Frust über Bankberater - seriös oder nicht!?
09.05.2020 um 03:08
Hallo zusammen !
Als ehem. Banker kann ich zu der Thematik folgendes beisteuern: Während sich die Ausbildung innerhalb der letzten Jahrzehnte als "Handwerkszeug" bemerkenswert wenig geändert hat, haben sich die Erwartungen der Bank an den Kundenberater in den letzten Jahrzehnten radikal geändert.
Früher lag der Fokus der Banken mehr darauf, Kunden durch eine vernünftige und auf die Person und seine Vermögensverhältnisse zugeschnitte Beratung langfristig an das Unternehmen (die Bank) zu binden und in allen Lebensphasen zu begleiten.
Heute geht es nicht mehr um langfristige Bindung, sondern darum, den maximalen Profit aus dem Kunden herauszuholen und ihn vom Unternehmen (der Bank) abhängig zu machen. Wo früher objektiv und am Bedarf des Kunden orientiert beraten wurde, steht heute in erster Linie der Vertrieb von Bankprodukten und Zinsgewinn an Krediten, Versicherung und Anlagen im Vordergrund, weitgehend unabhängig vom Bedarf und den finanziellen Verhältnissen des Kunden.
Kurz: Banken kochen keine Marmelade für Waisenhäuser und gehen auch nicht mit der Gieskanne herum, um finanziell gute Dinge zu tun.
Nicht mehr ganz richtig ist allerdings die Annahme, es ginge den Kundenberatern dabei jeweils nur um persönlichen Profit aus Provisionen. Auch diese Herangehensweise von Banken hat sich geändert. Inzwischen sind -vor allem- Privatbanken größtenteils dazu übergegangen, mit ihren Beratern sog. "Ziele" zu vereinbaren, die der Mitarbeiter z.B. zum Monats-Ultimo erreichen soll/muß. Dazu gehören beispielsweise eine bestimmte Summe "x", die im Monat an Krediten herausgelegt werden soll, eine betimmte Summe an Versicherungen, Kreditkarten und Fremdprodukten. Erreicht er diese Ziele nicht, wird ihm nahe gelegt, sich alsbald nach einer neuen Aufgabe umzusehen. Natürlich gibt es noch Provisionen als Anreiz, diese fallen aber oftmals nicht mehr wirklich ins Gewicht. Der Mitarbeiter wird also nicht -wie früher üblich- unbedingt nur durch Geld für den Vertrieb motiviert, sondern schlichtweg mit "Zielen" persönlich unter starken Druck gesetzt.
Grundsätzlich kann man dabei zwischen zwei Banktypen unterscheiden. Privatbanken leben vom und für den Vertrieb, während Sparkassen oder genossenschaftliche Banken sich im Zweifel noch eher am Bedarf und den Verhältnissen des Kunden orientieren, da Zielvereinbarungen dort entweder garnicht getroffen werden, oder zumindest nicht so krass ausfallen, wie bei den privaten Banken.
Es gibt alledings ein paar Dinge, die man als Kunde (bei allen Banken) unbedingt beachten sollte, um nicht in die Vertriebsfalle zu geraten:
1. Vor einem Beratungstermin unbedingt selbst informieren !
-In Zeiten des Internets ist es einfach geworden, sich über die verschiedenen Produkte, die Kosten, den Nutzen und vor allem die Risiken zu informieren. Dies sollte man UNBEDINGT und IMMER vorher machen. Sich blind auf eine Beratung zu verlassen, kann viel Geld und Nerven kosten.
2. Das Kleingedruckte von Verträgen in Ruhe durchlesen und bei Bedarf Rückfragen/Verständnisfragen stellen !
-Wenn es in der Bank zu einem Vertragsabschluß kommt, nie unter Druck setzen und eine schnelle Unterschrift abnötigen lassen. IMMER die Zeit nehmen, alles -auch wenn es viele Seiten sind (!)- langsam und gewissenhaft durchzulesen und jede Unklarheit durch präzise Rückfragen klären. Sonst kostet es -wie gehabt- Geld und Nerven.
3. Wenn möglich, nie allein in ein Beratungsgespräch gehen !
-Vier Augen sehen mehr als zwei, vier Ohren hören mehr als zwei. Einen Zeugen des Gesprächs zu haben, kann auch im Falle von späteren Auseinandersetzungen von großem Vorteil sein. Immer -auch im Gespräch- die Zweitmeinung der Begleitung einholen und gemeinsam das Kleingedruckte durchlesen. Sonst kostet es -ihr ahnt es schon- genau !
