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Wie der Krieg am Golf entstand
26.01.2004 um 01:02Wie der Krieg am Golf entstand
Wir schreiben Anfang März 2003, Washington. Der Sprecher des Weißen Hauses, Ari Fleischer, erklärt öffentlich: "Saddam muss nicht nur abrüsten, sondern auch seinen Hut nehmen". Diese Forderung stößt weltweit auf Kopfschütteln, weil sie durch keine der bisher zum Irak verabschiedeten 19 UN-Resolutionen gedeckt ist.
Später wich das Kopfschütteln dann dem Begreifen der erstaunlichen Logik hinter dieser Forderung. Um diese Logik besser verstehen zu können, muss man sich die Pläne der geopolitischen Strategen ansehen, die heute die Außenpolitik der USA maßgeblich bestimmen: Richard B. Cheney (US-Vizepräsident), Lewis Libby (Cheneys Stabschef), Donald Rumsfeld (US-Verteidigungsminister), Paul D. Wolfowitz (Rumsfelds Stellvertreter und Bushs "Gehirn"), Peter W. Rodman (US-Beauftragter für "internationale Sicherheitsangelegenheiten "), John Bolton (Staatssekretär für Rüstungskontrolle), Richard Armitage (Vize-Außenminister), Richard Perle (Chef des American Defense Policy Board), William Kristol (PNAC-Vorsitzender, berät Bush) und Zalmay Khalilzad (Bushs Sonderbeauftragter für den Kontakt zur irakischen Opposition).
Hirngespinste intellektueller Außenseiter
Denn dass der Golfkrieg in Wahrheit der Ablösung des irakischen Präsidenten Saddam Hussein dienen soll, steht für diese Gruppe schon lange fest - nicht erst seit dem Politikwechsel in den Vereinigten Staaten. Konzepte für eben diese Politik wurden bereits zu Beginn der 90er Jahre in ultrarechten "Think Tanks" entwickelt. Das sind Denkfabriken, in denen kalte Krieger aus dem Dunstkreis von Geheimdiensten, Sekten, Rüstungs- und Ölkonzernen gruselige Pläne für eine neue Weltordnung schmiedeten. Das Völkerrecht soll durch das Recht des Stärkeren ersetzt werden. Und die Vereinigten Staaten von Amerika sind die Stärkeren.
Was auch immer aus diesen Think Tanks kam, fand seinen Weg in die Öffentlichkeit. Fast alle Beiträge (Visionen) kann man im Internet recherchieren. Lange Zeit wurden diese Planspiele als Hirngespinste abgetan, die intellektuelle Außenseiter - unterstützt von Lobbyisten - hinter den Rücken des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton und seines Stellvertreters Al Gore verfassten. Die Demokraten hatten für diese Visionen kein rechtes Ohr. Stattdessen wurde im Weißen Haus vom Aufbau einer internationalen Gerichtsbarkeit, Klimaschutz und Rüstungsbegrenzung gesprochen.
Das Projekt "Neues Amerikanisches Jahrhundert"
Im Dunstkreis dieses liberalen Klimas blieb ein 1997 entwickeltes Projekt nahezu unbemerkt: Das "Project for The New American Century" (PNAC). Im Frühjahr 1998 forderte eben diese Projektgruppe Clinton zu einem Sturz Saddams auf. Zudem sollte der Umgang mit den Vereinten Nationen "neu geregelt" werden. In dem Papier heißt es: "Solange nicht klar ist, ob Saddam über Massenvernichtungswaffen verfügt, droht Gefahr für die USA (und andere Teile der Welt) und einen bedeutsamen Teil der Welt-Ölvorräte. Das bedeutet, in kurzer Frist zur Durchführung einer militärischen Aktion bereit zu sein, da die Diplomatie offenkundig versagt hat. Langfristig bedeutet es, Saddam Hussein und sein Regime zu entmachten ... Wir glauben, dass die Vereinigten Staaten unter den bereits bestehenden UN-Resolutionen das Recht haben, die nötigen Schritte, einschließlich militärischer, zu unternehmen, um unsere Interessen im Golf zu sichern. Auf keinen Fall darf sich die amerikanische Politik länger durch das fehlgeleitete Beharren des UN-Sicherheitsrats auf Einstimmigkeit lähmen lassen. "
Und unterschrieben war dieser Brief unter anderen von zehn PNAC-Mitgliedern, die schon oben erwähnt wurden: Cheney, Libby, Rumsfeld, Wolfowitz, Rodman, Bolton, Armitage, Perle, Kristol, Khalilzad. Zwei Hardliner aus diesem erlauchten Kreis hatten bereits Jahre zuvor für einen internationalen Eklat gesorgt, als eine von ihnen entworfene "verteidigungspolitische Planungsvorgabe" an die Öffentlichkeit gelangte. Verfasser des "Defense Planning Guidance" waren die heutigen Kabinettsmitglieder Wolfowitz und Libby.
