Der Eingangspost sowie die Überschrift sind schon irreführend bzw. in Teilen ihrer Ausführung inkorrekt. Um zu verstehen wieso, müssen wir in die Epistemologie (Erkenntnistheorie) und Wissenschaftstheorie hineinschauen, beides Teildisziplinen der Philosophie.
Diese Irrtümer liegen aber wahrscheinlich daran, dass man gewisse Begriffe durcheinandergeworfen hat und diese nicht so verwendet, wie sie in der Philosophie genutzt und auch definiert werden. Was auch nicht tragisch ist, denn die Terminologie ist nicht zu unterschätzen und man muss sich da gut einarbeiten oder das Fach studieren.
Fängt man mit der Erkenntnistheorie an, stößt man auf verschiedene Wahrheitsbegriffe-und Theorien (u.a. Korrespondenztheorie, Deflationismus, Pragmatismus). Ohne das, was wir als "wahr" bezeichnen, können wir schließlich keine vernünftige Erkenntnistheorie aufbauen - und folglich auch keine gute Wissenschaftstheorie.
Am schlüssigsten und intuitivsten scheint mir hier die Familie der Korrespondenztheorien (Teil der semantischen Wahrheitstheorien) zu sein, die der polnische Logiker und Mathematiker Alfred Tarski formal weiterentwickelt hat. Diese hat die Struktur: " 'P' ist wahr genau dann, wenn P eintritt bzw. der Fall ist".
Zum Beispiel ist der Satz "Das Gras ist grün" genau dann wahr, wenn das, was wir als Gras definiert haben, genau die Farbquailität grün hat (bzw. wir das als Subjekte zu einem Zeitpunkt
t wahrgenommen haben).
Haben wir uns auf eine Wahrheitstheorie geeinigt, fragen wir uns als nächstes: Was ist Wissen? Formal definiert wurde in der Philosophie Wissen als "justified true belief", oder auf Deutsch "gerechtfertigter, wahrer Glaube". Sprich, ein Subjekt
S weiß, dass Aussage
P wahr ist genau dann, wenn folgende Konjunktion zutrifft:
a)
P wahr ist,
b)
S glaubt, dass
P wahr ist und
c)
S hat eine gute (rationale) Rechtfertigung dafür, zu glauben, dass
P wahr ist.
Wichtig ist hier zu betonen, dass das englische Wort "belief" zwar als "Glaube" übersetzt werden kann, aber viel eher mit "informierter Meinung" besser übersetzt ist, es hat also folglich NICHTS mit religiösen Glauben (engl. "faith") zu tun! Als kurzes Beispiel: Ein Theist hat sowohl "faith" als auch "belief", aber ein Atheist hat in dem Sinne nur einen "belief".
Nun ist auch die obige Definition des Wissens nicht unumstritten - siehe dazu das Gettier-Problem - aber auf pragmatischer Ebene fasst es dennoch gut zusammen, was wir als "Wissen" auffassen: Eine Menge von Sätzen oder Aussagen, für die wir mehr als gute Gründe haben, anzunehmen, dass sie wahr sind.
Jetzt, wo wir diese elementaren Voraussetzungen kennen, wenden wir uns dem Begriff der "Theorie" zu. Ich glaube, es wurde auch hier schon ad nauseam erklärt, dass innerhalb der Wissenschaftstheorie der Begriff eine völlig andere Bedeutung hat als wie wir es in der Alltagssprache verwenden. Auch die Wissenschaftstheorie hat eine Geschichte und bis ca. mitte des 20. Jahrhunderts war der Logische Positivismus mit seinem syntaktischen Modell populär, ehe sich danach mehr und mehr eine semantische Sicht auf Wissenschaft und ihre Theoriebildung herauskristallisierte.
Aus gutem Grund, wie ich finde: Die semantische Sicht identifiziert wissenschaftliche Theorien mit Modellen, die sich in mathematischer und logischer Sprache (v.a. Prädikatenlogik) formalisieren lassen. Das aber NOCH weiter auszuführen würde den Post aber noch länger werden lassen, aber es wäre sicherlich eine Diskussion wert, sofern Interesse vorhanden ist.
Letztendlich stellt eine wissenschaftliche Theorie die höchste Form der Erkenntnis dar; es ist praktisch gesprochen ein Netz aus bisher nicht falsifizierten Hypothesen. Insofern finde ich die Aussage vom OP
NordicStorm schrieb am 16.04.2013:Ich denke so, ich denke das die ganze Wissenschaft und das allgemeine Wissen nur aus Vermutungen besteht, diese Vermutungen haben wir benannt und heißen bei uns heute, Raum, Zeit, Stein, Meter.
als inkorrekt und hoffentlich wurde nun klar, warum. Natürlich treffen wir axiomatisch einige Basisannahmen wie z.B. die Annahme, dass eine externe Realität existiert. Doch ohne diese ließe sich keine Wissenschaft betreiben, ergo kein Wissen akkumulieren.
Ich lasse einige meiner verwendeten Quellen hier, aus denen ich ein Teil meines Wissens beziehe; der andere Teil ist Fachliteratur. Doch so könnt ihr auch nachprüfen, dass ich euch hier keinen Stuß erzähle:
https://plato.stanford.edu/entries/epistemology/#WhatJustWikipedia: Gettier problemhttps://plato.stanford.edu/entries/truth/#TarTheTruWikipedia: Semantic theory of truthhttps://www.britannica.com/science/scientific-theoryhttps://plato.stanford.edu/entries/structure-scientific-theories/#SemVieWikipedia: Semantic view of theories