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Cold Case: Der Mord an Gertrud Kalweit - Amberg im März 1980

96 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Vergewaltigung, Missbrauch ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Cold Case: Der Mord an Gertrud Kalweit - Amberg im März 1980

27.10.2020 um 07:12
Zitat von namhaftnamhaft schrieb:Exaktheit im Lesen und Denken helfen uns weiter.
Vielen Dank für diesen freundlichen Hinweis.

Ich fasse zusammen: Egal ob nun die Psychoanalyse oder die empirische Psychologie für die Analyse des Zettels bemüht werden - aus kriminalistischer Sicht ist das bedeutungslos. Oder exakter: Jede Beschäftigung mit dem "Muttermörder" ist Kaffeesatzleserei.


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Cold Case: Der Mord an Gertrud Kalweit - Amberg im März 1980

27.10.2020 um 10:59
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Hier ergänze ich das Bild der Pseudo-Sütterlin-Handschrift. Das große M fällt tatsächlich aus dem Rahmen. Vielleicht hat der Schreiber die Schriftvariante als Verdeckungs-Code benutzt, um nicht handschriftlich identifiziert werden zu können. Der Schriftfluss sieht recht steif und konstruiert aus.


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Cold Case: Der Mord an Gertrud Kalweit - Amberg im März 1980

27.10.2020 um 13:01
Der Fall Kalweit ist seit 40 Jahren unaufgeklärt. Demnach waren die gedanklichen Ansätze unfruchtbar und die verfolgten Spuren die falschen. Auf jeden Fall haben die Ermittler damals etwas übersehen. Und sie waren nicht dümmer als wir. Folglich sollten wir nicht auf ausgetretenen Pfaden laufen und bloss die damaligen Ergebnisse wiederkäuen. Wenn nun aber die professionell-konventionellen Ansätze nicht zu Ergebnissen geführt haben, dann sollte man neue Wege gehen, "gewagte" Ansätze versuchen, die damals unberücksichtigt geblieben sind.

Wenn nun mein früherer Beitrag die Kühnheit und Raffinesse im Umfang des Bauchnabels eines Flohs enthielt, so sollte man nicht im vorschnellen Abwehrreflex "Huch, Psychoanalyse und Spekulation!" rufen.

Die Psychoanalyse "arbeitet" in überwältigendem Mass mit blossen Setzungen, die sie aus einer Glaubenslehre bezieht, die weder gesichert ist noch jemals überprüft wurde.
Diesen Unsinn wollen wir also gerne unterscheiden von einer ganz gewöhnlichen Falltheorie (wie in meinem Beitrag). Diese geht von den erhobenen fassbaren Daten aus, die mit dem Untersuchungsgegenstand in Beziehung stehen. Sie liefert dann aber auch als Rahmen eine Hypothese, worin alle wichtigen Hinweise gedanklich organisiert und gewichtet werden, um die Erklärungslücken zu überbrücken, die unser Fall bietet.

Ich bin vom Zettel und seinen Merkmalen ausgegangen. Mein Beitrag wurzelt in den sichtbaren Dingen, er ist nachvollziehbar und klar argumentierend (all dies im Gegensatz zur Psychoanalyse).
Was du, monstra, als "Spekulation" bezeichnest, ist ja ein notwendiger Teil eines jeden Erklärungsansatzes, um überhaupt auf etwas zu stossen, was nicht schon zu Tage liegt!
Wir haben ja einen unbekannten Täter mit unbekanntem Motiv und nicht einen bekannten Patienten auf dem bekannten Liegestuhl, der mit Befriedigung stundenlang aus seiner Kindheit erzählt!

Es liegt auf der Hand, dass im Fall Kalweit nach 40 Jahren ohne Ergebnis eine wichtige Spur übersehen oder falsch eingeordnet wurde.
Der bekannte Fallanalytiker Alexander Horn äusserte einmal, dass gerade Sexualverbrechen oft viel schwerer zu begreifen sind, als es den Anschein hat, und das gelte sogar für die Erfahrensten in den Mordkommissionen.

