Wiederaufnahmeverfahren gegen Ulvi Kulac 2014
13.05.2014 um 11:11WAV - 13.05.2014, 7 Verhandlungstag
Plädoyer der Anwälte
Liveblog BR - Matrin Haehnlein:
Plädoyer der Anwälte
Liveblog BR - Matrin Haehnlein:
Heute stehen die Plädoyers im Mordfall Peggy Knobloch an. Die Stoßrichtung ist klar, das Verfahren steuert auf einen Freispruch zu, allein der Inhalt der Plädoyers könnte noch für Überraschungen sorgen. Dass Ulvi Kulacs Verteidiger darauf dringen wird, dass sein Mandant die Tat nicht begangen haben kann, scheint so gut wie sicher. Dagegen wird es sich die Staatsanwaltschaft wohl nicht so einfach machen. Unklar ist, ob auch die Rechtsanwältin von Peggys Mutter ein Plädoyer halten wird. Als Vertreterin der Nebenklage hätte sie das Recht dazu. Dass nach der Mittagspause noch weiter plädiert wird, ist eher unwahrscheinlich. Verhandlungsbeginn ist wieder um 8.30 Uhr.
Ein Freispruch für den wegen Mordes an der neunjährigen Peggy verurteilten Ulvi Kulac wird immer wahrscheinlicher. Im Wiederaufnahmeverfahren vor dem Landgericht Bayreuth hat die Staatsanwaltschaft einen Freispruch für den geistig behinderten Mann gefordert. Es ist aus Sicht der Staatsanwältin Sandra Staade ein Freispruch aus Mangeln an Beweisen.
Weiteres zum Schlusswort der Staatsanwaltschaft: In ihrem gut 20-minütigen Plädoyer hat die Anklage die Zweifel an der Unschuld Ulvi Kulacs in den Mittelpunkt gestellt. Die Ermittler wollen die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen, sie hätten sich mit dem geistig Minderbegabten auf den erstbesten Verdächtigen konzentriert.
"Fakt ist, dass der Angeklagte vor kleinen Jungen onanierte", führt die Staatsanwältin aus. "Fakt ist auch, dass es dabei nicht blieb. Er manipulierte an Kindern. Zur Durchsetzung seiner Ziele wendete er auch Gewalt an."
"Es geht um die Würde der Opfer", stellt die Staatsanwältin fest. "Es ist für ein kleines Kind völlig irrelevant, ob der Angeklagte geistig zurückgeblieben ist oder nicht." Kulac sei wiederholt durch sexuellen Missbrauch aufgefallen, womit er zumindest auch ein plausibles Motiv für den Mord an Peggy habe.
Die Staatsanwältin beruft sich auf das Gutachten von Prof. Kröber, der Ulvi Kulac untersucht hat. Demnach sei die Wahrscheinlichkeit, dass Kulac die Tat begangen habe, höher als die, dass er unschuldig ist.
Aber die Staatsanwaltschaft muss auch zugeben, dass es keine Beweise dafür gibt, dass Ulvi Kulac die damals neunjährige Peggy ermordet hat: "Wir haben keine Spuren, wir haben keinen Tatort, wir haben keine Leiche. "
Zwar gebe es Zweifel an der Unschuld Kulacs und die Erfahrung zeige, dass verschwundene Kinder oft zuvor Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sind. Das passe zu den Gewohnheiten Kulacs, der öfter vor Kindern onaniert und diese missbraucht habe.
Trotzdem ist auch die Anklagebehörde nicht restlos davon überzeugt, dass Ulvi Kulac Peggy ermordet hat, und plädiert auf Freispruch.
Susanne Knoblochs Anwältin Ramona Hoyer hat ein Statement vorbereitet, das sie vom Blatt abliest. In hoher Geschwindigkeit schildert sie die Vorwürfe gegen ihre Mandantin, wonach Peggys Mutter in das Verschwinden ihrer Tochter verwickelt sei. Gerade in den sozialen Medien werde Susanne Knobloch verunglimpft und zumindest einer Mittäterschaft bezichtigt. Dabei habe Susanne Knobloch das Schlimmste erlebt, was Eltern durchmachen können. Die Anwältin äußert die Hoffnung, dass der Abschluss des Strafverfahrens gegen Ulvi Kulac nicht auch das Ende der Ermittlungen bedeutet. Auf eine konkrete Forderung verzichtet Rechtsanwältin Hoyer.
Nun schlägt zum letzten Mal in diesem Wiederaufnahmeverfahren die Stunde von Kulacs Verteidiger Michael Euler. Äußerst detailliert zitiert er aus dem Schuldspruch des Landgerichts Hof vom 30. April 2004. Er schildert die Vorwürfe noch einmal und bemüht sich um eine Persönlichkeitsanalyse Kulacs. Inzwischen habe dieser gelernt, dass Geschlechtsverkehr mit Kindern verboten ist. In der Klinik sei er gefördert worden und habe Entwicklungsfortschritte gemacht, so Euler.
Der Rechtsanwalt holt noch einmal zum großen Rundumschlag aus und stellt den Fall erneut ausführlich dar. Dabei verzettelt er sich in den Schilderungen einzelner Zeugen, anstatt sich auf die Tatsachen zu konzentrieren, die seinen Mandanten zweifelsfrei entlasten. Offenbar will er einen Freispruch "erster Klasse" erreichen, also wegen erwiesener Unschuld: "Es gibt eine ganze Reihe von Beweisen, die belegen, dass Herr Kulac nicht der Mörder von Peggy Knobloch sein kann."
Bemerkenswert: Euler plädiert nicht etwa in Richtung Gericht. Stattdessen hat er sich den Zuhörern im Saal zugewandt.
Euler zitiert so gut wie alle Prozessbeteiligten, angefangen von den Kinderzeugen über die Ermittler und die Eltern des Angeklagten. Es scheint, als wolle er die Beweisaufnahme ein zweites Mal durchführen. Nicht alle im Saal folgen seinen Ausführungen so aufmerksam wie das Gericht.
Dann, nach 70 Minuten, kommt Euler zum Kern seines Plädoyers: "Das Geständnis meines Mandanten ist durch Zeugenaussagen vollständig widerlegt." Auch den sexuellen Missbrauch Peggys habe es laut Euler nicht gegeben. Schließlich beantragt er dann, seinen Mandanten freizusprechen.
Um 10.40 Uhr soll die Verhandlung fortgesetzt werden.
Ulvi Kulacs zweiter Verteidiger Jan Astheimer erinnert noch einmal an die Aussagen der sogenannten Kinderzeugen, die Peggy noch nach ihrem Verschwinden gesehen haben wollen. Dass sich einige von ihnen heute nicht mehr genau an ihre Erlebnisse vom Mai 2001 erinnern, scheint für ihn irrelevant, stattdessen bezieht er sich auf die Ermittlungsakten. Er verweist auf die "kriminaltechnologische Aussageanalyse", wonach bei Kindern die ersten Schilderungen am nähesten an der Wahrheit lägen. Erst durch häufiges Nachfragen entstünden Unstimmigkeiten und Erinnerungslücken, so Astheimer.
Für Astheimer "steht fest, dass Ulvi Kulac Peggy nicht umgebracht haben kann." Auch er beantragt einen Freispruch.
Das letzte Wort hat Ulvi Kulac. "Ich hab' die Peggy nicht umgebracht und mein Wunsch ist, dass sie noch lebend gefunden wird", sagt Kulac mit heißerer Stimme. "Damit soll es jetzt gut sein."
Schluss für heute.
Das Urteil soll morgen um 10 Uhr verkündet werden