MrRedwood
Diskussionsleiter
Profil anzeigen
Private Nachricht
Link kopieren
Lesezeichen setzen
dabei seit 2019
Profil anzeigen
Private Nachricht
Link kopieren
Lesezeichen setzen
Wer ist hier der Egoist und was hat das für eine Bedeutung?
11.06.2019 um 11:49Vorab: Den Titel für den Thread auszusuchen fiel mir sehr schwer. Der Titel, den ich jetzt gewählt habe, soll neutral gewertet werden. Falls jemand einen besseren weiß, bitte her damit.
Letzten Monat verstarb unser Nachbar. Ich möchte hier einmal seine Geschichte erzählen, die wir im kleinen Kreise erst wieder diskutiert hatten, nachdem wir uns nach der Beerdigung in seinem Haus noch einmal trafen.
Es kann etwas lang werden. Ich hoffe, dass das nicht abschreckt.
Vorgeschichte:
Es ist Westdeutschland Mitte der 60er Jahre. Unser Nachbar ist verlobt und die beiden erwarten ein Kind (nachfolgend werden beide als Nachbar, Verlobte und Tochter bezeichnet).
Der Tag, der alles veränderte (die Version gebe ich so weiter, wie ich sie im Kopf hab. Das Wesentliche stimmt, ein paar Teile sind u.U. etwas ausgeschmückt, Fakten jedoch unverändert):
Die beiden, der Nachbar und seine Verlobte, sind an einem Spätsommerabend am Rhein spazieren und wollen gerade eine Brücke überqueren. Dort sehen sie eine Familie. Der Vater hebt das Kind hoch und setzt es auf das Geländer. Als es plötzlich den Halt verliert und nach unten stürzt.
Instinktiv läuft mein Nachbar auf die andere Seite der Brücke und springt hinterher. Ein Radfahrer, der dies beobachtet, holt Hilfe.
Mehr als 1km flussabwärts finden Spaziergänger meinen Nachbarn am Flussufer, völlig erschöpft, schleifen ihn aus dem Wasser und rufen Hilfe. Er kommt ins Krankenhaus und wird dort versorgt.
Der Nachbar hatte großes Glück. Noch etwas länger im Wasser und er hätte sich aufgrund mangelnder Kräfte nicht mehr über Wasser halten können. So wurde es ihm gesagt.
Währenddessen suchen die anderen Hilfskräfte nach dem Kind und meinem Nachbarn. Seine Verlobte geht zu dieser Zeit davon aus, dass beide tot sind.
Mangelnde Kommunikation an diesem Tag bedeutet, dass die Verlobte den Abend und die Nacht zuhause verbringt (mit beiden Elternteilen) bis am nächsten Tag ein Onkel klingelt und sagt, dass ihr Verlobter gefunden wurde.
Das 10-jährige Kind wurde wohl nie gefunden.
Nachgeschichte:
Die ersten paar Tage war, abgesehen von der Katastrophe, alles in Ordnung.
Bis auf einmal die Verlobte in einem „Anfall“ sämtliche Sachen, die sie mit in die Beziehung brachte, aus dem Haus des Nachbarn holt und verschwindet. Zuerst zu der Mutter, dann zu einer Freundin (was der Nachbar aber erst Jahre später erfahren hat).
In einem Brief schrieb sie nur (Wortlaut in etwa): „Wie konntest du so egoistisch sein und dein Leben für jemand fremden riskieren und mich und unser Kind im Stich lassen. Ich hasse dich.“
Die Tochter wird geboren, ohne dass der Nachbar davon erfährt. Als Vater wird ein Bekannter der Verlobten eingesetzt, der das Spiel mitspielt.
Mein Nachbar versucht daraufhin jahrelang seine Verlobte und die Tochter (er wusste zu dem Zeitpunkt jedoch noch nicht, ob er eine Tochter oder einen Sohn haben wird). Ohne Erfolg. Behörden und Polizei stellen sich quer.
Erst später, als seine Tochter ihren richtigen Vater sucht, finden sich beide.
Leider verstarb sie nur 2 Jahre, nachdem ich sie das erste Mal traf.
Ich frage mich daher immer: Wie sieht das wirklich in Extremsituationen aus. Und hat jemand schon einmal ähnliche Erfahrungen gemacht?
Eigensicherung ist ja, soweit möglich in solchen Ausnahmesituationen, immer angebracht. Aber sollte man z.B. einen älteren Menschen unter Einsatz seines eigenen Lebens helfen, auch wenn man zuhause 3 kleine Kinder sitzen hat.