Unter den berühmten schweren Fällen der deutschen Nachkriegskriminalgeschichte finden sich etliche, worin gestörte Mutter-Kind-Beziehungen die entscheidende Rolle spielten. Das Opfer wurde dann nicht die Mutter selbst, sondern eine andere Frau.
Die psychologischen Aspekte der Verbrechen sind sehr begrenzt und wiederholen sich.

Und eine der Hauptfehlerquellen bei diesen Verbrechen ist die, zu glauben, der Täter müsse ein Fremder sein (z.B. ein US-Soldat), denn zwei Drittel bis drei Viertel der Täter stammen hier aus dem Nahraum des Opfers. Für viele ist es schwer zu begreifen, dass ein netter, kinderliebender Vater oder ein schüchterner, höflicher Jugendlicher ausserordentliche und brutale Verbrechen verübt.

Offenbar haben die Ermittler den einige Tage später am Tatort gefundenen Zettel als den entrüsteten Aufruf eines wütenden Bürgers gelesen. In meinem Beitrag habe ich diesen Zettel "gegen den Strich" gelesen und begründet, welche Merkmale dafür sprechen, dass man dies tun kann und tun sollte. Es gibt viele Fälle, in welchen es Menschen wichtig war, dass etwas bloss in die Schrift gelegt und dort geborgen war (z.B. ein einziges Wort oder ein ausgedrücktes Symbol oder eine Reihe von Buchstaben), obwohl der Inhalt des Geschriebenen gar nicht darauf hindeutet. Das können ganz wichtige Dinge sein.

Mit Psychoanalyse hat das alles nichts zu tun. Über deren Unsinn sind wir uns ja einig, monstra ("Kaffeesatzleserei").

Wir sollten aber nicht jeden aussergewöhnlichen Gedanken mit Etiketten beschmeissen und ablehnen, sonst ersticken wir in der Konventionalität, wenn im Falle eines ungelösten Falles das Gegenteil gefragt ist.

Der Hinweis von Plyxe auf den steifen und ungelenken Schriftfluss ist sehr interessant! Das habe ich übersehen. Danke.


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27.10.2020 um 13:24
Die Striche über den Üs sind auch anders.


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27.10.2020 um 13:57
Zitat von RonnjaRonnja schrieb:Die Striche über den Üs
Das sind keine Üs, sondern jeweils ein kleines u, über das man bei der Sütterlin-Schrift einen (quer-) Strich macht um es vom e unterscheiden zu können. Und die beiden Striche über den ös sind ganz normal. Das war beides so üblich.

Im Übrigen würde ich vermuten, dass der Zettel nicht von einem älteren Menschen geschrieben wurde, der diese Schrift immer benutzte, sondern von jemandem, der sie vielleicht einmal gelernt, aber kaum jemals verwendet hat. Also entweder jemand, der sie bis 1941 (als sie abgeschafft wurde) in der Schule hatte und dann direkt auf lateinische Schreibschrift umschwenken musste, oder jemand, der sich das einmal aus historischem Interesse später in seinem Leben angeeignet hat.


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Cold Case: Der Mord an Gertrud Kalweit - Amberg im März 1980

27.10.2020 um 15:03
@brigittsche
Zitat von brigittschebrigittsche schrieb:Also entweder jemand, der sie bis 1941 (als sie abgeschafft wurde) in der Schule hatte und dann direkt auf lateinische Schreibschrift umschwenken musste, oder jemand, der sich das einmal aus historischem Interesse später in seinem Leben angeeignet hat.
Ich hatte diese Schrift auch in der Schule. (In Bayern). Sie kann nicht 1941 abgeschafft worden sein, da war ich noch lange nicht auf der Welt.
Die Schrift sieht sehr ordentlich aus. Der Schreiber hat sich Mühe gegeben, schön zu schreiben. Mir fällt auf, dass das e mit seinen beiden senkrechten Strichen keine Verbindung hat. So etwas habe ich noch nie gesehen. Da das wohl keine Bedeutung haben kann, denke ich, dass das eine Eigenart des Schreibers ist, sein Stil halt. Deshalb kann es sein, dass er öfter in dieser Schrift etwas geschrieben hat.
Diese Schrift hat mit der Schriftweise eines Amerikaners nichts zu tun. Diese Schrift ist ganz typisch für Deutschland vor der Zeit der amerikanischen Besatzung. Und der Schreiber setzt meiner Meinung nach sogar noch einen drauf: Deutsch, ordentlich, geradlinig, schön. Aber nicht korrekt, denn das M gehört nicht zu Sütterlin. Wollte er damit ausdrücken: der Mörder ist nicht amerikanisch, es ist ein Deutscher, der ordentlich, geradlinig erscheint, aber nicht korrekt ist.


