@alle Ich hab nicht alle Einträge gelesen aber die neueren schon. Hmmm, wenn ich Euch jetzt sage das ich seit 25 Jahren in Südafrika lebe dann ist es klar das Südafrika nicht der Kongo ist und auch nicht Ghana oder Äthiopien. Ich kenne folgende Länder von unten bis oben, damit meine ich die Gesellschaft, nicht die Landschaft: Südafrika, Zimbabwe, Namibia, Lesotho, Swaziland und Malawi, also das südliche Afrika.
Ich kam hier hin als eine wohlwollender Besserwisserin. Nach ein paar Jahren war ich eine frustrierte Besserwisserin. Dann, langsam, begann ich zuzuhören und meine afrikanischen Mitmenschen ernst zu nehmen. Ich begann zu lernen und die Situation aus ihrer Perspektive zu sehen.
Was wir Armut nennen, kann und darf man nicht einfach übertragen. Hier ist ‚arm‘ wer keine Familie hat und keinen Ort und keine Gemeinschaft die ihm wichtig ist, egal ob man zur Zeit dort wohnt oder nicht.
In den letzten Jahren bin ich extrem frustriert jedesmal wenn ich in D bin und merke das die alten Klischees immer noch, sogar in jungen Köpfen, verhaftet sind.
Nur mal so, Afrika ist modern und extrem gut digitalisiert, ja, auch in Angola und dem Kongo hat jeder ein Cellphone und kennt sich online aus. Geradewegs aus der Lehmhütte und mit Wasser vom Brunnen lernen junge Leute coding, komponieren Musik und ihre GesundheitsApp sagt ihnen wann sie ihre Medikamente in der Klinik abholen können.
Es ist einfach nicht so, das die Menschen alle unglücklich und bedürftig sind und es besteht weiterhin großartige Hilfsbereitschaft und Gemeinsinn. Was das Leben schwer macht ist hauptsächlich alte, verstaubte und hirnrissige Bürokratie die die Europäer mit Gewalt aufgesetzt und durchgesetzt haben und die total an den Bedürfnissen und Grundvoraussetzungen der afrikanischen Gesellschaft vorbei geht. Diese Art von Hierarchien der Macht nach Gehaltsstufen war hier unbekannt. Wer sich mit den Eroberern verbündet hat, profitierte davon, die Gesellschaft nicht. Ebenso das europäische Schulsystem, alt und verstaubt auch in Europa und hier einfach nicht geeignet.
Der einfache Mensch in Afrika, und das habe ich im Sommer 2019 in Zimbabwe mit eigenen Augen gesehen, ist innovativ, freiheitsliebend und gemeinschaftsorientiert. Die Menschen ertragen Regierungen und Politik wie das Wetter und Naturkatastrophen. Sie identifizieren sich nicht mit den Strukturen die sie sich nicht ausgesucht haben. Sie pflegen ihre Bräuche und Traditionen nicht für die Touristen sondern leben sie. Sie sind, mit Recht, etwas vorsichtig damit, diese mit Außenstehenden zu teilen, Fremde bekommen nur eine weichgespülte Tourismusversion zu sehen.
Die Menschen, die ich gut kenne sagen, das es besser ist, für dumm und faul gehalten zu werden als in Fabriken im Akkord iPhones zusammenzusetzen damit man sich 80 quadratmeter einer Etagenwohnung leisten kann, in der man dann alleine lebt.
Ein Beispiel aus Zimbabwe. Dort gelingt es der Regierung nicht, das Vertrauen der Bevölkerung in die offizielle Währung wieder herzustellen. Das Notgeld ist nichts wert und schwer zu bekommen, damit meine ich, das die Banken keine Scheine und Münzen haben. Aber es gibt ein gutes Mobilfunknetz und jeder hat ein cellphone. Die Mobilfunkbetreiber sind junge Leute mit Ideen. Dort kann man Geld, auch Devisen, auf seine SIM Karte einzahlen und mit diesen Guthaben von einem Handy zum anderen bezahlen und bezahlt werden, ganz ohne Scheine und ohne Banken. Das passt der Regierung nicht, aber ist gut für die Menschen. Es funktioniert wunderbar einfach, hab es selbst ausprobiert. Und falls es wieder verboten wird, denken sich die Menschen etwas Neues aus.
Ein Freund sagte zu mir, was wir hier in Zimbabwe erleben, das steht Euch noch bevor. Und wir sind allemal besser vorbereitet wenn es drauf ankommt. Selbstversorgung, Flexibilität und Gemeinschaft ist besser in Krisenzeiten als Supermarkt, Bürokratie und Individualismus. Er hat in England studiert und ist viel gereist. Jedoch, wenn man ihn sieht, geht er glatt für einen Asylbewerber mit Hauptschulabschluss durch. Er macht sich tatsächlich nichts aus Status und den Symbolen die wir damit verbinden.
Und nur damit die Dimensionen mal klar sind. Afrika besteht aus 54 verschiedenen Staaten und hat 1.2 Billionen Einwohner. Und einige wirklich gute Regierungen die unter den Umständen hervorragend funktionieren. Und einige Brennpunkte die sehr schwer zu befrieden sind, weil historische Ungerechtigkeiten bis zum Völkermord einfach nicht anerkannt und international thematisiert werden.