Luminita schrieb:Sterben werden wir alle.
Stimmt. Kann nur leider nicht über den Umstand hinwegtäuschen, dass wir zuvor alle hinsichtlich
Lebensqualität und -quantität ein teils extrem unterschiedliches Dasein fristen.
Nullkommanicht schrieb:Ein Teil unserer Gene lebt in unseren Kindern weiter. So gesehen lebt ein Teil von uns weiter.
Nein, da lebt nix weiter. Ist halt wieder mal so'ne typisch sinnfreie Metapher bzw. Floskel, die irgendwie beruhigen bzw. einlullen soll. Aber abgesehen davon, dass Gene
nicht leben... soll es ja auch noch Menschen geben, die keine Kinder haben... Aber vielleicht kommt da ja noch sowas wie
"Wir leben in unseren Töpferwaren und anderen Hinterlassenschaften weiter!" o.ä.
:DBesucherIn schrieb:Ich möchte hier gerne von Euch erfahren und lernen, wie ihr selbst mit eurer eigenen Vergänglichkeit und dem Thema Tod im Allgemeinen umgeht.
Mich hatte es - sicherlich auch zusammen mit einigen anderen Gründen - einst zur Philosophie geführt, nebst Naturwissenschaft & Religion, wobei ich Religion eigentlich fast schon streichen oder zumindest in Klammern setzen müsste, während ich für Naturwissenschaft wiederum eigentlich auch schon vorher starkes Interesse hatte. Und das war so die Zeit nach dem Abitur, mittlerweile fast schon ewig her... Und natürlich war ich auf der Suche nach abschließenden Antworten, die ich naturgemäß nicht finden konnte, denn anderenfalls würde man von
Wissen sprechen können.
Fun Fact: Tatsächlich stöberte ich damals mit ca. 20 Jahren in der Bibliothek in der Sektion Naturwissenschaft nach Büchern über Gott, Seele, Jenseits o.ä., weil ich halt endlich wissen wollte, was denn die Wissenschaft zu diesen Themen zu sagen hat bzw. mich einfach interessierte: Was
wissen wir wirklich darüber...? Abseits mannigfacher religiöser Vorstellungen in sog. "heiligen Schriften", welche ja immer wieder gerne und ebenfalls als (vermeintliches!)
Wissen - sog. "Offenbarungswissen" - verkauft werden...
BesucherIn schrieb:Mich bedrückt zutiefst, nicht zu wissen, ob und was „danach“ kommt. Diese Vorstellung, dass die nahestehende Person nach dem Tod einfach weg ist, deprimiert mich.
Zurecht. Der Tod ist ein Übel. Auch wenn vermeintlich aufgeklärte Geister da anderes behaupten mögen, wie bspw. Epikur, der da einst schrieb:
"Das schauerlichste aller Übel, der Tod, hat also keine Bedeutung für uns; denn solange wir da sind, ist der Tod nicht da, wenn aber der Tod da ist, dann sind wir nicht da."Wikipedia: Epikur#Überwinden von Furcht, Schmerz und Begierden als Widersachern der LebensfreudeDas ist natürlich haarsträubender Unfug.
BesucherIn schrieb:Wir Menschen sind zu unseren Lebzeiten zu so viel fähig, erschaffen unzähliges, das Leben auf diesem Planeten ist an sich so detailliert. Das kann es doch nach dem Tod nicht einfach gewesen sein. Einfach alles vorbei, soviel Aufwand, so viel Persönlichkeit und Energie umsonst eingesetzt…
Dieser Gedanke erinnert mich sehr stark an eine Passage aus A. Schopenhauer's Werk
"Die Welt als Wille und Vorstellung", über die ich damals in jungen Jahren gestolpert war und seitdem nicht mehr vergessen hab':
"Denn daß, während das Unvollkommenste, das Niedrigste, das Unorganische, unangefochten fortdauert, gerade die vollkommensten Wesen, die leben den, mit ihren unendlich komplicirten und unbegreiflich kunstvollen Organisationen, stets von Grund aus neu entstehn und nach einer Spanne Zeit absolut zu nichts werden sollten, um abermals neuen, aus dem Nichts ins Daseyn tretenden, ihres Gleichen, Platz zu machen, – Dies ist etwas so augenscheinlich Absurdes, daß es nimmermehr die wahre Ordnung der Dinge seyn kann, vielmehr bloß eine Hülle, welche diese verbirgt, richtiger, ein durch die Beschaffenheit unsers Intellekts bedingtes Phänomen." (Quelle)Du bist mit diesem Gedanken also ganz und gar nicht allein.