Der "Masterplan" für den Krieg
Die Wolfowitz-Libby-Vorschläge liefen darauf hinaus, eine neue Globalstrategie zu implementieren. Schließlich waren den USA die Abschreckungsdoktrin des Kalten Krieges abhanden gekommen. Ziel war also, die dauerhafte Erhaltung der Supermacht-Position der USA - weltweit. Notwendig sei vor allem eine stabile amerikanische Vormachtstellung in Eurasien. Ein Land, das mit militärischem Nachdruck die Interessen der USA bedrohe, müsse mit Präventivangriffen rechnen, heißt es.
Im September 2000 schloss die PNAC die Arbeit an ihrem "Masterplan" ab. Auch dort hatte sich die Studie im Auftrag der eingangs genannten Persönlichkeiten der Frage gewidmet, wie die internationale Sicherheitsordnung gemäß amerikanischen Interessen gestaltet werden kann. Unter anderem müssten die USA durch eine gewaltige Aufstockung ihres Rüstungsetats und den Aufbau eines länderübergreifenden Raketenschirms in die Lage versetzt werden, "zahlreiche größere Kriege gleichzeitig durchkämpfen und für sich entscheiden" zu können. Auf jeden Fall gehöre die Golfregion unter US-Kontrolle, heißt es in dem PNAC-Papier. Weiter kann man auch im Internet dazu lesen: "Die Vereinigten Staaten haben seit Jahren versucht, eine dauerhaftere Rolle am Golf zu spielen. Der ungelöste Irak-Konflikt liefert zwar die unmittelbare Begründung dafür, die Präsenz einer substantiellen amerikanischen Streitmacht am Golf ist aber ganz unabhängig von der Frage des Saddam-Hussein-Regimes nötig."
Die Operation kann beginnen
Kaum hatte George W. Bush nach seinem umstrittenen Wahlsieg die Clinton-Administration abgelöst, hievte er die Hardliner von der PNAC in seine Regierung. Mit atemberaubendem Tempo setzten die neuen Herren die PNAC-Strategie um. Bush kündigte reihenweise internationale Verträge aus der Clinton-Ära und brüskierte die UN. Und als nach den Anschlägen vom 11. September 2001 die Angst in Amerika regierte und im Land Milzbrandbriefe kursierten, war aus Sicht der Bush-Anhänger die Zeit reif, auch die alten Irak-Pläne aus der PNAC-Schublade zu holen.
Bereits sechs Tage nach dem Anschlag auf das World Trade Center unterzeichnete Bush einen Exekutivbefehl, in dem er nicht nur Order gab, einen Krieg gegen das Terrornetzwerk El Kaida und gegen die Taliban vorzubereiten. Ein zunächst geheim gehaltener zweiter Absatz befahl den Militärs, Szenarien für einen Irakkrieg zu erarbeiten. Und noch immer glaubt die Mehrheit der amerikanischen Öffentlichkeit, dass die Attentäter des 11. September Iraker gewesen seien.
Vieles spricht dafür, dass Bush nach dem Sturz Saddams den gesamten Nahen Osten verstärkt dem Wirtschaftseinfluss der USA unterwerfen will. Bush formuliert es freilich anders: Der notfalls unter Bruch des Völkerrechts zu besetzende Irak solle künftig "als dramatisches und leuchtendes Beispiel der Freiheit für andere Nationen der Region dienen ". Und so ist dann auch der Name des dritten Golfkrieges: "Operation irakische Freiheit".
