Syringa schrieb:Ich habe nie Probleme damit gehabt Freundschaften zu finden und zu schließen, bei mir dauert das meist nur etwas länger, aber wenn die Freundschaft geschlossen wurde, dann hält sie auch.
Genau so verhält es sich bei mir auch.
Was bei mir das Schließen von Freundschaften sicherlich etwas (aber nicht übermäßig) erschwert:
Gängige Kennenlernorte sind mir meist zu voll und zu laut.
Exemplarisch: Im Studium lernen sich viele über eine WG, in der Mensa, beim Weggehen, in (lauten) Aufenthaltsräumen der Uni kennen. Ich habe im Studium mit meinem (ebenso introvertierten) Mann zusammengewohnt, fand die Mensa sowie Aufenthaltsräume unerträglich laut und voll, und Weggehen (also: Kneipe, Uniparties) war auch nicht mein Ding. Das erschwerte natürlich das Kennenlernen. Leute kennengelernt habe ich hingegen dort über einen naturwissenschaftlichen Verein, nur war der Überlapp mit Kommilitonen gering (eine Person, anderes Semester), sowie später dann doch einen Kommilitonen im selben Semester zum Zettelrechnen kennengelernt.
abbacbbc schrieb:Worauf ich hinaus wollte: soziale Kontakte lernt man nicht Zuhause.
Natürlich nicht.
Aber in gewissem Sinne doch: Einladungen 1:1. Für Introvertierte meist besser als z.B. auf ein Stadtfest gehen.
Ich habe z.B. "auch noch nie verstanden" wie man beim Weggehen Leute kennenlernen kann:
Eine "Lärmhalle" (Kneipe, Disco, Festival...) in der es vor Menschen wuselt - und dann solle man da jemanden rauspicken und wenn man sich nicht gleich sympathisch genug ist Kontaktinformationen auszutauschen ist der andere auch schon auf Nimmerwiedersehen weg.
Leute lerne ich kennen wenn ich irgendwo regelmäßig bin sodass man sich unverbindlich, d.h. ohne sich schon einzuladen, mehrmals sieht, sich einschätzen lernt und man dann nach und nach mehr privat miteinander zu tun haben kann. Beispielsweise ein Verein passend zu einem Hobby, man trifft sich an einem ruhigen Ort statt in einem Lokal zum Stammtisch, und man sieht über die Zeit hinweg wer freundlich, hilfsbereit etc. ist.
Als Kind ist es mir auch nie gelungen andere Kinder auf dem Spielplatz, oder bei Einladungen der Nachbarskinder rundherum kennenzulernen. Wie oft sind meine Eltern mit mir auf den Spielplatz gegangen, wie oft wurde "die halbe Straße" eingeladen...
Meine Mutter hat sich dann, ich war im Kindergartenalter, mit der Mutter eines anderen Kindergartenkindes das auch still/schüchtern war abgesprochen und mal ein Treffen zwischendiesem Kind und mir vereinbart. So fand ich erstmals eine Freundin
:) Die Freundschaft hielt bis ins mittlere Erwachsenenalter. (Uns irgendwann auseinandergelebt, aber nicht zerstritten. Völlig in Ordnung.)
abbacbbc schrieb:Aber besser wird es durch meiden auch nicht
Durch Meiden nicht. Aber durch passende Arten von Treffen, Kontaktaufnahme etc. meist. Siehe oben, Kindheitsfreundin.
Kältezeit schrieb:Ich frage mich in letzter Zeit häufiger, ob ich nicht komplett ohne soziale Kontakte leben könnte, wenn meine Lebensumstände anders wären (kein Nachwuchs, etc. )
Ich habe zum Beispiel den Coronalockdown als total befriedigend empfunden und während da Andere schon nach 2 Wochen protestierend auf die Straße gingen, hat mir überhaupt nix gefehlt erstmal.
Mir ging es auch so. Ich habe viele Hobbies die man alleine ausübt und sich allenfalls (aufgrund Seltenheit dann eher online) darüber austauscht, anstatt diese in Gruppen auszuüben.
Mich stört es auch nicht persönliche Treffen durch z.B. Anrufe, e-Mails... zu ersetzen. Die Weggehmöglichkeiten die wegfielen - ich habe sie sowieso nie besucht. (Okay, geschlossene Museen waren schon schade, aber dann habe ich mich einfach Büchern mehr gewidmet und mich darauf gefreut dass Museen irgendwann wieder öffnen.) Homeoffice? Super, es ist leise, kein schallendes Lachen auf dem Gang, keine störenden Gerüche - kein Vanille-Lufterfrischer der vom Sekretariat rüberweht, kein Clorix-Bodenwischen.
