Menschen ohne festen Wohnsitz und...
05.09.2010 um 14:21
@ all.
Puh, das aus meinen Eingangsbeitrag so eine gegensätzliche Diskussion entsteht, hätte ich nicht erwartet, aber allein dieser Umstand zeugt davon, das viele Menschen bereit sind, sich mit dieser Thematik zu beschäftigen.
" In der heutigen Zeit muß niemand auf der Strasse nächtigen" - diesen Satz hört man sehr oft, meist von Nichtbetroffenen. Von Nichtbetroffenen, die leider kaum Einblick in die "gegebenen Übernachtungsmöglichkeiten haben."
Das die zuständigen Betreiber solcher Übernachtugsstätten keine Volltrunkenen in ihre Gemächer dulden, versteht sich von selbst - Angst vor Auseinandersetzungen unter den Gästen soiwe Angst vor Vandalismus sind berechtigte Gründe für diese Sanktionen ( dazu gehört auch das Mitbringen von Alk ect. )
Das ist sicherlich ein Grund, warum es viele vorziehen zumindest in den Sommermonaten
" draußen" zu nächtigen.
Ein weiterer, meist weniger bekannter Grund ist die Angst vor Diebstahl der wenigen Habseeligkeiten, die die meisten noch besitzen. Diese Angst ist in vielen Fällen begründet, da die betreffenden Häuser ( aus Geldmangel ) meist nur mit dem Allernötigsten ausgestattet sind.
( z.B. große Schlafräume mit Etagenbetten - ohne Verschlußmöglichkeiten für die persönliche Habe ). Sicherlich ist es nicht möglich und nötig, solche Kurzzeit-Unterkünfte wie Hotels auszustatten, aber Einzelbeispiele aus meiner Erfahrung zeigen, das es mit einfachsten und geringsten Mitteln auch anders ginge.Dies kann man sicherlich nicht verallgemeinern, pauschal auf ganz Deutschland übertragen...
Die Problematik " Welchen Menschen helfe ich wie, únd welchen nicht" ist schwerlich zu beantworten, das muß wohl jeder, der bereit ist zu helfen, selbst entscheiden. Alles den staatlichen Institutionen ( soziales Netz ) zu überlassen ist wohl die erste Möglichkeit, die einen in den Sinn kommen kann, den dafür sind ja solche Einrichtungen auch gemacht...oder?
Wieviele der Obdachlosen - egal wie lange sie schon " Platte" machen letztendlich wieder zurück in ein bürgerliches Leben möchten, lässt sich wohl kaum exakt ausdrücken, aber ich wage zu behaupten es sind mehr als die meisten glauben, auch " Langzeit-Tramps" gehören dazu.
Leider spielt bei diesen - wenn nicht bei Allen " Umständen, die dazu geführt haben" der Alkoholismus eine tragende Rolle. Argumente wie " wer wirklich mit dem Saufen aufhören will, der schafft es auch" mögen in Enzelfällen zutreffen, betrifft aber nicht die große Masse der Betroffenen. " Interessant" fnde ich in diesen Zusammenhang die Bemerkung, die vor wenigen Jahren ein hoher Bediensteter einer " zuständigen" Behörde UNTER VIER AUGEN mir gegenüber machte: " Warum sollen wir solchen Menschen noch helfen? Wenn einer lange Jahre nur auf der Strasse gelebt und gesoffen hat, ist jeder investierte Betrag umsonst, weil die es eh nicht schaffen, solche Menschen stellen KEINEN WIRTSCHAFTLICHEN WERT MEHR DAR."
Im weiterführenden Gespräch rechnete er mir vor, was z.B. eine Langzeit-Therapie für einen Schwerst-Alk-Abhängigen mit anschließender mehrmonatigen Nachbetreuung und Wiedereingliederung ins Berufsleben kosten würde, im Gegensatz dazu kam die Aufrechung, was besagter Mensch ( das gegebene Rückfall-Riskio mit allen dazu gehörigen Begleit-Umständen immer im Hinterkopf > Arbeitsplatz ect. ) letzt-endlich noch in die Sozialkassen einzahlen würde.
Ich habe während unserer Abeit im Laufe der letzten Jahre auch viele getroffen die sich mit ihren Schicksal abgefunden haben, die, wie mir nach vielen intensiven und zum Teil sehr persönlichen Gesprächen klar geworden ist, wirklich nicht mehr " zurück" wollen.
