Flashster schrieb:Das heißt, wenn jemand Geld erpresst hat und das Geld ausgibt und der Geschädigte es - wieso auch immer nicht wiederhaben will, beispielsweise, weil er nicht mitbekommt, dass es ausgeben wird - passiert nichts? Sprich, wenn er kein zivilrechtliches Mittel einlegt? Oder greift dann die Sache mit dem Staat?
Insgesamt klingt es ja dann doch, als wenn es strafbar wäre ?
Nein, es ist nicht separat strafbar. Man muss sich unbedingt einmal vor Augen halten, dass ein rechtswidriges Verhalten nicht gleichbedeutend ist mit strafbarem Verhalten. Strafbar ist nur das Verhalten, das der Gesetzgeber mit einer Strafe, zumeist im Strafgesetzbuch, belegt hat.
Rechtswidrig kann aber weitaus mehr sein, zum Beispiel das Besitzen einer Sache, die einem nicht gehört. Der rechtmässige Besitzer kann dann die Sache, und das ist hier erweitert zu verstehen, z.B. das Geld, zurückfordern. Das ist ein zivilrechtlicher Anspruch. Der ergibt sich nicht aus dem Strafgesetzbuch, sondern aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).
2017 hat der Gesetzgeber allerdings beschlossen, den Staat aktiver werden zu lassen, und hat die §§ 73ff in das Strafgesetzbuch eingeführt: dort heisst es:
§ 73
Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern
(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.
(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.
(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat
1. durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2. auf Grund eines erlangten Rechts.
https://dejure.org/gesetze/StGB/73.htmlDie Einziehung ist keine Strafe sondern ein Verwaltungsakt. Ziel der Aktion ist das Gleiche, das auch hinter der Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch steht: Derjenige, der sich rechtswidrig etwas angeeignet hat, soll daraus keinen Gewinn machen können. Wenn also kein Kläger vorhanden ist, greift der Staat die rechtswidrig erworbene Sache ab, hier z.B. das Lösegeld.
Rechtsphilosophisch sind das zwei verschiedene Dinge: eine Strafe will den Täter empfindlich treffen, selbst einen Täter, der z.B. seine Tat wiedergutgemacht hat. Ich geb' das mal als Beispiel:
Toni klaut seinem Nachbarn Oskar das Fahrrad. Er benutzt es 2 Monate lang und wird dann von Wachtmeiser Schöninger erwischt, der gibt das Fahrrad an Oskar zurück. Toni hat das Fahrrad gut gepflegt, immer gewaschen, es funktioniert tadellos. Bis auf die Tatsache, dass er das Fahrrad zwei Monate lang nicht nutzen konnte, hat Oskar keinen Schaden erlitten. Er ist zufrieden.
Toni wird aber wegen Diebstahl zu 6 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Die muss er absitzen, obwohl Oskar das Fahrrad ja zurückbekommen hat. Das ist seine Strafe. Die Strafe ergeht auch nicht in Oskars Interesse, sondern im Interesse der gesamten Gesellschaft, des "Staates." Deshalb ist der Staatsanwalt für die Sache zuständig und nicht Oskar.
Nehmen wir jetzt mal an, Trine klaut das Fahrrad ihrer Nachbarin Ophelia. Trine ist 11 Jahre alt. Einen Tag später verkauft sie Ophelias Fahrrad beim Flohmarkt für 250 Euro. Das Fahrrad war schon recht alt und eigentlich nur 150 Euro Wert.
Ophelia geht zur Polizei, die winkt ab: Trine ist noch nicht strafmündig, der Staat hat kein Interesse sie zu bestrafen.
Ophelia aber will schliesslich ihren Schaden ersetzt haben: sie verklagt Trine auf Schadenersatz aufgrund einer unerlaubten Handlung nach bürgerlichem Recht. Zivilrichter Dr. Justus spricht ihr Schadenersatz zu: 150 Euro muss Trine an Ophelia zahlen, so viel war das Fahrrad wert.
Trine freut sich: sie hat immerhin aus der ganzen Sache noch 100 Euro Gewinn gezogen.
Jetzt aber kommt Rechtsanwältin Dr. Weissgenau und sagt zu Ophelia: Das ist doch nicht fair: Trine klaut Dein Fahrrad, Du hast den ganzen Ärger, und sie läuft mit 100 Euro Gewinn durch die Gegend. Wir verklagen sie jetzt wegen "ungerechtfertigter Bereicherung." Der Gewinn von 100 Euro ist ja nur durch den Diebstahl zustande gekommen. Es ist ungerechtfertigt, wenn Trine dieses Geld behalten darf.
Dr. Justus spricht Ophelia nun auch noch die 100 Euro zu. Trine ist nicht mehr happy, Ophelia um so mehr.
(Der Einfachheit halber habe ich mal prozeduale Dinge hier vereinfacht dargestellt).
Man sieht also: Obwohl Trine nicht "bestraft" werden kann, weil sie zu jung ist, wird ihr nicht ermöglicht, den unrechtmässig erworbenen Erlös aus ihrer unerlaubten Handlung zu behalten.
Ophelia, dem Opfer, wird der Schaden wieder gutgemacht, genau wie Oskar. Darüberhinaus erhält sie den ungerechtfertigten Gewinn, denn sie hätte ja ihr Fahrrad selbst über Wert verkaufen können. Und Toni muss 6 Monate lang auf Fahrradfahren verzichten, denn er ist der einzige in diesen Beispielen, der "bestraft" wurde, obwohl er Oskars Fahrrad so gut geschont hat.
:)