@gastricgastric schrieb am 06.07.2017:Den tierversuch abzuschaffen dauert nur länger. Nicht, weil die alternativen nicht heute schon vorhanden sind, sondern weil es verdammt nochmal mindestens 10jahre dauert, bis eine alternative als alternative anerkannt wird und genuzt werden darf. Die aktuelle medikamentenforschungsmethoden hängen im schnitt 10jahre hinter neuen erkenntnissen, die das ganze effizienter und sicherer machen könnten. Wir führen keine tierversuche durch, weil es nicht anders geht, sondern weil wir noch nicht anders dürfen.
Dass wir noch nicht anders dürfen hat zumindest im Falle des Organchips auch einen guten Grund:
Er befindet sich noch in der Entwicklungsphase, was wir beide letztendlich nach langem Hin und Her gemeinsam herausgefunden haben.
:)Und falls du jetzt behaupten solltest, du hättest von Anfang an nichts anderes geschrieben, dann möchte ich dich darauf hinweisen, dass ich mich ursprünglich nur deswegen in die Diskussion eingeklinkt hatte, weil durch deine Aussagen der Eindruck entstand, das sei alles bereits längst möglich, um Tierversuche zu ersetzen und nur eine schwerfällige Bürokratie würde diesen vermeintlich sinnvolleren Alternativen zu Tierversuchen im Wege stehen...
gastric schrieb am 09.06.2017:Es gibt den multiorganchip, der quasi einen menschlichen organismus simuliert. Geplant sind da eine vernetzung bis zu 10 und mehr organen. Aktuell gibt es ihn mit 4. Simulationen, invitro, ein menschliches funktionierendes immunsystem in cent größe nachgebaut und vieles vieles mehr.
Beitrag von gastric (Seite 135)Eine schwerfällige Bürokratie gibt es zwar tatsächlich, nur betrifft das in erster Linie die immer restriktiveren Genehmigungsverfahren für neu beantragte Tierversuche.
Aber du musstest am Ende zugeben, dass nicht etwa Behördenwillkür die Einführung eines 4-Organ-Chips als Tierversuchsalternative verhindert hatte, sondern einzig und allein dessen fehlende Marktreife, um großflächig und vor allem auch zuverlässig zum Einsatz zu kommen.
Schließlich würde es vor allem für die Herstellerfirma ein enormes Risiko bedeuten, einfach ein halbgares Produkt auf den Markt zu werfen. Und ohne Publikationen in peer reviewed papers in denen der erfolgreiche Einsatz des Teils belegt ist, würden sich ohnehin keine Abnehmer für Anwendungen in großem Maßstab finden lassen, z.B. für High-Throughput-Screenings in der Pharmaindustrie. Nebenbei bemerkt, werden letztere schon jetzt fast gänzlich ohne Tierversuche durchgeführt.
Wikipedia: Hochdurchsatz-ScreeningWie am Beispiel mit den Organchips gezeigt, hängt die aktuelle Medikamentenforschung also sicherlich nicht nur wegen gesetzlicher Richtlinien bzgl. Tierversuchen "mindestens 10 Jahre" hinter neuen Erkenntnissen zurück.
gastric schrieb:Der 4-organchip ist seit ca. ende 2014 soweit fertig. Soweit ich mich richtig entsinne, wurde er irgendwann 2015/2016 in die ersten forschungen einbezogen. Mit ersten ergebnissen ist also auch erst frühestens dann zu rechnen. Nen paper zu schreiben dauert auch nochmal, das einreichen und die evtl notwendigen korrekturen sind auch nocheinmal ein zeitaufwand. Die veröffentlichung ist meistens ein halbes jahr nach erfolgreichem einreichen und annehmen des papers. Soweit rechnerisch könnten ca ende 2017/2018 erste offizielle publikationen auftauchen, sofern publikationswürdige ergebnisse dabei rausgesprungen sind.
Du schreibst, der 4-Organ-Chip sei bereits "Ende 2014 soweit fertig" gewesen, dass aber erst "2017/2018 die ersten Publikationen" auftauchen könnten. "Rein rechnerisch."
Das sind immerhin gut 13 Jahre!
Aber wo genau haben in diesen 13 Jahren gesetzlich vorgeschriebene Tierversuche die Entwicklung verzögert?
