Die Zeit heilt alle Wunden!?
05.06.2015 um 10:46Was Du erlebt hast, ist ein unglaublicher Alptraum und ich kann sehr gut verstehen, dass Du auch nach vier Jahren nicht fertig damit bist. Das wirst Du auch alleine vermutlich nicht schaffen, deshalb ist es eine gute Entscheidung, zu einem „Psycho-Doc“ zu gehen. Ich denke, daran wirst Du auch noch länger kauen, denn momentan kannst Du immer noch gar nicht richtig um Deinen Opa trauern, weil alles überlagert ist von Hass und Wut und Ohnmacht gegenüber dem Beerdigungsinstitut. Mit diesen Gefühlen musst Du vermutlich zuerst fertig werden, damit Du wirklich trauern kannst.
Ich habe mit Anfang dreißig meinen Mann, meine große Liebe, verloren, er hatte Krebs. Das war vor 17 Jahren, und ich bin heute noch nicht damit fertig. Ich bin total abgestürzt, konnte nach seinem Tod vier Jahre lang nicht arbeiten und muss heute noch weinen, wenn ich an ihn denke. Mein Leben hat sich total verändert, mein Mann war Redakteur bei einer Motorradzeitschrift, wir sind damals Motorradrennen gefahren und waren zu Motorsportveranstaltungen in ganz Europa unterwegs. Ich habe mich mit Michael Schumacher über die Qualität von Hipp Babygläschen unterhalten und Herbert Grönemeyer gesagt, dass er Mettbrötchen zwischen den Zähnen hat. Es war ein tolles, aufregendes Leben. Ich konnte es so nicht weiterführen, es ging nicht. Ich habe alles aufgegeben, wollte nur noch meine Ruhe. Es wurde nie mehr so wie es früher war. Mein Leben hat sich um 180 Grad gedreht. Die Hälfte von mir ist mit meiner großen Liebe mitgestorben.
Auch Du wirst nie wieder so werden wie früher, darüber musst Du Dir im Klaren sein! Du wirst nie wieder Deine alte Fröhlichkeit und Unbekümmertheit zurückerhalten. Damit musst Du leben lernen. Und lass Dir nie einreden, dass es doch jetzt langsam langt mit der Trauer - nach vier Jahren... Andere Menschen geben Dir ungefähr sechs Wochen Zeit (das war meine Erfahrung), dann hast Du gefälligst wieder zu funktionieren. Das musst Du nicht! Du kannst so lange trauern, wie Du trauern musst, das geht überhaupt niemanden etwas an!
Der andere Aspekt ist der Trauerort. Muss der bei Dir unbedingt gekoppelt sein mit dem Blick auf die Urne oder mit einem Platz auf dem Friedhof? Ich habe das nie so empfunden. Mein Mann ist beerdigt an seinem Heimatort, weil wir durch mehrere Umzüge innerhalb Deutschlands keine Heimat mehr hatten; ich war nach der Beerdigung nur ein einziges Mal dort. Ich brauche diesen Platz nicht, um zu trauern. Er ist für mich überall, ich kann jederzeit mit ihm in Kontakt treten. Warum triffst Du Dich nicht mit Deinem Opa an einem Platz, an dem er sich gerne aufgehalten hat? Seinem Lieblingssessel, im Garten oder sonstwo, wo er gerne war? Ich jedenfalls fände das wesentlich persönlicher als eine Urne oder ein Grab anzusehen, wenn ich an ihn denke. Denn dort befindet er sich sowieso nicht. „Was wir bergen in den Särgen, ist der Erde Kleid. Was wir lieben, ist geblieben, bleibt in Ewigkeit“ (Goethe). Und ein anderer Platz würde Dich auch nicht sofort wieder an das Geschehene erinnern.