Peter Poprawa
Wir schreiben Anfang März 2003, Washington. Der Sprecher des Weißen Hauses, Ari Fleischer, erklärt öffentlich: "Saddam muss nicht nur abrüsten, sondern auch seinen Hut nehmen". Diese Forderung stößt weltweit auf Kopfschütteln, weil sie durch keine der bisher zum Irak verabschiedeten 19 UN-Resolutionen gedeckt ist.
Später wich das Kopfschütteln dann dem Begreifen der erstaunlichen Logik hinter dieser Forderung. Um diese Logik besser verstehen zu können, muss man sich die Pläne der geopolitischen Strategen ansehen, die heute die Außenpolitik der USA maßgeblich bestimmen: Richard B. Cheney (US-Vizepräsident), Lewis Libby (Cheneys Stabschef), Donald Rumsfeld (US-Verteidigungsminister), Paul D. Wolfowitz (Rumsfelds Stellvertreter und Bushs "Gehirn"), Peter W. Rodman (US-Beauftragter für "internationale Sicherheitsangelegenheiten "), John Bolton (Staatssekretär für Rüstungskontrolle), Richard Armitage (Vize-Außenminister), Richard Perle (Chef des American Defense Policy Board), William Kristol (PNAC-Vorsitzender, berät Bush) und Zalmay Khalilzad (Bushs Sonderbeauftragter für den Kontakt zur irakischen Opposition).
Hirngespinste intellektueller Außenseiter
Denn dass der Golfkrieg in Wahrheit der Ablösung des irakischen Präsidenten Saddam Hussein dienen soll, steht für diese Gruppe schon lange fest - nicht erst seit dem Politikwechsel in den Vereinigten Staaten. Konzepte für eben diese Politik wurden bereits zu Beginn der 90er Jahre in ultrarechten "Think Tanks" entwickelt. Das sind Denkfabriken, in denen kalte Krieger aus dem Dunstkreis von Geheimdiensten, Sekten, Rüstungs- und Ölkonzernen gruselige Pläne für eine neue Weltordnung schmiedeten. Das Völkerrecht soll durch das Recht des Stärkeren ersetzt werden. Und die Vereinigten Staaten von Amerika sind die Stärkeren.
Was auch immer aus diesen Think Tanks kam, fand seinen Weg in die Öffentlichkeit. Fast alle Beiträge (Visionen) kann man im Internet recherchieren. Lange Zeit wurden diese Planspiele als Hirngespinste abgetan, die intellektuelle Außenseiter - unterstützt von Lobbyisten - hinter den Rücken des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton und seines Stellvertreters Al Gore verfassten. Die Demokraten hatten für diese Visionen kein rechtes Ohr. Stattdessen wurde im Weißen Haus vom Aufbau einer internationalen Gerichtsbarkeit, Klimaschutz und Rüstungsbegrenzung gesprochen.
Das Projekt "Neues Amerikanisches Jahrhundert"
Im Dunstkreis dieses liberalen Klimas blieb ein 1997 entwickeltes Projekt nahezu unbemerkt: Das "Project for The New American Century" (PNAC). Im Frühjahr 1998 forderte eben diese Projektgruppe Clinton zu einem Sturz Saddams auf. Zudem sollte der Umgang mit den Vereinten Nationen "neu geregelt" werden. In dem Papier heißt es: "Solange nicht klar ist, ob Saddam über Massenvernichtungswaffen verfügt, droht Gefahr für die USA (und andere Teile der Welt) und einen bedeutsamen Teil der Welt-Ölvorräte. Das bedeutet, in kurzer Frist zur Durchführung einer militärischen Aktion bereit zu sein, da die Diplomatie offenkundig versagt hat. Langfristig bedeutet es, Saddam Hussein und sein Regime zu entmachten ... Wir glauben, dass die Vereinigten Staaten unter den bereits bestehenden UN-Resolutionen das Recht haben, die nötigen Schritte, einschließlich militärischer, zu unternehmen, um unsere Interessen im Golf zu sichern. Auf keinen Fall darf sich die amerikanische Politik länger durch das fehlgeleitete Beharren des UN-Sicherheitsrats auf Einstimmigkeit lähmen lassen. "
Und unterschrieben war dieser Brief unter anderen von zehn PNAC-Mitgliedern, die schon oben erwähnt wurden: Cheney, Libby, Rumsfeld, Wolfowitz, Rodman, Bolton, Armitage, Perle, Kristol, Khalilzad. Zwei Hardliner aus diesem erlauchten Kreis hatten bereits Jahre zuvor für einen internationalen Eklat gesorgt, als eine von ihnen entworfene "verteidigungspolitische Planungsvorgabe" an die Öffentlichkeit gelangte. Verfasser des "Defense Planning Guidance" waren die heutigen Kabinettsmitglieder Wolfowitz und Libby.
