@koreAufgewachsen bin ich in Hamburg.
Ich wurde von der Schule zum Friseur geschickt, mit der Massgabe, mir sofort die Haare kurz schneiden zu lassen. Als ich mich weigerte, drohte mir der Direktor meiner Realschule einen einwöchigen disziplinarischen Schulverweis an. Wir schrieben das Jahr 1967. Als wir in der 9. waren, wurde eine Mitschülerin wegen ihres "aufreizenden Äusseren" von der Schule verbannt, wohl weil sich ein Lehrer sexuell provoziert fühlte. Dergleichen genügte.
Zur Situation der Auszubildenden (damals Lehrlinge genannt) in den Sechzigern empfehle ich Hans-Jürgen Haug/Hubert Maessen, Was wollen die Lehrlinge? Dokumente der Lehrlingsbewegung, Suhrkamp, Frankfurt/M. 1971 noch mal gründlich nach zu lesen.
Bis zum 27.12. 1951 unterstanden "Lehrlinge" (§ 127a Gewerbeordnung) ausdrücklich dem körperlichen Züchtigungsrecht des Lehrherren. Dieses Recht zur „väterlichen Zucht“ beeinhaltete ausdrücklich auch körperliche Strafen. Der Kampf der gewerkschaftlich organisierten Jugend richtete sich in der sogenannten "Lehrlingsbewegung"nicht zuletzt gegen diese, zwar formal abgeschaffte, aber zumal in Klein-und Handwerksbetrieben durchaus noch übliche Praxis der "Erziehung" unter dem Motto "Lehrjahre sind keine Herrenjahre" (sondern Sklavenjahre).
Meine älteste Schwester bekam während ihrer Friseurlehre hin und wieder von der Meisterin eine gelangt, wenn sie einen Fehler gemacht hatte, was alle Mitarbeiterinnen und Kundinnen des Friseursalons damals als völlig normal erachteten. Prügel gehörte halt zum Alltag.
Sehr schön hat es Kai Kracht beschrieben:
"Kinder hatten brav zu sein und der Familie keine Schande zu machen; (...) was die Kinder in der Schule oder nachmittags machten, kümmerte viele Eltern nicht, solange keine Klagen kamen; dann jedoch setzte es Strafen, und es wurde allgemein viel und kräftig geprügelt, mit Kochlöffeln, Kleiderbügeln, Ledergürteln und in der Schule mit dem Rohrstock. Ohrfeigen und Kopfnüsse teilte jeder aus: Eltern, Lehrer, Pastor, Schutzmann, Lehrmeister, auch der Nachbar, wenn er sich belästigt fühlte; beklagte man sich zu Hause, fing man sich noch eine ein."
Damit hat er meine Erfahrungen genau getroffen.