BesucherIn schrieb:Habt ihr schon einmal versucht euch vorzustellen, wie sich das eigene sterben wohl anfühlt (damit meine ich nicht den Alterungsprozess an sich)?
Und noch einmal Schopenhauer:
"Der Tod, in subjektiver Hinsicht, betrifft also allein das Bewußtseyn. Was nun das Schwinden dieses sei, kann Jeder einigermaaßen aus dem Einschlafen beurtheilen: noch besser aber kennt es, wer je eine wahre Ohnmacht gehabt hat, als bei welcher der Uebergang nicht so allmälig, noch durch Träume vermittelt ist, sondern zuerst die Sehkraft, noch bei vollem Bewußtseyn, schwindet, und dann unmittelbar die tiefste Bewußtlosigkeit eintritt: die Empfindung dabei, so weit sie geht, ist nichts weniger als unangenehm, und ohne Zweifel ist, wie der Schlaf der Bruder, so die Ohnmacht der Zwillingsbruder des Todes." (ebd.)Diesen Aphorismus Schopenhauer's, dass
der Schlaf der kleine Bruder des Todes sei, hat man vielleicht schon einmal gehört. Und man könnte diese Frage, wie sich das eigene
Sterben wohl anfühlt, auch kaum besser beantworten als mit der völlig zutreffenden Analogie, wie sich das eigene
Einschlafen (oder in Ohnmacht fallen) wohl anfühlt. Du kriegst es nicht mit, du nimmst es nicht wahr, denn Einschlafen bedeutet ja gerade bzw. insbesondere
das Entschwinden der bewussten Wahrnehmung.
Und natürlich kann etwas, was wir an und für sich eigentlich tagtäglich erleben, kaum erschaudern. Etwas anders verhält es sich mit dem
Tod... Es muss so um die zwei, drei Male gewesen sein, dass ich - im Alter von 20 - abends im Bett lag und darüber nachdachte, was es eigentlich bedeutet, tot zu sein, d.h. nicht mehr zu existieren, nicht mehr bei Bewusstsein zu sein - und zwar
endgültig und ewig, denn genau darin unterscheidet sich ja - aus rein subjektiver Sicht - der
Tod vom
Schlaf. Letzteres bedeutet ja nur
temporäre Abwesenheit des subjektiven Erlebens. Endgültige und
permanente Abwesenheit ist da noch einmal ein ganz anderes Kaliber. Und das
nicht nur oberflächliche Vorstellen, sondern doch schon etwas
tiefgründigere Begreifen dieses Umstandes, endgültig und für alle Ewigkeit nicht mehr bewusst an der Wirklichkeit partizipieren zu können, war dann tatsächlich eine ziemlich heftige Erfahrung, die mit stark negativen Emotionen einherging, wie ich sie so noch nicht erlebt hatte und die man wahrscheinlich als die klassische
Todesangst bezeichnen könnte. Es war wirklich krass und seitdem lasse ich das...!
Einige Schlauberger wenden an dieser Stelle übrigens immer wieder gerne ein, dass man ja auch
vor der Geburt bereits eine Ewigkeit nicht existiert habe und es doch eigentlich genau das Gleiche sei (was es selbstverständlich nicht ist)...
BesucherIn schrieb:Mich selbst würde ich als Agnostiker und sehr intelligenten, gebildeten und rationalen Menschen beschreiben. Was auf biochemischer Ebene beim Sterbeprozess geschieht, ist mir bekannt.
Aber so, wie ich eine Denkblockade habe, wenn es um die Frage geht, was vor dem Urknall gewesen ist, etc. habe ich eben auch eine, was das Thema „nach dem Tod“ angeht.