4. Vorher wissen was man möchte und was man sich leisten kann !
-Ermittelt vorher genau wie viel Geld ihr bei einer Kreditaufnahme tatsächlich benötigt und noch wichtiger, welche Ratenhöhe ihr maximal auch im Falle von Krise, Jobverlust, Krankheit, Kurzarbeit aufbringen könnt. Niemals auf Kreditversicherungen gegen Jobverlust/Krankheit etc. verlassen. Diese zahlen nur in seltenen Fällen vollumfänglich. Gleiches gilt auch bei Geldanlagen. Immer vorher wissen, wieviel man anlegen kann, möchte und welches Risko man dabei eingehen kann. Faustformel: Je höher der Gewinn, desto höher das Verlustrisiko. Nie alles in nur eine Anlage investieren. Hochrisikovarianten nur eingehen, wenn man sich einen möglichen Totalverlust auch leisten kann. Tatsache: Gier frisst Hirn. Also niemals von Gewinnaussichten blenden lassen, Kapital auf mehrere Anlageformen aufteilen und cool bleiben. Sonst kostet es... Riiiichtiiig !
5. Finger weg von zu viel Plastikgeld !
-Viele angebotene Kreditkarten machen es allzu leicht, sich in die Schuldenfalle zu manövrieren. Besonders Karten, die nur einen kleinen Prozentsatz an Rückzahlung verlangen. Es ist einfach verlockend, das Konsumverlangen jederzeit durch Zücken eines Kärtchens befriedigen zu können. Es verlangt daher eine große Disziplin und Genauigkeit, immer alle Ausgaben und die Gesamtschuldenhöhe im Auge zu behalten. Gerade jetzt, wo zu Coronazeiten das kontaktlose Bezahlen schwer in Mode ist, gibt man mit Karten leicht mehr Geld aus, als man eigentlich wollte und ggf. überhaupt kann. Grundsatz: Bei Kreditkarten immer die monatliche Abbuchung des vollständigen (!) Kreditsaldos vereinbaren. Die Kreditrahmenhöhe immer -d.h. fortlaufend- an die tatsächlichen Finanzverhältnisse anpassen und ungefragte Rahmenerhöhungen außerhalb der eigenen Möglichkeiten nicht akzeptieren, so das man jeder Zeit in der Lage ist, den offenen Betrag auch aus eigenen Mitteln auszugleichen. Sonst... Ist klar.
6. Keinen unnötigen Soll auf dem Girokonto !
-Kaum etwas ist bei Banken teurer, als der sog. "Dispositionskredit". Damit wird der Rahmen bezeichnet, in dessen Grenzen (und darüber hinaus) man beim Girokonto ins Minus gehen kann. Wer permanent im Soll ist, zahlt Unsummen für verhältnismäßig wenig "geliehenes" Geld. Und das permanent. Davon ist dringendst abzuraten. Lieber einen venünftigen Kleinkredit mit überschaubaren und gleichmäßigen Raten vereinbaren, wenn es mal eng wird. Sonst immer im Haben bleiben. Im Zweifel sollte man nur für den absoluten Notfall bzw. unerwartete Abbuchungen einen minimalen Rahmen vereinbaren. Dieser sollte vernünftigerweise im Bereich bis maximal 1000 € liegen und -wie geschrieben- möglichst nicht in Anspruch genommen werden. Der Betrag sollte sich darüber hinaus innerhalb von zwei Gehaltseingängen problemlos und komfortabel ausgleichen lassen.
Abschließend möchte ich betonen, dass Bankberater nicht zwingend auch Unmenschen oder Taschendiebe sind und nicht alle Banken mafiöse Tendenzen zeigen. Ich kenne noch viele Kollegen aus meinem ehemaligen Tätigkeitsfeld, die sich mit Sachverstand und allem gebotenem Respekt um ihre Kunden und deren Wünsche kümmern. Kurz: Bei denen man als Kunde in besten Händen ist. Wenn man weiß und akzeptiert, dass auch Banken von irgendetwas leben müssen und man so gut wie nichts im Leben einfach so geschenkt bekommt, sind auch heute noch ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis und -vor allem auch- gute Beratung sowie faire Verträge möglich. Man muß eben Zeit investieren, sich selbst schlau machen, selbstbewusst, ausgeruht und gut gekleidet in das Gespräch gehen, einen guten und selbstsicheren Eindruck vermitteln. Das ist die halbe Miete. Dann klappts auch mit der Bank. Sonst kostet es...Na das hatten wir ja schon.