Wunsch ohne Beistand zu sterben

Ich glaube, das gehört zu den Dingen, die man vorher gar nicht richtig entscheiden kann - wenn ich das jetzt festlegen müsste, würde ich meinen Angehörigen die Entscheidung überlassen: Wenn sie dabei sein wollen, weil es ihnen wichtig ist, dann sollen sie das machen; wenn sie das aus irgendeinem Grund nicht möchten, dann sollen sie es lassen. Ich hab immer alles allein gemacht im Leben. ;) Aber natürlich kann es sein, dass man es ganz anders sieht, wenn man konkret in der Situation ist und man sich dann doch wünschen würde, dass jemand da ist. Schriftlich festhalten wollen würde ich das nicht unbedingt.

Interested schrieb:Ich behaupte mal, dass auch all jene, die hier hypothetisch über den Tod, ihren eigenen Tod reden, - ALLE eigentlich am Leben hängen.

Warum sollte man auch nicht am Leben hängen? Nur weil man sich mit etwas beschäftigt, dass für jeden von uns unausweichlich ist?

Interested schrieb:Und ich behaupte weiterhin, dass jeder in der Stunde seines Todes - ob aus Krankheit, Unfall, sonst ein Umstand - Angst hat. Auch Angst vor dem Alleinesein, der Endlichkeit des Lebens.

Angst habe ich in dem Zusammenhang eher davor lange leiden zu müssen.
Vor der Endlichkeit des Lebens habe ich keine Angst, da es eh nicht zu ändern ist. Ob ich nun mit Angst gehe oder ohne ändert ja an der Tatsache nichts, dass ich gehen muss.
Angst vor dem Alleinsein hängt wohl von jedem Menschen selbst ab. Wenn jemand es auch in seinem Leben schwer ertragen kann über mehrere Stunden nicht allein sein zu können, wird beim Sterbeprozess die Angst vor dem Alleinsein eher nicht eine so große Rolle spielen.

Interested schrieb:Vielleicht ein kleiner Denkansatz an all jene, die alleine oder mit Fremden sein wollen, den Hinterbliebenen damit auch einen Abschluss zu ermöglichen - für ihr eigenes Seelenheil.

Da muss ich leider offen und ehrlich zugeben, dass ich da eher egoistisch denke. Wenn ich mich sogar bei meinem eigenen Sterbeprozess nur danach richten soll es anderen recht zu machen ist das nicht wirklich ein toller Gedanke.

@Wanda1981
@ All
Habe für mich persönlich festgestellt, das der Wunsch nach Beistand oder auch nicht, in Krankenhäusern nicht unbedingt respektiert wird. Außer man ist rund um die Uhr bei dem Sterbenden, aber wer kann das schon, wenn er noch andere Verpflichtungen hat. Und ist auch nicht unbedingt gerne gesehen. Außer vielleicht auf einer Privatstation.

Selbst erlebt. Meine Mutter starb, ohne das ich Abschied von ihr nehmen konnte, obwohl ich es wollte. Man hat mich erst angerufen, nachdem sie verstorben war. Sofort ins Krankenhaus, das Bett war schon leer und sie in der Kühlkammer. Ganz lapidar erklärte mir die Ärztin, sie hätte beim Frühstück einen schweren Schlaganfall bekommen und wäre daran verstorben. Dann noch zur Beruhigung, soll mir keine Sorgen machen, sie hätte einen schönen Tod gehabt. Musste ich ja glauben.

Egal, was schriftlich oder mündlich erwünscht wird, das Krankenhaus ist nicht gesetzlich verpflichtet, diesem Wunsch zu entsprechen, außer vielleicht aus moralischen Gründen den Angehörigen gegenüber, wenn da mal Pfleger es so empfinden sollten. Es gibt die noch, aber mittlerweile seltene Exemplare.

Auch wenn du ohne Beistand sterben möchtest, musst du die Pfleger rund um die Uhr auch verscheuchen, die dir Beistand geben möchten, wenn du dazu noch fähig bist. Letztendlich ist man denen ausgeliefert.

AgathaChristo schrieb:Auch wenn du ohne Beistand sterben möchtest, musst du die Pfleger rund um die Uhr auch verscheuchen, die dir Beistand geben möchten, wenn du dazu noch fähig bist. Letztendlich ist man denen ausgeliefert.

Also bei den Krankenhäusern in unserer Region hätten die Pfleger, selbst wenn sie dies wollen würden, keine Zeit dafür.