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27.10.2020 um 15:05
Zitat von brigittschebrigittsche schrieb:Das sind keine Üs, sondern jeweils ein kleines u, über das man bei der Sütterlin-Schrift einen (quer-) Strich macht um es vom e unterscheiden zu können.
@brigittsche
... um es vom 'n' unterscheiden zu können.


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Cold Case: Der Mord an Gertrud Kalweit - Amberg im März 1980

27.10.2020 um 15:17
Zitat von HathoraHathora schrieb:Ich hatte diese Schrift auch in der Schule. (In Bayern). Sie kann nicht 1941 abgeschafft worden sein, da war ich noch lange nicht auf der Welt.
Das ist in Bayern gut möglich. Die uns bekannte Schreibschrift wurde dort erst 1966 eingeführt.
Die Lateinische Ausgangsschrift (LA) wurde vom Iserlohner Schreibkreis aus der Deutschen Normalschrift entwickelt und am 4. November 1953 durch den Erlass der Kultusministerkonferenz verbindlich in der damaligen Bundesrepublik Deutschland als Schulausgangsschrift eingeführt. In Bayern wurde die LA erst 1966 verbindlich eingeführt.
Quelle: Wikipedia: Ausgangsschrift

Diese sog. deutsche Schreibschrift soll in Bayern bis in die 1980er Jahre hinein noch gelehrt worden sein. Ich kann mich aber an dergleichen nicht erinnern.
An west- und ostdeutschen Schulen wurde nach 1945 außer der lateinischen Ausgangsschrift die deutsche Schreibschrift teilweise bis in die 1980er Jahre zusätzlich gelehrt.
Quelle: Wikipedia: Sütterlinschrift

Trotzdem: Der Zettel ist zwar interessant, erlaubt es aber nicht, Rückschlüsse auf den Täter zu ziehen. Sondern nur auf die unbekannte Person, die ihn einige Tage später dort hingelegt hat.

Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass der Täter hier etwas seiner "Mitwelt kundtun" wollte.
Zitat von namhaftnamhaft schrieb:Der Zettel mit dem Ausdruck "Muttermörder" sollte offenbar intakt am Tatort gefunden werden. Das könnte ein starkes Symbol sein, welches aus der Sicht des Schreibers als Täter nach einem für ihn wichtigen Ausdruck verlangte:
Es geht hier nicht bloss um ein Sexualverbrechen, sondern vor allem um eines an der eigenen Mutter. Der Täter wollte dies nicht nur für sich selbst zum Ausdruck gebracht haben, sondern auch der Mitwelt kundtun. Die Tat zeigt eine gewaltige sexuelle Aggression gegen Frauen UND die Mutter. Die Parole "Tod dem Muttermörder" zeigt als Botschaft einen Selbstausdruck und eine begriffliche Richtigstellung von vornherein (sonst hätte er ein beliebiges Mädchen anfallen können).
Die Parole ist offenbar bloss eine passende Form für die Botschaft, oder der Täter "entlastet" sich hiermit auch moralisch, indem er zum Tod des Täters aufruft.
Die Mutter des Täters wird nie erfahren haben, dass eine andere Frau als Stellvertreterin vergewaltigt und ermordet wurde.