Ich wünsche Dir, dass Du damit leben lernst, dass „die Asche“ in Wirklichkeit nicht Dein Opa ist und es deshalb für Deinen Kopf auch nicht mehr wichtig ist, ob die richtige oder eine fremde Asche in der Urne ist. Verstehe mich bitte nicht falsch: das ist eine absolute Katastrophe und ich kann jede Wut, Enttäuschung und Hass darüber verstehen, aber ist es ganz im Herzen wirklich wichtig? Wirklich wichtig ist: Dein Opa ist überall, aber nicht in irgendeiner Asche! Brauchst Du wirklich diese Asche, um zu trauern? Ich habe meinen Mann sterben sehen. Sein letzter Satz war: Mach die Fenster weit auf, ich hasse geschlossene Fenster! Nach etwa fünf Minuten habe ich seinen Körper nur noch als Hülle empfunden, die Seele war raus! Und dieser Körper war nicht mehr er, nichts daran hat mich mehr an ihn erinnert. Am Tag der Beerdigung hat es geregnet, nachdem es zuvor drei Wochen lang eine Bullenhitze war. Also sein Sarg angehoben wurde, um ihn in die Erde zu lassen, tat es einen Blitz und einen furchtbaren Donnerschlag. Auf dem Weg zur Trauerfeier sah ich, dass der Blitz in eine große alte Eiche eingeschlagen hatte und sie von oben bis unten gespaltet hatte. Hört sich an wie im Märchen, ist aber wahr! Da wusste ich, er ist immer noch da, das war ein Zeichen. Und Dein Opa ist auch immer noch da, auch wenn seine Hülle vertauscht wurde!
Vielleicht kannst Du Deine Gedanken ja in diese Richtung lenken und seine leiblichen Überreste für nicht mehr so wichtig nehmen? Denn das, was Deinen Opa ausgemacht hat, findest Du in keiner Urne der Welt!
Nicht alle Schmerzen sind heilbar
Nicht alle Schmerzen sind heilbar, denn manche schleichen
Sich tiefer und tiefer ins Herz hinein,
Und während Tage und Jahre verstreichen,
Werden sie Stein.
Du sprichst und lachst, wie wenn nichts wäre,
Sie scheinen zerronnen wie Schaum.
Doch du spürst ihre lastende Schwere
Bis in den Traum.
Der Frühling kommt wieder mit Wärme und Helle,
Die Welt wird ein Blütenmeer.
Aber in meinem Herzen ist eine Stelle,
Da blüht nichts mehr.
Ricarda Huch
Ich habe mit Anfang dreißig meinen Mann, meine große Liebe, verloren, er hatte Krebs. Das war vor 17 Jahren, und ich bin heute noch nicht damit fertig. Ich bin total abgestürzt, konnte nach seinem Tod vier Jahre lang nicht arbeiten und muss heute noch weinen, wenn ich an ihn denke. Mein Leben hat sich total verändert, mein Mann war Redakteur bei einer Motorradzeitschrift, wir sind damals Motorradrennen gefahren und waren zu Motorsportveranstaltungen in ganz Europa unterwegs. Ich habe mich mit Michael Schumacher über die Qualität von Hipp Babygläschen unterhalten und Herbert Grönemeyer gesagt, dass er Mettbrötchen zwischen den Zähnen hat. Es war ein tolles, aufregendes Leben. Ich konnte es so nicht weiterführen, es ging nicht. Ich habe alles aufgegeben, wollte nur noch meine Ruhe. Es wurde nie mehr so wie es früher war. Mein Leben hat sich um 180 Grad gedreht. Die Hälfte von mir ist mit meiner großen Liebe mitgestorben.
Auch Du wirst nie wieder so werden wie früher, darüber musst Du Dir im Klaren sein! Du wirst nie wieder Deine alte Fröhlichkeit und Unbekümmertheit zurückerhalten. Damit musst Du leben lernen. Und lass Dir nie einreden, dass es doch jetzt langsam langt mit der Trauer - nach vier Jahren... Andere Menschen geben Dir ungefähr sechs Wochen Zeit (das war meine Erfahrung), dann hast Du gefälligst wieder zu funktionieren. Das musst Du nicht! Du kannst so lange trauern, wie Du trauern musst, das geht überhaupt niemanden etwas an!