Der "Masterplan" für den Krieg
Die Wolfowitz-Libby-Vorschläge liefen darauf hinaus, eine neue Globalstrategie zu implementieren. Schließlich waren den USA die Abschreckungsdoktrin des Kalten Krieges abhanden gekommen. Ziel war also, die dauerhafte Erhaltung der Supermacht-Position der USA - weltweit. Notwendig sei vor allem eine stabile amerikanische Vormachtstellung in Eurasien. Ein Land, das mit militärischem Nachdruck die Interessen der USA bedrohe, müsse mit Präventivangriffen rechnen, heißt es.
Im September 2000 schloss die PNAC die Arbeit an ihrem "Masterplan" ab. Auch dort hatte sich die Studie im Auftrag der eingangs genannten Persönlichkeiten der Frage gewidmet, wie die internationale Sicherheitsordnung gemäß amerikanischen Interessen gestaltet werden kann. Unter anderem müssten die USA durch eine gewaltige Aufstockung ihres Rüstungsetats und den Aufbau eines länderübergreifenden Raketenschirms in die Lage versetzt werden, "zahlreiche größere Kriege gleichzeitig durchkämpfen und für sich entscheiden" zu können. Auf jeden Fall gehöre die Golfregion unter US-Kontrolle, heißt es in dem PNAC-Papier. Weiter kann man auch im Internet dazu lesen: "Die Vereinigten Staaten haben seit Jahren versucht, eine dauerhaftere Rolle am Golf zu spielen. Der ungelöste Irak-Konflikt liefert zwar die unmittelbare Begründung dafür, die Präsenz einer substantiellen amerikanischen Streitmacht am Golf ist aber ganz unabhängig von der Frage des Saddam-Hussein-Regimes nötig."
Die Operation kann beginnen
Kaum hatte George W. Bush nach seinem umstrittenen Wahlsieg die Clinton-Administration abgelöst, hievte er die Hardliner von der PNAC in seine Regierung. Mit atemberaubendem Tempo setzten die neuen Herren die PNAC-Strategie um. Bush kündigte reihenweise internationale Verträge aus der Clinton-Ära und brüskierte die UN. Und als nach den Anschlägen vom 11. September 2001 die Angst in Amerika regierte und im Land Milzbrandbriefe kursierten, war aus Sicht der Bush-Anhänger die Zeit reif, auch die alten Irak-Pläne aus der PNAC-Schublade zu holen.
Bereits sechs Tage nach dem Anschlag auf das World Trade Center unterzeichnete Bush einen Exekutivbefehl, in dem er nicht nur Order gab, einen Krieg gegen das Terrornetzwerk El Kaida und gegen die Taliban vorzubereiten. Ein zunächst geheim gehaltener zweiter Absatz befahl den Militärs, Szenarien für einen Irakkrieg zu erarbeiten. Und noch immer glaubt die Mehrheit der amerikanischen Öffentlichkeit, dass die Attentäter des 11. September Iraker gewesen seien.
Vieles spricht dafür, dass Bush nach dem Sturz Saddams den gesamten Nahen Osten verstärkt dem Wirtschaftseinfluss der USA unterwerfen will. Bush formuliert es freilich anders: Der notfalls unter Bruch des Völkerrechts zu besetzende Irak solle künftig "als dramatisches und leuchtendes Beispiel der Freiheit für andere Nationen der Region dienen ". Und so ist dann auch der Name des dritten Golfkrieges: "Operation irakische Freiheit".
Peter Poprawa