cododerdritte schrieb:Insgesamt bin ich aber von der Entwicklung beeindruckt wie rasant das alles in 2023 ging. Wer hätte Ende 2022 einen Pfifferling darauf gewettet, dass ein Jahr später ein Tatverdächtiger schon in erster Instanz zu lebenslanger Haft verurteilt sein würde? Ich jedenfalls nicht.
Finde ich jetzt gar nicht. Die Ermittler sind dem Täter ja schon im Jahr 2020 auf die Spur gekommen. Im August 2020 wurden die Asservate zur Untersuchung ans LKA gegeben, Anfang November hatten sie dann den DNA-Match und damit den Namen des vermutlichen Täters.
Das ist schon klar. Aber ich habe die Sicht der Forist*innen hier gemacht. Von uns Usern hätte das doch keiner Ende 2022 für möglich gehalten, die Öffentlichkeit wusste ja Ende 2022 nicht, wie nah dran man wirklich an einem dringend Tatverdächtigen war. Auch ungeachtet dessen. 9 Monate zwischen XY-Sendung und erstinstanzlicher Verurteilung finde ich immer noch beeindruckend. Zu der von Dir vorgestellten Zeitschiene könnte man auch sagen: In 34 Monaten wurde mutmaßlich nachgeholt, was möglicherweise in 34 Jahren zuvor versäumt worden ist...
cododerdritte schrieb:Ich denke, dass die Polizei mehr weiß als wir. Dass die beiden (offenbar) auch im Prozess keine Rolle gespielt haben, spricht für mich dafür, dass die Polizei diese Spur als Sackgasse ausermittelt hat.
Den Satz kann man nicht so stehen lassen. Mir ist schon nicht ganz klar, was Du meinst angesichts der an sich doch klaren Aussage der Zeugin mit dem Kinderwagen, dass ihr zwei Männer entgegen gekommen sein sollen. Und es war in unmittelbare räumlicher und zeitlicher Nähe zu mutmaßlichem Tatort und Tatzeit. Es gibt 3 Alternativen:
1) Männer sind bekannt aber von vornherein als Täter ausgeschlossen
Das wäre hochproblematisch. Letztlich ist auch das Gericht an den Amtsermittlungsgrundsatz gebunden und es entscheidet am Ende weder die Polizei und sogar auch nicht die Staatsanwaltschaft, wen das Gericht als Zeuge vernehmen soll, sondern das entscheidet das Gericht selbst. Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass das Gericht in Kenntnis von Namen auf die Einvernahme verzichtet hätte. Daher meinst Du diese Varianten wohl auch nicht mit "Sackgasse".
2) Die Männer konnten trotz intensiver Suche nie ermittelt werden
Ich denke, an diese Variante denkst Du bei "Sackgasse"? Ich finde es trotzdem mutig, dass das Gericht nicht die geringsten Zweifel daran zu haben scheint, dass diese Personen, die der Zeugin nach deren Aussage unheimlich vorkamen, kategorisch als Täter auszuschließen sind, obwohl sich diese Männer nie gemeldet haben. Das funktioniert an sich nur, wenn die Beweislast gegen den Angeklagten so erdrückend ist, dass sich alles von selbst ergibt. Aber so wirklich viel ist nicht da: Eine DNA-Spur, von der nicht klar ist, wann und wie sie dahin gelangt ist. Seine Vorstrafen in Kombination mit dem damaligen Wohnort. Eine seltsame Reaktion vor einem Verdeckten Ermittler, die nicht ansatzweise so aussagekräftig wie im Fall Georgine Krüger (Berlin) oder Volke (Hanau) gewesen ist. Eine Aussage eines Cousins, dessen Glaubwürdigkeit auch nicht so ganz geklärt ist.
3) Das Gericht glaubt nicht an die Existenz dieser Männer
Im Prinzip eine Untervariante von Variante 2). Hieße das Gericht hielt die Frau für eine Märchenerzählerin. Kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Und es müsste gut begründet werden.
Sollte der Verteidiger doch an Revision denken, wird er sich die Urteilsbegründung insbesondere in diesem Punkt genau anschauen. Natürlich kann er nur wegen Rechtsfehler Revision einlegen. Die aus Sicht des Revisionsgerichts falsche Bewertung oder Abwägung des Grundsatzes "Im Zweifel für den Angeklagten" wäre kein Rechtsfehler und damit kein Grund für eine Revision. Aber wenn ein Gericht sich gar nicht mit dem Grundsatz auseinander setzt, wo es vielleicht geboten wäre, dann ist das etwas anderes. Für mich bleiben diese Personen jedenfalls noch immer ein Mysterium, auch wenn ich nicht an die Aussagen der Friedhofszeugen glaube.