Wenn einfach nur nett zu sein zum Problem wird...

Kephalopyr schrieb:Ja, ich habe mit ihm gesprochen und er meinte, er versteht das absolut, dass man auch mal Zeit für sich möchte. Es ist ja nicht nur er, sondern momentan tatsächlich alle meine Mitmenschen, die ich kenne. Ich merke, dass ich zu oft am Handy hänge, immer irgendwie auf Abruf bin. Da wird man doch bekloppt!

Kephalopyr schrieb am 15.04.2023:goldenerReiter schrieb:
hört sich für mich fast so an als wäre deine Mutter seit deiner Kindheit Teil deines Problems....
Ich weiß es nicht, aber belassen wir es dabei. Irgendwann sollte man mit der Vergangenheit vielleicht einfach mal versuchen abzuschliessen.

Kephalopyr schrieb am 15.04.2023:Unterstützung ist sicher nicht schlecht, nur leider ist es aktuell nahezu unmöglich zeitnah irgendeine Hilfe zu erhalten. Ich hätte echt gern mal einen Coach oder Psychotherapeuthen, der mir gezielt bei diesem Problem hilft. Doch es dauert mindestens mehrere Monate, ehe man mal ein Vorgespräch erhäl

Ich kenne Dich zwar nur von diesen paar Seiten hier, aber wenn ich das so Lese mache ich mir fast Sorgen um Dich.
Deine Schwierigkeiten "Nein" zu Sagen kenne ich nur zu Gut. Schön dass Du es selbst siehst, das ist ein Anfang. Wobei ich denke das die hier geschilderte Situation mit "Nein"-Sagen wahrscheinlich nicht die einzigste dieser Art in Deinem Leben sein könnte.
Mich hat diese Verhaltensweise damals in eine chronische Krankheit gebracht. Heute sage ich: Alleine wäre ich da nicht mehr herausgekommen, bzw. ich nehme Heute immer noch Therapeutische Gespräche war. Deshalb wäre mein Rat: Such Dir einen Therapeuten aus, vereinbare einen Termin, auch wenn es ein Halbes Jahr dauert darauf zu Warten. Denn ich glaube auch bis dahin wird Dich das Thema beschäftigen. Vielleicht steckt ein Trauma dahinter? Wohl kaum das es ausreicht wenn Dein Nachbar nun meint zu verstehen das Du Zeit für Dich brauchst. Dafür hat er Dich schon zu arg als Tochter"ersatz" verinnerlicht.
Überhaupt bin ich der Meinung das Du hierbei von der doch ausgeprägten Sichtweise auf Ihn - willst Ihn nicht verletzen - nimmst Rücksicht... - abkommen solltest und den Fokus auf Dich setzt.
Dieses nicht "Nein"-Sagen können, war mein - ich nenne es Schattenkind. Es hat eben mit meiner Kindheit zu tun. Das hatte sich so jahrelang verinnerlicht - es war normal, es nützte vordergründig ja auch - das ich den Blick aus meinem "Erwachsenen"-Ich gar nicht einsetzen konnte. Das wurde hier aber schon angesprochen, so richtig drangehen magst Du aber noch nicht.
Denke nicht darüber nach ob Du ein Recht hast Nein zu sagen, überlege eher was dem anderen das Recht geben würde darauf beleidigt oder enttäuscht zu sein. Vernünftige Argumente, und das weißt Du ja auch, hast Du ja.

Liebe Grüße

Hallo liebe Kephalopyr,

Ich kann dein Problem soooo gut verstehen. Es fällt mir auch unglaublich schwer nein zu sagen und standhaft hinter meinen Grenzen zu sein. Mich hat es vor allem gestört, wenn ich nein gesagt habe, habe ich mich danach genauso schlecht gefühlt, als hätte ich ja gesagt. Sage ich ja zu etwas was ich nicht möchte, verletzte ich evtl. Mein Gegenüber, und habe ein schlechtes Gewissen.

Ich habe lange Zeit darüber nachgedacht, woher das kommen könnte. Bei mir hat das etwas mit meiner Kindheit zu tun. Meine Eltern hatte viele Erwartungen, wie ich mich zu verhalten habe. Dazu gehörte auch, zuerst an andere (ins besondere an die Wünsche und Bedürfnisse meiner Mutter) zu denken. Wenn ich etwas nicht wollte, und nein gesagt habe wurde entweder so lange diskutiert, bis ich nachgegeben habe oder ich wurde mit Liebesentzug bestraft.

Gerade als Kind war das für mich schlimm, weil ich gelernt habe eigene Bedürfnisse zurückzustellen.
Als Erwachsene habe ich aber langsam gelernt, dass wenn ich selber nicht auf meine Bedürfnisse Rücksicht nehme, dann tut es keiner. Ich denke mir bei meinen Endscheidungen häufig, dass ein ja zu jemand anderen kein nein zu mir bedeuten darf. Ich habe mir angewöhnt, wenn ich nein sage, dass ich keinen Grund angebe. Wenn ich meinem Gegenüber eine Erklärung gebe, dann wird man schneller in eine Diskussion verwickelt, und man muss sich rechtfertigen. Dein Gegenüber kommt mit Argumenten, du sucht nach Gegenargumenten und das geht so lange, bis einer nachgibt.

Wenn mich jemand frägt, ob wir uns treffen, und ich habe auf die Person einfach keine Lust, dann sage ich nur noch: "Tut mir leid, da habe ich keine Zeit" sollte sie nachfragen antworte ich dann nur, dass ich schon etwas geplant habe. Punkt keine weitere Erklärungen.

Meiner persönlichen Erfahrung nach, darf man gerne auch nett sein, es erleichtert doch vieles, aber man darf deshalb nicht harmlos sein, so dass Menschen den Respekt verlieren. Seid also nett, aber "gefährlich" und widerstandsfähig, dann dürfte nicht viel schief gehen im zwischenmenschlichen Umgang.

@Kephalopyr
Ich hatte dieses Problem vor allem gegenüber meiner Familie, wodurch ich überfordert wurde und früh eine chronische Schmerzkrankheit entwickelte.

Gerade jetzt, wo ich besonders große Schmerzen habe, muss ich notgedrungen sehr rigide werden, wenn meine Grenzen nicht eingehalten werden. Ich musste es lernen, aus Selbsterhaltung.

Sei doch einfach mal bewusst " nicht nett". Du hast ein Recht auf Deine Ecken und Kanten.Oder soll Dein Ärger wirklich psychosomatisch Schaden an Deiner Gesundheit anrichten?

Ich tu mir auch oft schwer, nein zu sagen, aber ich hab es mittlerweile gelernt. Und wenn ich eine Absage zu einer Einladung oder dergleichen erteile, beginnt die immer: Du, echt lieb von dir, aber nein danke...

Ich denke, jeder Mensch versteht es, wenn man zu manchen Dingen nein sagt. Es kommt eben immer drauf an, wie man seine Absage gestaltet und in welchem Ton man sie vorbringt. Bleibt man höflich und nett, wird einem da auch sicher niemand böse sein. Und wenn doch, dann will ich zu so jemandem ohnehin keinen Kontakt mehr.

Du bist bestimmt auch nett, @Kephalopyr , wenn du mal nein sagst.
Keiner sollte sich verbiegen, um den Anderen gefällig zu sein.

Beim nächsten Mal einfach nein sagen, weil... oder tut mir leid, aber...
wenn dir danach ist.