Vor allem sehe ich auch überhaupt keinen Grund, warum in Zukunft gesetzlich vorgeschriebene Tierversuche den Einsatz der 4-Organ-Chips verzögern sollten, weil sie wohl in erster Linie für die Grundlagenforschung konzipiert wurden und dort Tierversuche ersetzen könnten, wo sie überhaupt nicht zwingend vorgeschrieben sind, z.B. irgendwo zwischen den bereits erwähnten und gut etablierten High-Throughput-Testverfahren und gesetzlich vorgeschriebenen, präklinischen Versuchen an Tieren.
gastric schrieb:Wenn ich tieren ätzende substanzen ins hirn spritze, um ähnliche verkalkungen zu erzeugen, wie sie beim menschen auftreten, dann würde ich dies nicht als einen natürlichen prozess ansehen. Der grund ist ein anderer, die symptomatik ähnlich.
Es ist völlig irrelevant, ob der Grund für die Ausbildung ähnlicher Symptome wie bei Alzheimer "künstlich" oder "natürlich" hervorgerufen wird, weil es in der medizinischen Grundlagenforschung überhaupt nicht darum geht sämtliche ungelösten Fragen zu einer schwer durchschaubaren Erkrankung wie Alzheimer mit einem Geniestreich in einer einzigen Versuchsreihe zu beantworten und dafür den Nobelpreis zu bekommen. Sowas ist zwar möglich aber sehr, sehr selten.
Stattdessen versucht man weltweit und in unterschiedlichen Forschergruppen nach und nach zuweilen winzigste Detailfragen zu klären und die experimentell erzielten Antworten gleichsam wie zu einem immer deutlicher werdenden Puzzlebild zusammenzusetzen.
Ob ein Versuch sinnvoll ist oder nicht, hängt dabei nicht von irgendwelchen subjektiven Definitionen von "natürlich" oder "künstlich" ab, sondern nur davon, ob ein bestimmter Versuchsaufbau dazu geeignet ist, eine ganz bestimmte Wissenslücke zu schließen oder einen Verdacht zu bestätigen. Manchmal liefert ein Versuch auch Antworten zu Fragen, die man vorher überhaupt nicht auf den Schirm hatte oder es kommt das genaue Gegenteil von dem heraus, was man eigentlich erwartet hatte. Solange man sich sicher ist keine Fehler gemacht zu haben, kann aber auch dies interessante, neue Forschungsansätze zur Folge haben.
Kurz:
Es kommt immer auf die jeweilige Fragestellung an, ob ein Versuch sinnvoll ist oder nicht und wie die gewonnenen Daten anschließend zu bewerten sind. Eine Pauschalantwort zu treffen, im Sinne von "Tierversuche sind aussagekräftiger" oder "In-vitro-Methoden mit humanen Zellen sind aussagekräftiger" ist deswegen ziemlicher Unfug..
Zum Spritzen von ätzenden Substanzen ins Hirn, um "ähnliche Verkalkungen wie bei Alzheimer" zu erzeugen wäre übrigens eine Quelle nicht schlecht. Die Alzheimererkrankung hat nämlich kaum was mit "Verkalkung" zu tun. Deswegen ist mir auch nicht so ganz klar, wie man "ähnliche Verkalkungen" durch Injektion "ätzender Substanzen ins Hirn" erzeugen will. Ich will zwar nichts ausschließen, aber das Ganze klingt mir dann doch ein wenig zu sehr nach PETA-Sprech.
gastric schrieb:Du hättest auch einfach grundlagenforschung schreiben können :D
Ja klar. Da hast du natürlich recht!
Aber ich wollte damit eigentlich nur
@Atrox ein wenig entgegenkommen...
Atrox schrieb:Die medizinische Forschung an sich würde ich auch gerne von der Grundlagenforschung abgrenzen, da schon ein starker Anwendungsbezug da ist. Echte Grundlagenforschung findest du meiner Meinung nach in den Naturwissenschaften.
...wobei ich nach nochmaliger Überlegung seiner Aussage doch ein wenig widersprechen würde. Aber das würde jetzt wohl endgültig zu weit führen.
Zum Abschluss hätte ich gerne auch noch eine Quelle für deine Behauptung, es gäbe aktuell ein komplettes menschliches Immunsystem in Centgröße.
:D