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Cold Case: Der Mord an Gertrud Kalweit - Amberg im März 1980

27.10.2020 um 15:31
@alle
Um das mal zeitlich etwas einzugrenzen.
Meine Grosseltern, geboren um 1880/1900 lernten nur die deutsche Schrift und benutzten diese bis zum Lebensende. Lesen konnten sie natürlich das Lateinische in Druck- und Schreibschrift.
Meine Eltern, geboren 1927/1934, lernten beide Schriftarten und hatten in ihrer alltäglichen Handschrift oft eine Mischung aus beiden.
Ich, geboren 1956, lernte in der Schule zuerst Lateinische Druckschrift auf der Schiefertafel, dann zeitgleich lateinische und deutsche Schreibschrift bis zur 4. Klasse. Ab dann nur noch lateinisch.
Die deutsche Schrift kann ich zwar noch lesen und schreiben, aber ich benutze sie seit damals nicht mehr.
Der Schreiber des Zettels muss also, wenn nicht
Zitat von brigittschebrigittsche schrieb:jemand, der sich das einmal aus historischem Interesse später in seinem Leben angeeignet hat.
Im Jahr 1980 zwischen schätzungsweise 40 bis 60 Jahre alt gewesen sein. Er war deutsch und hatte in der Schule beide Schriftarten gelernt, wobei er die deutsche oft noch zu besonderen Gelegenheiten benutzt. Also etwa die Generation meiner Eltern. Diese Schrift ist so hübsch gestaltet mit diesem fehlenden Verbindungsstrich im e , dass ich vermute, es könnte eine Frau geschrieben haben. Männer sind meistens etwas nachlässiger in ihrer Schrift. Vor allem lassen sie sich dann kein attraktives Detail einfallen.


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Cold Case: Der Mord an Gertrud Kalweit - Amberg im März 1980

27.10.2020 um 15:41
@monstra
Zitat von monstramonstra schrieb:Trotzdem: Der Zettel ist zwar interessant, erlaubt es aber nicht, Rückschlüsse auf den Täter zu ziehen. Sondern nur auf die unbekannte Person, die ihn einige Tage später dort hingelegt hat.

Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass der Täter hier etwas seiner "Mitwelt kundtun" wollte.
Ich bin ganz genau derselben Meinung!
Im Höchstfall kann der Schreiber vielleicht etwas über den Täter wissen, oder vermuten, wer es gewesen sein könnte. Wenn dieser Verdächtige zum näheren Bekanntenkreis des Schreibers gehörte, wollte er vielleicht so ganz subtil auf ihn hinweisen, ohne dass jemand eine Ahnung hat, wer der Hinweisgeber war.
Das ist aber auch schon nicht sehr wahrscheinlich, wenn auch nicht gänzlich unmöglich.
Irgendeinen Sinn muss dieser Zettel ja erfüllt haben.
Gänzlich ausschliessen möchte ich allerdings, dass der Mörder diesen Zettel verfasst hat, ihn am Tatort abgelegt hat und damit sagen möchte, dass er die Frau stellvertretend für seine Mutter getötet hat.


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Cold Case: Der Mord an Gertrud Kalweit - Amberg im März 1980

27.10.2020 um 16:08
Zitat von HathoraHathora schrieb:Ich, geboren 1956, lernte in der Schule zuerst Lateinische Druckschrift auf der Schiefertafel, dann zeitgleich lateinische und deutsche Schreibschrift bis zur 4. Klasse. Ab dann nur noch lateinisch.
Interessanter Ausflug in die Graphologie! Ich hatte erst vor einigen Tagen nahe Amberg eine Kiste meiner Großmutter (*1922) mit Fotos und Briefen entdeckt. Ihre Handschrift konnte ich nicht lesen. Selbst mit Frakturschrift habe ich meine Probleme.
Zitat von HathoraHathora schrieb:Irgendeinen Sinn muss dieser Zettel ja erfüllt haben.
Ich denke, da hat jemand, wohl in der Nähe wohnend seine Erschütterung und seine Abscheu zum Ausdruck bringen wollen. Und seine Anteilnahme. Vermutlich eine Frau. Vielleicht handelte es sich um eine Nachbarin, sicher aber jemand, der wusste, dass Frau Kalweit Kinder hatte und sich um ihre Familie kümmerte. Vermutlich war die Person selbst Mutter, weil sie den Umstand, dass das Opfer Mutter war, sehr in den Vordergrund stellt.

