sonder völlig gottlos, was mich mindestens auf die Ebene von Bin Laden und seine Heerscharen des Antichristen stellt.
Schrecklicher noch: Die Kinder sind nicht getauft und sehen Kirchen nur bei Besichtigungen von innen. Somit ist ihnen die Hölle schon mal sicher. Okay, besser als gar keine Perspektive für junge Menschen nach der Schule.
Ach ja, und dann ist da noch das „Araber-Mädchen“, meine Älteste. Das Terroristen-Kind.
Die beiden sind in der Lage einander komplett zu ignorieren, was die innerfamiliäre Kommunikation zu Umwegen zwingt.
Kenny hingegen ist eher harmlos („Der ist doch nur blöd“, nennen es meine wohlerzogenen Kinder) Sein Lieblingswort ist „Boring“, langweilig. Und das ist prinzipiell alles, was ausserhalb eines Bildschirms und eines Fastfood-Restaurants liegt. So sieht er eben auch aus.
Mit diesen sympathischen Zeitgenossen durfte ich wieder einmal das Fest der Liebe verbringen, wobei ich mir gewisse Gemeinheiten eigentlich nicht verkneifen kann:
„Schatz, ist Deine Mutter schon aufgestanden? Und wo ist eigentlich der Schlüssel vom Waffenschrank?“
„Schmeckt’s Dir, oder soll ich den Zyklon B-Streuer aus der Küche holen?“
Ich habe Granny auch schon mal zu einem protestantischen Weihnachtsgottesdienst gefahren, ohne ihr etwas zu verraten. Hähä! Anschliessend versicherte ich ihr glaubhaft, dass Katholiken in Nordfriesland im Dreissigjährigen Krieg ausgerottet worden seien, was mir den Landstrich so sympathisch gemacht hätte, dass ich mich dort ansiedelte.
Dieses Jahr bin ich aber brav mit den beiden nach Flensburg in den katholischen Gottesdienst gefahren, weil die dortige Kirche den passenden Namen „Schmerzhafte Mutter“ trägt. Ursprünglich wollte ich sie zurück laufen lassen (nur etwa 50 km), was zumindest Kennys Figur gut getan hätte. Dann aber doch nicht, weil Weihnachten eben das Fest der Vergebung ist. Oder bei uns das des Ertragens - beim Barte der schmerzhaften Schwiegermutter!