off-peak schrieb am 12.03.2024:Was mMn aber am Autisten liegt, die diesen Kontakt nicht wünschen oder erwidern (können).
Nein, das ist nicht zwingend der Fall.
Mir, exemplarisch, ging es schon häufig so dass ich den Kontakt zu einem (vermutlich nicht autistischen) Menschen
gerne noch zwecks möglichem Aufbau einer Freundschaft weitergeführt hätte, mein Gegenüber nach einmaligem Kontakt kein Interesse mehr hatte und dies nicht einmal offen kommunizierte sondern plötzlich mit "keine Zeit", "Gruppentreffen finden während der Sommerferien nicht statt" o.ä. sich herauredete.
Auch dass der Kontakt zwischen Autisten oft genauso gut klappt wie zwischen neurotypischen Menschen widerspricht dem. Selbst habe ich längere Zeit an einer Freizeitgruppe für Autisten teilgenommen. Da fanden sich Freundschaften, ungefähr in dem Maß wie sie sich unter neurotypischen Menschen herausbilden (unter 10 - 20 Personen findet man mindestens eine mit der man sich gut versteht). Warum? Weil man ähnlich kommuniziert, weil es Tendenzen zur Bevorzugung bestimmter Aktivitäten gibt - wie unter NTs.
Es gibt seriöse Studien die zeigen dass nichtautistische Menschen schon auf standardisierten Videoaufnahmen die autistischen Menschen als weniger zu einem Kontakt geeignet einschätzen.
(Was gemacht wurde: Autistische und nichtautistische Personen führen eine vorgegebene kurze Handlung aus wie vom Stuhl aufstehen, sich mit einem vorgegebenen Satz vorstellen, setzen. Autisten und Nichtautisten werden diese Aufnahmen gezeigt und es wird gefragt, wen man mal treffen möchte, mit wem man Pause machen möchte.)
Libertin schrieb am 12.03.2024:Es ist nur schwieriger, denn andersrum ist es auch oft genauso, daß neurotypische/ nichtautistische Menschen die Bedürfnisse autistischer Menschen nicht erkennen/ erwidern können/ wollen.
Genau.
off-peak schrieb:Bist Du sicher? Ich grüble ab und dann darüber nach, und fürchte, doch, ja, auch mich hätte schon "damals" die Spielsucht durchaus erwischen können.
Denke ich mir auch. "Zu meiner Zeit" (geboren Anfang der 80er) hat der Gameboy schnell Einzug gehalten. Für die Pause, Schulbusfahrt, Busfahrt bei Schulausflügen... keinen haben? Da war man "out". Allenfalls noch Kartenspiele konnten mithalten, von Uno bis Watten, aber schon die Gesellschaftsspiele im Kleinformat für Reisen galten als zu altmodisch. (Mich hat der Gameboy nicht gereizt, ich hatte ein Buch dabei. Galt als seltsam. Ich spiele aber auch heutzutage keinerlei Computer-, Handy-, Konsolenspiele.)
Gucky87 schrieb am 13.03.2024:Damals waren die Leute mehr draußen, heute in Großraumbüros.
Heutzutage Großraumbüro (belastet mich - habe mittlerweile ein Einzelbüro), früher dafür aber oft Fabrik oder doch, gerade für die Frau mit mittlerer Bildung, das Großraumbüro. Beides mit sicherlich viel Lärm:
so viel noch mechanisch, Lochkartenleser und -puncher, Schreibmaschinen... Kantine oft verpflichtend (für viele neurotypische Menschen evl. kaum vorstellbar, aber: typische Pausensituationen mit ihrem Lärm und Durcheinander können sehr belastend sein).
Als Hauptunterschied sehe ich ganz deutlich:
Wie ging man damit um wenn jemand als verträumt, ungeschickt, findet schlecht Anschluss, hat immer seine Spezialthemen... auffiel?
Oft wird es sicherlich schlichtweg Bestrafung gewesen sein. Auch ich kann aus den 1980er, 1990er Jahren von viel "beiseite nehmen", "Hühnchen rupfen" und spontanem Zitieren zum Direktor berichten und erst danach, ohne dass aber auch nur eine Diagnosestellung vorgeschlagen wurde, mal die ein oder andere Lehrkraft die sich vernünftig mit mir unterhalten hat, auch mal fragte ob ihr Eindruck dass ich Menschen schlecht am Gesicht erkenne stimme.
Psychologe, Psychiater? Noch verschrien, nur für die ganz schweren Fälle. Eher nicht für den Anecker mit guten bis mittleren Schulnoten die, salopp gesagt, dazu noch normal sprechen und laufen. (Exemplarisch: Mein Schwager, als Kind stark entwicklungsverzögert (eben nicht normal sprechen und laufen...) und so oft, Zitat, "ausgeflippt dass es nicht mehr tragbar war", wurde als als Kind einem Psychologen vorgestellt.
Mein Mann, ruhiger gewissenhafter Bücherwurm mit guten Noten, schaffte Entwicklunsmeilensteine locker, später Legasthenie stark vermutet (keine Diagnosestellung), zeigt Züge von Autismus und ADHS, hat im Kindes- und Jugendalter nie einen Psychologen gesehen.
Auch bei mir: Es wurde nie vorgeschlagen, obwohl die Auffälligkeiten da waren, siehe oben und auch Grundschul-Zeugnisbemerkungen wie "der Schülerin ist es auch im neuen Schuljahr nicht gelungen, Kontakte zu knüpfen", "die verhaltensauffällige Schülerin", "trotz hohem Detailwissen und gute Auffassungsgabe".)
Und das "Runternehmen", sprich in eine Schulform mit niedrigerem Anspruch, wurde leichter durchgeführt - auch für Hauptschüler gab es leicht Jobs, also... Eltern werden es tendenziell seltener gewagt haben, Lehrerempfehlungen zu widersprechen.
Man kann sich hierzu auch gerne mal ansehen wie sich die Diagnosekriterien für z.B. Autismus und ADHS verändert haben nebst seit wann es diese Diagnosen überhaupt gibt.
Das Asperger-Syndrom wird erst im ICD-10 (1994) angeführt. 1994 - da war ich z.B. schon aus der Grundschule raus. Wie lange dürfte es noch von 1994 weg gedauert haben, bis ein beliebiger Hausarzt oder Psychologe "den richtigen Riecher" hatte?
Zuvor entsprachen die Diagnosekriterien denen für frühkindlichem Autismus. Mit einer sehr guten Sprachentwicklung, Neugierde und guter/ hoher Intelligenz wäre man aus den Kriterien rausgefallen.