Labor-Ratte schrieb:Sowas wie die Volkszählung zur Herrschaftzeit des Herodes wäre den Lesern bekannt gewesen. Offensichtlich hat es aber niemanden gestört, dass es die nicht gab
Der Zensus wird ausdrücklich als unter Quirinius stattfindend erwähnt, nicht unter Herodes. Lukas2,1-2:
Es geschah aber in jenen Tagen, dass eine Verordnung vom Kaiser Augustus ausging, den ganzen Erdkreis einzuschreiben. Diese Einschreibung geschah als erste, als Cyrenius Statthalter von Syrien war.
Das Griechische kennt kein Q, daher wurde Quirinius im NT als "Kyrênios" wiedergegeben (wobei der Buchstabe "ê" zuweilen, später dann immer, für einen i-Laut stehen konnte); erneut latinisiert wurde daraus dann "Cyrenius".
Dieser Census wird denn auch bei Flavius Josephus erwähnt, und zwar für das Jahr 6/7 n.-Chr. Es handelte sich dabei um einen Provinzialzensus, bei dem also die Nichtrömer erfaßt wurden. Dieser Zensus hat eine lange Tradition, wurde jedoch irgendwann nicht mehr bzw. nicht mehr kontinuierlich durchgeführt. Augustus (31 v. - 14 n.Chr.) reaktivierte ihn aber wieder.
Und selbstverständlich muß der von 6/7 n.Chr. nicht der erste Provinzialzensus gewesen sein. Kann auch problemlos eine solche Volkszählung zu Herodes' Zeiten gegeben haben. Dein "dass es die nicht gab" ist mitnichten die Tatsache, als die Du es hier hinstellst.
Natürlich bleibt es dabei, daß nicht beides stimmen kann: daß Jesu Geburt nicht in den Census unter Quirinius (6/7 n.Chr.) fällt (Lukas), und "
anschließend" versucht Herodes (gest. 4 v.Chr.), den "neugeborenen König der Juden" töten zu lassen (Matthäus). Du hast schon Recht, daß es dergleichen Widersprüche gibt, zahlreiche, und daß diese Widersprüche zeigen, daß wenn es Wahrheiten in der Bibel gibt, diese nicht auf der Ebene simpler Historiographie liegen. Und wie im Falle des Nebeneinanderstellens der beiden biblischen Schöpfungsberichte war den Kompilatoren dies auch durchaus bewußt.