Düsseldorf.
Die Rechtsprechung an der Werdener Straße hat 2013 mehrfach für bundesweites Aufsehen gesorgt. Und sie hat gezeigt, wo die Justiz an ihre Grenzen stößt.
Ganz Deutschland kennt Friedhelm A., den Rentner mit der Qualmwolke vorm Gesicht. Denn die sollte ihn die Wohnung kosten, nach 40 Jahren. Als der Rentner gegen die Kündigung wegen Rauchens klagen wollte, versagte ihm ein Düsseldorfer Amtsrichter erst die Prozesskostenhilfe, was bundesweit für Empörung sorgte und vom Landgericht gekippt wurde. Danach urteilte der Amtsrichter im Prozess zugunsten der Vermieter. Nächsten Monat wird eine Berufungskammer erneut über den Fall verhandeln, der nicht eben von Fingerspitzengefühl bei der Düsseldorfer Justiz zeugt.
Die hat ohnehin ein schwieriges Jahr hinter sich. Nicht nur wegen des Mammutprozesses um die angeblichen Machenschaften in den einstigen Edel-Bordellen an der Rethelstraße. Ausgerechnet eins der Opfer, die dort angeblich unter Drogen gesetzt und ausgeraubt wurden, erschien im Zeugenstand unter Kokaineinfluss, ein anderer kam betrunken. Auf der Zuschauerbank ließ sich dann noch der TV-bekannte Ex-Bordellbetreiber Wollersheim samt Ehefrau und Kamerateam blicken. Voriges Jahr hatte er der Staatsanwaltschaft noch als Drahtzieher gegolten, war davon aber wieder abgekommen.
Die Ankläger mussten auch in anderen Gerichtssälen zurückrudern, wie man es bloß aus Perry-Mason-Filmen kennt. Da tauchen im Mordprozess um den Tod von Anton R., der in seiner Gartenlaube erstochen wurde, plötzlich zwei Zeugen auf, die das Opfer nach der bislang angenommenen Tatzeit noch gesehen haben wollen. Klar, dass diese Aussagen sämtliche Indizien gegen den angeklagten 19-Jährigen in Zweifel ziehen mussten. Statt lebenslange Haft am Ende ein Freispruch – und die Frage, warum die beiden Zeugen nie auf dem Radar der Ermittler aufgetaucht waren, die das Verbrechen untersuchten.
In einem anderen Todesfall zögert die Staatsanwaltschaft, Anklage zu erheben. Massimo L. starb im Oktober an den Folgen zweier Schläge mit einem Kantholz. Die will ihm ein 17-Jähriger in Notwehr versetzt haben, nachdem man in der Straßenbahn in Streit geraten war. Beim derzeitigen Ermittlungsstand sei das nicht zu widerlegen, heißt es bei den Strafverfolgern, die Beweislage zu dünn für eine Anklage.
Folgt man diesem Argument, hätte der Mord an Susanne Lucan gar nicht erst vor Gericht kommen dürfen. Nicht zuletzt wegen einer folgenschweren Panne bei der Spurensicherung war auch die Beweislage gegen den früheren Lebensgefährten der vor neun Jahren getöteten Frau recht dünn. Im Dezember ist er deshalb nach dem Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" freigesprochen worden. Eine Entscheidung, die zumindest für den 39-Jährigen, der seit neun Jahren mit dem Verdacht lebt, Klarheit schafft. Und eine, die zu treffen eben nicht Sache der Strafverfolger, sondern der Richter ist. Schließlich sind die es auch, die im Namen des Volkes Urteile sprechen.Und was für ein Signal ginge da ans Volk, wenn nach dem gewaltsamen Tod eines Menschen nicht einmal eine gerichtliche Untersuchung erfolgt ? Die Frage nach Erfolgsaussichten einer Anklage darf doch in solchen Fällen keine Rolle spielen.
Aber auch einigen Düsseldorfer Richtern möchte man ein wenig mehr Mut bei ihren Entscheidungen wünschen. Der alte Mann etwa, der Kinderpornos verkauft hat und weder ins Gefängnis muss noch das Geld hergeben, das er mit den Abscheulichkeiten verdient hat – das Gesetz sieht da durchaus auch deutlichere Strafen vor.
Es sind nicht immer rechtsstaatliche Grundsätze, die der Justiz Grenzen setzen. In Düsseldorf steht sie sich bisweilen selbst im Weg.
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