AgathaChristo schrieb:Egal, was schriftlich oder mündlich erwünscht wird, das Krankenhaus ist nicht gesetzlich verpflichtet, diesem Wunsch zu entsprechen, außer vielleicht aus moralischen Gründen den Angehörigen gegenüber, wenn da mal Pfleger es so empfinden sollten.

Eine Patientenverfügung ist (soweit konkret genug verfasst) seit September 2009 rechtlich bindend.
Aber nicht allein für die Ärzte, sondern auch für die Angehörigen finde ich eine vorhandene Patientenverfügung wichtig, schon allein um den Angehörigen schlimmstenfalls zu ersparen ganz allein eine Entscheidung treffen zu müssen.

@Alarmi ja ich ging selbstverständlich davon aus, dass man alleine gelassen würde.

@Wanda1981

Eine Patientenverfügung ist (soweit konkret genug verfasst) seit September 2009 rechtlich bindend.

Text

Das wusste ich nicht. Nach meinem Wissen war das vor 2009, als ich Schwesterhelferin-Kursus absolvierte. Ein Richter, der uns theoretisch unterrichtete, erklärte uns einen Fall. Ein 86jähriger Mann war im Krankenhaus schwer gestürzt und wollte keine Behandlung mehr, was er in seiner Patientenverfügung auch erklärt hatte. Der Arzt wiedersetzte sich dem und gab an, das er sich verpflichtet fühlte, den Mann per Hubschrauber in ein Unfallkrankenhaus verbringen müsste, wo er dann allerdings verstarb.
Denke, letztendlich hat der Arzt das Hoheitsrecht, Menschenleben zu erhalten, schließlich haben die einen Eid darauf geschworen. Stelle mir das auch für Ärzte schwierig vor, da nichts mehr machen zu dürfen, weil der Patient nicht mehr behandelt werden möchte?
Und was die Patientenverfügung anbelangt, sollte man die unbedingt mit einem Arzt seines Vertrauens besprechen. Es sind wohl nur wenige, die das machen?

Nur Mal als Denkanstoß!

Wir haben meinen Großeltern ermöglicht in den eigenen vier Wänden zu sterben, sprich ich hab gesehen und mitgefühlt was dieser Sterbeprozess bedeutet (bin kein Freund vom Sterben im Krankenhaus, da ich die Atomsphäre dort einfach viel zu klinisch empfinde!), sprich ich weiß wie und was dann eventuell doch als Beistand/Begleitung notwendig ist (siehe Mundbefeuchtung).

Ich habe damals gesehen, dass Sterbende durchaus auch dankbar sind, wenn sie spüren in den letzten Zügen nicht alleine zu sein, wobei es schon eine Gradwanderung darstellt was Nähe und Zuwendung betrifft, zu arges Umtüteln kann den Prozess das Leben los zu lassen auch erschweren, da ist dann etwas Empathie gefragt, da sich der Sterbende eben auch irgendwann nimmer klar mitteilen kann, aber man merkt es an der Reaktion auf Berührung z.B., ob diese Nähe als angenehm, oder eventuell auch lästig empfunden wird.

Hospitze sind eine Alternative für die, die keine Angehörige mehr haben, oder für all die, deren Verhältnis zur Familie nicht unbelastet ist und die keinen Angehörigen beim Sterbeprozess dabei haben wollen.

Damals bei meinen Großeltern haben wir auch mit Duftlampen und angenehmer Musik versucht die Atmosphäre so warm, harmonisch und ruhig wie möglich zu gestalten und bei beiden sah man dass die Mundbefeuchtung als angenehm empfunden wurde, die Mundschleimhäute trocknen nämlich recht schnell aus und werden rissig, sprich der Sterbende hat dann auch eher Schmerzen, wenn daran nicht gedacht wird!

@AgathaChristo

AgathaChristo schrieb:Denke, letztendlich hat der Arzt das Hoheitsrecht, Menschenleben zu erhalten, schließlich haben die einen Eid darauf geschworen. Stelle mir das auch für Ärzte schwierig vor, da nichts mehr machen zu dürfen, weil der Patient nicht mehr behandelt werden möchte?

Nein. Man kann als Patient eine Behandlung verweigern.
Eine Behandlung setzt voraus, dass der Patient einwilligt.

Dafür gibt es ja u. a. auch die Patientenverfügung.
Wenn man seinen Willen nicht mehr äußern kann, dann springt sie ein.
Ist man aber bei Bewusstsein und kann sich äußern, dann gilt das, was man aktuell sagt und nicht die Patientenverfügung.