Mit diesen Voraussetzungen dürfte es dir dann aber eigentlich nicht allzu schwer fallen, zu der eigentlich reichlich trivialen Einsicht zu gelangen, dass es irgendwo doch ziemlich vermessen wäre, zu glauben, ausgerechnet jetzt wäre die Wissenschaftsgeschichte so ziemlich an ihr Ende angelangt und ausgerechnet unsere Generation könne nun sämtliche Fragen über die Natur nahezu abschließend beantworten, insbesondere auch Fragen bzgl. der Natur von Gehirn & Geist. Und dass das bewusste Erleben mit dem Tod engültig erlischt, entspricht zwar dem
unmittelbaren Augenschein und Stand gegenwärtiger Wissenschaft, aber selbiges galt einst auch für das mittlerweile längst überholte
geozentrische Weltbild. Es gibt unzählige und unzweifelhaft erwiesene
Tatsachen, die zu bezweifeln im krassen Widerspruch zu Wissenschaft & Vernunft stünde - bspw. die Tatsache, dass die Erde sich um die Sonne dreht (und nicht etwa umgekehrt). Dass das bewusste Erleben mit dem Tod engültig erlischt, gehört allerdings
nicht zu diesen apodiktischen Tatsachen.
Man muss es letztendlich so sagen wie es ist:
Gegenwärtig gibt es - einerseits - trotz einer Vielzahl und überwiegend in den letzten 300 Jahren Wissenschaftsgeschichte gewonnenen Erkenntnissen über den
Kosmos, die
Materie, das
Leben und nichtzuletzt auch
Gehirn & Bewusstsein nichts, was einem handfesten Beleg für eine Art von "Seele", "Jenseits" o.ä. gleichkäme bzw. dafür, dass mit dem Tod das bewusste Erleben
nicht endgültig erlischt. Letzteres ist nun einmal Stand
gegenwärtigen Wissens. Gleichzeitig muss man aber - andererseits - auch konstantieren, dass wir
gegenwärtig noch zu wenig wissen, um das unzweifelhaft ausschließen zu können - so wie wir mittlerweile bspw. unzweifelhaft ausschließen können, dass sich die Sonne um die Erde dreht oder die Erde eine Scheibe ist.
Ein großes Problem ist bspw. nach wie vor eines, worauf bereits Leibniz schon vor 300 Jahren in seinem Mühlengleichnis aufmerksam machte:
"Man muß übrigens notwendig zugestehen, daß die Perzeption und das, was von ihr abhängt, aus mechanischen Gründen, d. h. aus Figuren und Bewegungen, nicht erklärbar ist. Denkt man sich etwa eine Maschine, die so beschaffen wäre, daß sie denken, empfinden und perzipieren könnte, so kann man sie sich derart proportional vergrößert vorstellen, daß man in sie wie in eine Mühle eintreten könnte. Dies vorausgesetzt, wird man bei der Besichtigung ihres Inneren nichts weiter als einzelne Teile finden, die einander stoßen, niemals aber etwas, woraus eine Perzeption zu erklären wäre."Wikipedia: MühlenbeispielDiese Problematik spiegelt sich auch heute noch nach 300 Jahren Erfolgsgeschichte naturwissenschaftlicher Entdeckungen im sog.
Qualia-Problem wider und deutet auf ein fundamentales Problem moderner Naturwissenschaft hin, deren Lösung einen ähnlichen Impact bzw. das Potential haben könnte, unser komplettes Weltbild auf den Kopf zu stellen, wie etwa die sog.
Ultraviolett-Katastrophe, deren Auflösung durch M. Planck bzw. die von ihm begründete Quantenphysik mal eben einen kompletten Paradigmenwechsel einleite und - zusammen mit Einstein's RT - die Zeitenwende von der klassischen Physik - von der man damals annahm, dass sie nahezu vollständig und hinreichend zur Erklärung sämtlicher Naturphänomene sei - hin zur modernen Physik einleitete.
BesucherIn schrieb:Öfter wünsche ich mir, dass sich diese Person tatsächlich mal „aus dem Jenseits“ bei mir melden würde, auch wenn es inzwischen schon ins zweite Todesjahr geht.
Naja, solch' albernen und kitschigen Vorstellungen hing ich vermutlich auch mal an, bin mir aber nicht mehr ganz sicher. Tur mir natürlich leid um deinen Verlust, aber es gibt mit Sicherheit verdammt viele Dinge, die wir mit dem Tod - und mal zum Segen, mal zum Fluch - unwiderbringlich zurücklassen. Mindestens unseren (ggf. eh verbrauchten und gebrechlichen) Körper, damit einhergehende Merkmale wie Geschlecht etc., sehr wahrscheinlich auch diverse (sicherlich nicht nur positive) Charakter- und Persönlichkeitszüge. Und im
worst case sogar wirklich alles, was uns ausmacht. Aber um diese Textwand mit einem an dieser Stelle durchaus passenden Aphorismus abzuschließen:
Prepare for the worst...
...but hope for the best!