Der andere Aspekt ist der Trauerort. Muss der bei Dir unbedingt gekoppelt sein mit dem Blick auf die Urne oder mit einem Platz auf dem Friedhof? Ich habe das nie so empfunden. Mein Mann ist beerdigt an seinem Heimatort, weil wir durch mehrere Umzüge innerhalb Deutschlands keine Heimat mehr hatten; ich war nach der Beerdigung nur ein einziges Mal dort. Ich brauche diesen Platz nicht, um zu trauern. Er ist für mich überall, ich kann jederzeit mit ihm in Kontakt treten. Warum triffst Du Dich nicht mit Deinem Opa an einem Platz, an dem er sich gerne aufgehalten hat? Seinem Lieblingssessel, im Garten oder sonstwo, wo er gerne war? Ich jedenfalls fände das wesentlich persönlicher als eine Urne oder ein Grab anzusehen, wenn ich an ihn denke. Denn dort befindet er sich sowieso nicht. „Was wir bergen in den Särgen, ist der Erde Kleid. Was wir lieben, ist geblieben, bleibt in Ewigkeit“ (Goethe). Und ein anderer Platz würde Dich auch nicht sofort wieder an das Geschehene erinnern.
Ich wünsche Dir, dass Du damit leben lernst, dass „die Asche“ in Wirklichkeit nicht Dein Opa ist und es deshalb für Deinen Kopf auch nicht mehr wichtig ist, ob die richtige oder eine fremde Asche in der Urne ist. Verstehe mich bitte nicht falsch: das ist eine absolute Katastrophe und ich kann jede Wut, Enttäuschung und Hass darüber verstehen, aber ist es ganz im Herzen wirklich wichtig? Wirklich wichtig ist: Dein Opa ist überall, aber nicht in irgendeiner Asche! Brauchst Du wirklich diese Asche, um zu trauern? Ich habe meinen Mann sterben sehen. Sein letzter Satz war: Mach die Fenster weit auf, ich hasse geschlossene Fenster! Nach etwa fünf Minuten habe ich seinen Körper nur noch als Hülle empfunden, die Seele war raus! Und dieser Körper war nicht mehr er, nichts daran hat mich mehr an ihn erinnert. Am Tag der Beerdigung hat es geregnet, nachdem es zuvor drei Wochen lang eine Bullenhitze war. Also sein Sarg angehoben wurde, um ihn in die Erde zu lassen, tat es einen Blitz und einen furchtbaren Donnerschlag. Auf dem Weg zur Trauerfeier sah ich, dass der Blitz in eine große alte Eiche eingeschlagen hatte und sie von oben bis unten gespaltet hatte. Hört sich an wie im Märchen, ist aber wahr! Da wusste ich, er ist immer noch da, das war ein Zeichen. Und Dein Opa ist auch immer noch da, auch wenn seine Hülle vertauscht wurde!
Vielleicht kannst Du Deine Gedanken ja in diese Richtung lenken und seine leiblichen Überreste für nicht mehr so wichtig nehmen? Denn das, was Deinen Opa ausgemacht hat, findest Du in keiner Urne der Welt!
Nicht alle Schmerzen sind heilbar
Nicht alle Schmerzen sind heilbar, denn manche schleichen
Sich tiefer und tiefer ins Herz hinein,
Und während Tage und Jahre verstreichen,
Werden sie Stein.
Du sprichst und lachst, wie wenn nichts wäre,
Sie scheinen zerronnen wie Schaum.
Doch du spürst ihre lastende Schwere
Bis in den Traum.
Der Frühling kommt wieder mit Wärme und Helle,
Die Welt wird ein Blütenmeer.
Aber in meinem Herzen ist eine Stelle,
Da blüht nichts mehr.
Ricarda Huch