Gibt es da eine Rechtfertigung, dass man zumindest zögert und im Zweifel dann doch eher vorsichtiger agiert (ich meine dabei nicht, dass man gleichgültig wegschaut und weitergeht)? Ein Restrisiko gibt es ja immer.
Letzten Monat verstarb unser Nachbar. Ich möchte hier einmal seine Geschichte erzählen, die wir im kleinen Kreise erst wieder diskutiert hatten, nachdem wir uns nach der Beerdigung in seinem Haus noch einmal trafen.
Es kann etwas lang werden. Ich hoffe, dass das nicht abschreckt.
Vorgeschichte:
Es ist Westdeutschland Mitte der 60er Jahre. Unser Nachbar ist verlobt und die beiden erwarten ein Kind (nachfolgend werden beide als Nachbar, Verlobte und Tochter bezeichnet).
Der Tag, der alles veränderte (die Version gebe ich so weiter, wie ich sie im Kopf hab. Das Wesentliche stimmt, ein paar Teile sind u.U. etwas ausgeschmückt, Fakten jedoch unverändert):
Die beiden, der Nachbar und seine Verlobte, sind an einem Spätsommerabend am Rhein spazieren und wollen gerade eine Brücke überqueren. Dort sehen sie eine Familie. Der Vater hebt das Kind hoch und setzt es auf das Geländer. Als es plötzlich den Halt verliert und nach unten stürzt.
Instinktiv läuft mein Nachbar auf die andere Seite der Brücke und springt hinterher. Ein Radfahrer, der dies beobachtet, holt Hilfe.
Mehr als 1km flussabwärts finden Spaziergänger meinen Nachbarn am Flussufer, völlig erschöpft, schleifen ihn aus dem Wasser und rufen Hilfe. Er kommt ins Krankenhaus und wird dort versorgt.
Der Nachbar hatte großes Glück. Noch etwas länger im Wasser und er hätte sich aufgrund mangelnder Kräfte nicht mehr über Wasser halten können. So wurde es ihm gesagt.
Währenddessen suchen die anderen Hilfskräfte nach dem Kind und meinem Nachbarn. Seine Verlobte geht zu dieser Zeit davon aus, dass beide tot sind.
Mangelnde Kommunikation an diesem Tag bedeutet, dass die Verlobte den Abend und die Nacht zuhause verbringt (mit beiden Elternteilen) bis am nächsten Tag ein Onkel klingelt und sagt, dass ihr Verlobter gefunden wurde.
Das 10-jährige Kind wurde wohl nie gefunden.
Nachgeschichte:
Die ersten paar Tage war, abgesehen von der Katastrophe, alles in Ordnung.
Bis auf einmal die Verlobte in einem „Anfall“ sämtliche Sachen, die sie mit in die Beziehung brachte, aus dem Haus des Nachbarn holt und verschwindet. Zuerst zu der Mutter, dann zu einer Freundin (was der Nachbar aber erst Jahre später erfahren hat).
In einem Brief schrieb sie nur (Wortlaut in etwa): „Wie konntest du so egoistisch sein und dein Leben für jemand fremden riskieren und mich und unser Kind im Stich lassen. Ich hasse dich.“
Die Tochter wird geboren, ohne dass der Nachbar davon erfährt. Als Vater wird ein Bekannter der Verlobten eingesetzt, der das Spiel mitspielt.
Mein Nachbar versucht daraufhin jahrelang seine Verlobte und die Tochter (er wusste zu dem Zeitpunkt jedoch noch nicht, ob er eine Tochter oder einen Sohn haben wird). Ohne Erfolg. Behörden und Polizei stellen sich quer.
Erst später, als seine Tochter ihren richtigen Vater sucht, finden sich beide.
Leider verstarb sie nur 2 Jahre, nachdem ich sie das erste Mal traf.
Ich frage mich daher immer: Wie sieht das wirklich in Extremsituationen aus. Und hat jemand schon einmal ähnliche Erfahrungen gemacht?
Eigensicherung ist ja, soweit möglich in solchen Ausnahmesituationen, immer angebracht. Aber sollte man z.B. einen älteren Menschen unter Einsatz seines eigenen Lebens helfen, auch wenn man zuhause 3 kleine Kinder sitzen hat.
Gibt es da eine Rechtfertigung, dass man zumindest zögert und im Zweifel dann doch eher vorsichtiger agiert (ich meine dabei nicht, dass man gleichgültig wegschaut und weitergeht)? Ein Restrisiko gibt es ja immer.