Sterntänzerin schrieb:Zu meiner Schulzeit wurden meine Diskussion jedenfalls noch geführt, ohne dass meine Lehrer ihre eigene politische Meinung explizit mit hinein gemischt haben. Obwohl sie die mitunter ziemlich ausgeprägt hatten - wenn man in einer Kleinstadt zur Schule geht und drumherum sonst auch nur kleine Dörfer sind, fällt es eben auf, wenn man Lehrern vor Wahlen an Infoständen begegnet oder ihre Gesichter gar auf Wahlplakaten verewigt wurden. Gerade die Lehrer, die Fächer wie Sozialkunde, Geschichte oder Ethik unterrichtet haben, haben sich da zurückgehalten.
Wenn ich da so auf meine Oberstufenzeit im beschaulichen Königreich äh Freistaat Bayern zurückblicke, so offenbart sich mir da erstaunliches:
Eine grosse Mehrheit unserer Lehrer sympathisierte offen mit der CSU. Nicht wenige waren Mitglieder. Man lernte dennoch ganz und gar unpolitisiert Englisch oder Latein oder sogar Mathematik. Oder man versagte in Mathematik, auch ganz ohne parteipolitischen Hintergrund.
Und dann passierte es: ausgerechnet mein Jahrgang erhielt zwei ganz neue Lehrer zugeteilt. Absolventen hiesiger Universitäten. Mit beachtlich guten Noten. Nur: die waren so ganz anders!
Mein Lateinlehrer brachte es auf den Punkt: Er sagte einmal "wenn ihr Revolution lernen wollt, dann geht zu dem R." Der "R." musste ein Revoluzzer sein. Er hatte lange Haare!!!! Er hatte den Kriegsdienst verweigert. Er gehörte den Jusos an. Igittigitt. Und er war der beste Deutschlehrer, den ich an der Schule je hatte.
Und der andere erst mal. Wie der durch den bayerischen Verfassungsschutz kam weiss ich nicht. Der hatte, so seine Selbstauskunft, als Student bei Demos der DKP (Deutsche Kommunistische Partei) mitgemacht. Er vertrat auf der obligatorischen Klassenfahrt nach West-Berlin auch die Meinung, die Menschen in der "DDR seien glücklicher." Was unseren Lateinlehrer zu weiteren lustigen Sprüchen über die "Sozen" im Lehrkörper verleitete: "Der S., der könnte ja in sein sozialistisches Paradies ziehen, aber da kriegt er keine 5000 DM im Monat." Man frozzelte sich an. Man wusste voneinander.
Und? Niemanden hat es aufgeregt. Und vor allem: obwohl diese beiden Lehrer, der R. und der S. die schuleigene 5. Kolonne der Komintern gewesen sein müssen (hier müssen die Jüngeren mal das Geschichtsbuch heraussuchen) - ich bin kein Kommunist geworden.
Obwohl S. sogar in einem Kurs einmal das Thema: "Argumente für die Kriegsdienstverweigerung" durchnahm, gingen 2/3 der Jungs bei uns zur Bundeswehr.
Die kommunistische Weltverschwörung seitens der Lehrer scheiterte an unserem Gymnasium kläglich - weil wir Schüler schlau genug waren, uns unsere eigene Meinung zu bilden. Und das war ja auch Ziel der Schule gewesen.
Ich bin den beiden Lehrern heute noch dankbar für die Kenntnisse, die ich in Deutsch in ihren Kursen gewonnen habe. Und meinem Lateinlehrer, CSU Mitglied, für die zig Seiten lustiger Sprüche über die "Sozen," die wir in der Abizeitung veröffentlicht haben.
Traut doch den Kindern a bisser'l was zu.
Ach so, "drüben" war's doch auch nicht anders. All die super-linientreuen SED Lehrer haben die deutsche Revolution 1989 auch nicht verhindert.