Aber ganz auf soziale Kontakte verzichten? Zu sozialen Kontakten gehört IMHO auch z.B. exemplarisch dieses Forum (oder andere), oder die Nachfrage in einem Hobbyforum wie man ein Werkstück so-und-so lackiert, sich privat mit etwas aushelfen (so selten ich darauf zurückgreife oder danach frage, da ich andere nicht damit nerven will nebst lieber meine Angelegenheiten selbst erledige - ab und zu ist es dennoch nötig). Auch ein Sprachkurs gehört dazu - man kann autodidaktisch relativ viel lernen, wird aber bestimmte Defizite bemerken (so auch meine Erfahrung, als ich an ein Jahr autodidaktisch Fremdsprache lernen einen Sprachkurs vor Ort anhängte).
Keine Kontakte, für den Alltag oft unpraktisch: Wie oft heißt es "fragen Sie im Bekanntenkreis herum". Ich hatte, als ich im Ausland gearbeitet habe, mal den Fall dass eine Behörde in Deutschland ein wichtiges Dokument nur an eine "Vertrauensperson in Deutschland" verschickt hat. Es ist mir auch mal begegnet dass für einen Arzttermin eine Begleitperson gefordert wurde. Jemand im Umfeld musste spontan ins Krankenhaus - persönliche Gegenstände sollte eine Vertrauensperson bringen. Dienstleistungen die derartiges ersetzen gibt es oft nicht.
Somit: Nein, ich würde nicht völlig auf soziale Kontakte verzichten wollen. Falls es für die letztere Kategorie Dienstleistungen gäbe, einen "Vertrauensperson-Dienstleister": Fände ich okay. Bin es auch gewöhnt, mir möglichst viel selbst zu organisieren; bin keiner der Menschen die für alles mögliche jemanden kennen (müssen) und Rückfragen bei anderen halten. War ich auch nie.
Austausch über Interessen, unterschiedliche Blickwinkel nicht nur aus Büchern kennenlernen: Darauf würde ich jedoch nicht verzichten wollen.
Syringa schrieb:Bin ich überreizt wie z.B. von Lärm, Licht, Bewegungen um mich herum, vor allem auch Gerüchen(da bin ich sehr empfindlich), dann bekomme ich das oft auch noch in Form von Migräne zu spüren.
Das kenne ich auch sehr gut - wennauch nicht direkt Migräne draus wird.
Aber Lärm, Licht, Bewegungen/"Gewusel", Gerüche: Bin sehr empfindlich. Zudem auch bzgl. taktiler Eindrücke.
Derartiges ist für mich z.T. ein Grund Orte zu meiden (oft interessieren mich Orte die viel von obigem aufweisen schon inhaltlich nicht; manchmal täten sie es aber doch) sowie allgemein mein eigenes Leben, meinen Alltag, das Zuhause zu gestalten. Dinge dürfen bei mir z.B. zumeist nicht stark riechen (bei Essen das ich mag ist es aber in Ordnung, z.B. Knoblauch: gerne!). Bei Reinigungsmitteln, Körperpflegeprodukten ist der Geruch für mich sehr wichtig, und oft greife ich deshalb zu etwas Simplerem um Gerüche zu meiden. Mein Deo ist z.B. einfach Isopropylalkohol: funktional, Geruch verfliegt fast unmittelbar, kein Parfumgeruch.
Kleidung und andere persönliche Gegenstände wähle ich so aus dass sie möglichst keine, und wenn unverzichtbar nur minimale Geräusche machen. Kleidung kann so viel Lärm machen... (In einem anderen Thread fiel mir wieder einmal auf: Viele Menschen scheinen das gar nicht zu bemerken, oder automatisch an knisternde minderwertige Kleidung zu denken. Aber nein, für mich hören sich viele Schuhe hämmend an, dann sind da Ärmelknöpfe die über Tischplatten schaben können, Armbanduhren die auf Tische schlagen, Reißverschlusszipper die hell klingeln...)
Mag auch z.B. Musik nur sehr gezielt, und nicht als regelrechte Hintergrundbeschallung.
Emotionen: Wahrnehmen - intuitiv, an nonverbaler Kommunikation - kann ich sie schlecht (Asperger-Syndrom wurde bei mir diagnostiziert). Klar erkenne ich ob jemand z.B. lacht oder weint, aber feinere Details erkenne ich nicht.
Aber wenn ich davon weiß wie es jemandem geht oder es anderweitig erschließbar ist (jemand erzählt mir wie es ihm oder anderen geht, ich lese von einer Situation), dann nimmt mich das mit. Egal ob Tier oder Mensch. Ging mir auch als Kind so. Ich kann mich daran erinnern als Kindergartenkind die Insekten aus Wiesen vorm Mähen weggesammelt zu haben, überlegt zu haben wie ich dem obdachlosen Mann in der Stadt (größere Stadt, meine Eltern kauften da zweimal im Jahr ein und ich war meist dabei) heimlich mein Taschengeld zustecken könnte (Eltern haben mich immer weitergezogen), mich so traurig gefühlt zu haben als mein Opa so krank wurde dass er all die Dinge die er gerne getan hat (Pilze sammeln, Imkern, Werken...) nicht mehr konnte. Da bin ich sehr sensibel und diese Dinge kann ich mir "ganz normal" erschließen, da ich sie nicht aus Mimik "herausraten" muss.
Elektrogeräte werden vor Kauf probegehört.