@AgathaChristo
In der Situation, welche Du beschrieben hast, könnte ich mir vorstellen, dass eine Patientenverfügung keine Gültigkeit hat. Dies einfach aus dem Grund (soweit es aus Deinem Beispiel herauszulesen war), dass es nicht um eine konkrete Behandlungsmaßnahme wie z. B. künstliche Ernährung, künstliche Beatmung usw. ging, sondern nur um eine Weiterleitung an entsprechend spezialisierte Ärzte.


Wer sich etwas eingehender mit dem Thema Patientenverfügung beschäftigen möchte, hier mal der Link zur Infobroschüre des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz:
https://www.bmjv.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Patientenverfuegung.pdf?__blob=publicationFile&v=12

@ruku
Patientenverfügung verfassen, wenn man noch gesund und munter, ist ja erstmal nur Theorie und von der Praxis weit entfernt. Wobei die Einstellung dazu sich im Laufe des Lebens durchaus sich noch ändern kann. Im Alter kann man noch richtig gottgläubig werden und abwägen wollen, ob man es nicht dem Schicksal überlässt, wie, wann und wo man stirbt.

@Wanda1981
Der einzige Punkt, der mir Kopfzerbrechen macht, ist die Tatsache, ob genug Schmerz-Betäubungsmittel im Budget von jeweiligen Stationen/Krankenhäusern vorhanden sind, um das Sterben zu erleichtern.

Hab da so ein Schlüsselerlebnis. Lag auf der Urologie und hatte mörderische Schmerzen, die so keiner richtig einorden konnte. Die Nachtschwester meinte, Schmerzmittel/Tropf wäre zur Zeit im Budget erschöpft. Bin durch die Flure gehechelt und drohte, mich vom Balkon zu stürzen. Da erbarmte sich ein Arzt und bekam einen Schmerztropf, oh, wie war ich dankbar. Nächsten Tag kam eine Psychologin und befragte mich. Als ich ihr sagte, dass ich wahnsinnige Schmerzen hatte, keinen Schmerztropf bekam, desshalb die Drohung aussprach, interessierte die das überhaupt nicht, als nur mir Psychotabletten gab, die ich aber nicht einnahm. Die hatten mir übrigens einen Katheder falsch gelegt, ohman!!
Kommt wohl immer auf das Krankenhaus und Personal an. Es gibt solche und sone, leider.

Meine Oma lag stundenlang im Sterben. Erst nach einem Telefonat mit ihrem Sohn (meinem Onkel) konnte sie gehen. Sie hatten damals Streit und scheinbar konnte sie nicht sterben, bevor das nicht geklärt war bzw. reden konnte sie, aufgrund eines vorhergehenden Schlaganfalles, sowieso nicht, aber er konnte beruhigend auf sie einreden.

Aufgefallen ist das nur, weil eine Krankenschwester sich wunderte, warum der Sterbeprozess (Omas Töchter waren anwesend) so lange dauerte.
Sie fragte, ob noch etwas Ungeklärtes im Raum stand, daraufhin wurde das Hotel meines Onkels (war damals im Urlaub) ausfindig gemacht und er rief irgendwann zurück.

Meine Mutter hat diesen Sterbeprozess garnicht gut verkraftet, sie hätte ihre Mutter lieber anders in Erinnerung behalten, war wochenlang von Albträumen geplagt.und sagte mir, sie wolle bei ihrem letzten Weg lieber alleine sein, um mir das nicht anzutun.


Ich selbst habe sehr viel Angst vor dem Sterben. Ich hoffe, es geht schnell. Darüber, ob ich gerne einen Beistand an meiner Seite hätte, habe ich mir nie Gedanken gemacht.

@Kältezeit
Ich hätte gerne einen Beistand und zwar meine Tochter. Haben wir schon besprochen und sie zugesagt. Aber ob das dann klappt, kann man leider nicht vorhersehen.
Habe keine Angst vorm Sterben, nur vom Sichtum. Da gibt es ja noch die Sterbehilfe, für alle Fälle, irgendwie beruhigende Aussichten, finde ich.

Das ist ein wirklich schwieriges Thema.. Durch meine Arbeit habe ich schon einige Menschen begleitet.

Ich denke es ist davon abhängig wie alt man ist, ob man krank ist (und wenn ja welche Erkrankung man hat) oder alt, wie die familienverhältnisse sind usw.
Nicht selten habe ich erlebt das Menschen sich während dem sterbeprozess um entschieden haben.

