Nightrider64 schrieb:Es gab in dieser Nachkriegsphase halt keine Behörde, die nachprüfen konnte, wo jemand abgeblieben ist, wenn er in einen anderen Besatzungssektor umzog oder eine Einwanderungsgenehmigung ins Ausland hatte.
Wenn ich nach Australien auswandern wollte, musste ich mich mit einer entsprechenden australischen Stelle in Verbindung setzen und dort ein Visum usw. beantragen. Das wird dort aufgeschrieben.
Und wenn ich in eine andere Besatzungszone umziehen will, dann kann ich natürlich "schwarz" über die Grenze gehen. Aber dann habe ich ein Problem: Ich muss mich in der neuen Besatzungszone und am neuen Wohnort anmelden. Denn sonst bekomme ich keine Wohnung und keine Lebensmittelmarken. Und ohne ist nicht so doll, wie man sich wohl denken kann. Also werde ich mich gezwungenermaßen anmelden.
Wenn nun jemand sagen wir mal in Hamburg als vermisst gemeldet wird, und ein Verwandter erzählt eine wirre Geschichte, dass der nach Australien ausgewandert ist, was bitte soll denn dann die Polizei hindern, einen höflichen Brief an die entsprechende australische Stelle zu schreiben, des Inhalts: "Hat Herr XY, zuletzt wohnhaft in Hamburg, einen Antrag auf Erteilung eines Visums gestellt? Herr XY ist vermisst und soll laut mündlicher Angabe eines Dritten nach Australien ausgewandert sein." Und dann wird man ggf. antworten: "Nein, der ist uns unbekannt, ein entsprechender Antrag liegt uns nicht vor!" So, was soll der Verwandte denn dann sagen: "Ja, ach, dann sind die wohl einfach so mit dem Paddelboot nach Australien gefahren!" Nicht so ganz glaubwürdig, oder?
Genau das gleiche Spiel, wenn beispielsweise behauptet wird, der Verwandte sei nach München umgezogen. Hamburg liegt in der englischen Zone, München in der amerikanischen. Wer hindert die Hamburger Polizei daran, nach München zu schreiben und dort anzufragen ob der Herr XY sich dort, zwecks Wohnungszuweisung und Zuteilung von Lebensmittelmarken angemeldet hat? Zumal wir ja von 1947 reden (Stichwort: Bizone, ab dem nächsten Jahr dann auch schon Trizone), als die Zusammenarbeit zwischen den Westzonen ganz gut funktionierte.
Die einzige Möglichkeit wäre gewesen, dass man behauptet, der betreffende Verwandte wäre in die Sowjetzone gezogen. Da hätte es vielleicht Schwierigkeiten gegeben, weil die Sowjets vor dem Hintergrund des beginnenden Kalten Krieges nicht so kooperativ gewesen sein könnten. Aber das wäre auch die unwahrscheinlichste aller Erklärungen für ein Verschwinden gewesen, denn wer geht schon freiwillig dorthin?
Wie gesagt: Als Erzählung und Erklärung gegenüber Nachbarn und Freunden kann ich das bringen, aber wenn ich das in irgendeiner Weise bei einer offiziellen Stelle vorbringe, dann hat die auch 1947 die Möglichkeit das zu überprüfen. Wenn das alles so eine völlig rechtlose und chaotische Zeit gewesen wäre, wie hier offenbar geglaubt wird, dann hätte eigentlich auch niemand in dieser Sache ermitteln dürfen. Weil ja gar keine Behörden und gar keine Polizei vorhanden waren....