Die Motve für diese Entscheidung sind genauso unterschiedlich wie die " Betroffenen" selbst - fängt an bei haushohen Schulden ( wozu soll ich noch arbeiten gehen - hätte doch eh nichts davon ?" ) bis hin zu - so unglaublich es klingen mag - Menschen, deren Freiheitsideal sich in dieser Lebenswirklichkeit manifestiert hat. Einen Grund, solchen " Obdachlosen" NICHT zu helfen, wenn sie Hilfe benötigen bzw. danach fragen - sehe ich persönlich allerdings keinen.
Bargeld zu geben, wenn jemand augenscheinlich bettelt, ist wohl nur die schnellste ( um nicht zu sagen " bequemste" ) Art zu "helfen".
Wer sicher gehen möchte, das seine Kohle nicht versoffen wird, kann diese ja z.B. in die Obdachlosenzeitung investieren, wenn eine solche in der Stadt angeboten wird. Auch freuen sich gemeinnützige Träger von Übernachtungsstätten im Regelfall über sinnvoll ausgesuchte Sachspenden, und wenn es nur die nicht mehr getragenen, ausrangierten Klamotten sind. Macht man sich die Mühe, diese direkt dort abzugeben, hat man zumindest den negativen Beigeschmack weg, das diese Sachspende nicht über "dunkle Kanäle" zu zu Geld gemacht werden.
Solche " Aktionen" bedürfen meist nur einen Anruf, und anstelle der Fahrt zum nächten
" Altkleider-Sammelcontainer" eventuell ein paar Kilometer mehr zu besagter Einrichtung.
Zum Schluß noch mein angekündigtes, zweites Schicksal - in Kurzform.
Person, männlich - Alter 67 / körperbehindert, erkrankt am Thorett-Syndrom -Ticks äußern sich in lautstarken Äußerungen auf niedrigsten Sprach-Niveau ( " Fäkal-Sprache" )
Der Mann ist hochgebildet, hatte vor Ausbruch der Krankheit eine hohe Stellung in der Pharma-Industrie - erlebte dan den " klassischen Absturz" -krankheitsbedingter Jobverlust - Ehe ging deshalb in die Brüche - letzt-endlich landete er auf der Strasse.
Er trinkt nicht ( zumindest ist dies nicht bekannt ) und bettelt auch nicht. Lebt gewollt auf der Strasse, meidet Unterkünfte ( aus bekannten Gründen, sowie wegen seiner Krankheit )
Obgleich äußerlich nicht unbedingt anziehend, haben schon viele in der Stadt die Erfahrung gemacht, das es eine Freude sein kann, sich mit diesen Menschen zu unterhalten.
Ihn selbst wiederrum geben solche Gespräche " einen Sinn, am Leben zu bleiben".
In einer der großen Buchhandlungen unserer Stadt ist er so bekannt ( und mittlerweile auch geschätzt ) das er von dort Unterstützung bekommt. Erstmal " rausgeputzt" mit frischer Kleidung und allen was dazu gehört hält er - soweit es sein Krankheit zulässt - mehrmals im Jahr Lesungen.
Wohl wissend, das ich mich mit folgender Bemerkung weit " aus dem Fenster lehne", wage ich zu behaupten, das jeder von Uns ein gewisses, kleines Maß an sozialer Verantwortung in sich tägt
( und damit meine ich nicht nur das " schlechte Gewissen" - das ich alljährlich zur Wehnachtszeit einstellen kann ) - und wenn man gewillt ist, diese " Veranwortung" im kleinsten Maße "Rechnung zu tragen", würde sich vielleicht auch ein Weg dahin finden lassen.
Zitat von RuhigerMieter:
"Eine sehr große Anzahl der sog. "Penner" sind, falls man sich mal die Mühe macht und sich mit dieser Problematik persönlich beschäftigt, wesentlich häufiger NICHT-Asoziale; sondern sind durch unterschiedliche Schiksalsschläge (die jeden treffen könnten) aus der Bahn geworfen worden. Sehr oft Trennung von Partner/Familie. Dazu gibt es psychisch kranke Menschen, die von Familie und Staat ihrem Schiksal auf der Straße überlassen werden... jedenfalls sind es Menschen wie Du und ich."
Richtig.
Gruß Agar