Ein Beispiel: Eine noch relativ junge Frau mit 43 Jahren, erliegt den Folgen ihres Bronchialkarzinoms.. Sie wollte unbedingt ihre Tochter dabei haben. An einem nachmittag teilte uns diese Dame mit das sie nicht mehr möchte das ihre Tochter sie begleitet und diese erst angerufen wird wenn es "vorbei" ist.
Ihre Tochter kam am nächsten Tag, wurde von ihrer Mutter über ihre neue Meinung aufgeklärt und war darüber geschockt.
Ein paar Tage später war es dann so weit.. Die Dame lag im Sterben. Uns Schwestern wollte sie dauerhaft bei sich haben, ihre Angehörigen jedoch erstmal nicht. Die junge Frau musste relativ lange kämpfen und wollte scheinbar doch nicht ganz alleine gehen, denn als wir die Angehörigen benachrichtigen, die Tochter in das Zimmer der Frau ging konnte sie endlich einschlafen.

Das alles klingt zwar komisch, so ist es allerdings wirklich öfter als man sich das so vorstellen kann..

@Wanda1981

Wie kams du denn zu dieser Entscheidung?

Ich selbst würde es nicht wollen, Frage mich nur wie es dazu kommen kann. Mein Schwiegervater in spe starb vor einem Monat. Er wollte komplett alleine sein bzw. Meine Freund nicht im Krankenhaus dabei haben. Anonyme Beerdigung. Er starb an einem Krebsleiden, 1 Jahr nach der Diagnose. Mit 46.

Verstehe nicht wie man, gerade in dieser Situation, alleine sein möchte.

@Wanda1981

Bei der Frau von der ich erzählt habe war es dann einfach so das sie nicht leidend gesehen werden wollte von ihren liebsten. Am Ende wollte sie dann doch nicht alleine sein..

Wie gesagt am Anfang wollte sie unbedingt ihre Tochter bei sich haben..

Aber ich habe auch schon Menschen gesehen die einfach alleine sterben wollten um sich nicht endgültig verabschieden zu müssen.

@warmerfebruar
@Mary_Lu

Nicht leidend gesehen zu werden spielt zwar in meine Entscheidung auch mit hinein, ist aber nicht der ausschlaggebende Grund dafür.
Viel mehr liegen die Gründe in meiner Persönlichkeit auch jetzt zu Lebzeiten.
Ich empfinde es generell eher als anstrengend mit Menschen zusammen zu sein und kann dies deshalb auch nur für einen begrenzten Zeitraum ohne total überfordert zu sein.
Gerade wenn es mir nicht gut geht (körperlich und emotional), mag ich niemanden bei mir haben, damit ich mich auf mich selbst konzentrieren kann, und nicht ständig davon abgelenkt werde wie man sich normalerweise in einer Situation verhalten sollte und dies dann nachzustellen.

Ich würde ein wenig - aber nur ein wenig! - pauschalisierend sagen:
Wenn man Menschen um sich hat, zu denen die Beziehung durch Liebe geprägt ist, wird man meistens nicht alleine sterben wollen, es sei denn man hat Gründe anzunehmen, dass das Sterben, der Sterbeprozess, schrecklich sein wird (körperlich und/oder emotional).
Vorausgesetzt, die Liebe ist auf beiden Seiten vorhanden.

Erst jetzt vor ein paar Tagen war ich als eigentlich "Fremde" der letzte Beistand für eine noch relativ junge Frau. Ich kannte sie schon seit 3 Jahren und war die letzte, an deren Hand sie sich klammerte. Ich war froh, dass sie nicht ganz alleine war als sie zwar absehbar aber dann doch relativ plötzlich starb. Schade nur, dass niemand aus ihrer Familie sie dabei begleitet hat.

Ganz allein ohne möglichst familiären Beistand möchte ich nicht sterben, sofern es irgend absehbar ist.

Ich möchte niemanden bei mir haben, wenn es mal soweit ist. Ich möchte ganz für mich alleine sterben. Nicht um anderen den Anblick eines Leidenden zu ersparen, sondern weil ich dann einfach nur für mich sein will.

In vielen Fällen kann man nicht entscheiden, wer bei einem ist, wenn's einen erwischt - und ob überhaupt jemand dabei ist - oder ob derjenige gerade keine Zeit für Beistandsleistungen hat, weil er gerade selber stirbt.

Nicht jeder stirbt daheim im trauten Familienkreise - oder professionell begleitet im Hospiz.