Nun wusste man auch schon 1980, dass es sich nicht ziemte, einem Mörder den Tod zu wünschen. Genau diesem Wunsch wollte sie aber äußern. Um anonym zu bleiben, wählte sie eine Schrift, die sie einmal gelernt hatte, aber nicht mehr praktizierte. Auch dieser Umstand lässt mich vermuten, dass sie in der Nähe wohnte. Vermutlich hat sie danach noch in St. Martin oder auf dem Mariahilfberg eine Kerze angezündet.

Der Zettel zeigt also, wie sehr die Bevölkerung in diesem Städtchen von diesem Verbrechen mitgenommen war.


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Cold Case: Der Mord an Gertrud Kalweit - Amberg im März 1980

27.10.2020 um 16:23
Zitat von monstramonstra schrieb:Der Zettel zeigt also, wie sehr die Bevölkerung in diesem Städtchen von diesem Verbrechen mitgenommen war.
Gute Zusammenfassung! Mehr sagt er leider nicht, allenfalls noch, dass die Person, die ihn geschrieben hat, durch Verwendung einer für sie ungewöhnlichen Schrift anonym bleiben wollte.

Letztlich ist das Ganze auch nicht so ungewöhnlich, wenn man sich einmal anschaut, wie heute die Leute oft Kerzen an Tatorten aufstellen, Briefe hinterlegen, Blumen und (bei ermordeten Kindern) Kuscheltiere ablegen usw.

Das war damals zwar noch nicht so üblich wie heute, ist aber eben auch nichts Unerklärliches.


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Cold Case: Der Mord an Gertrud Kalweit - Amberg im März 1980

27.10.2020 um 16:56
Zitat von HathoraHathora schrieb:Ich, geboren 1956, lernte in der Schule zuerst Lateinische Druckschrift auf der Schiefertafel, dann zeitgleich lateinische und deutsche Schreibschrift bis zur 4. Klasse. Ab dann nur noch lateinisch.
Die deutsche Schrift kann ich zwar noch lesen und schreiben, aber ich benutze sie seit damals nicht mehr.
Ich finde das total interessant, meine Mutter (*1954) hat sie in der Schule (Bayern) nicht mehr gelernt, ich (*1984) jedoch in der Grundschule schon.

Meine Großeltern und Urgroßeltern (1898 - 1930) haben sie natürlich gelernt, und meine Urgroßeltern, zumindest die, die ich kennengelernt habe, haben alle eine Mischung aus Sütterlin und latenischer Schrift geschrieben. Meine Oma (*1929) auch lange Zeit, jetzt verfällt sie immer mehr ins Sütterlin zurück.

Daher ist der Zettel am Tatort für mich zwar sehr interessant, würde für mich persönlich aber nur den Rückschluss zulassen, dass derjenige Sütterlin und lateinische Schrift gelernt hat. Eine Generationeneingrenzung könnte ich nicht vornehmen.
Was halt "auffällig" meines Erachtens ist, ist eben, dass die Schrift sehr ordentlich ist, also der Leser es auch lesen können sollte, das "e", das ohne Verbindungsstrich ist (habe ich so noch nie gesehen - Eigenheit des Schreibers?) und dass eben das "M" in lateinischer Schrift ist.
Ich dachte zwar an einen älteren Menschen, jedoch ist die Schrift sehr "kraftvoll", keinerlei Zittern, flüssig geschrieben...es gibt zwar ältere Menschen, die sich das bis ins hohe Alter bewahren können, doch bei den meisten wird die Schrift irgendwann ein wenig dünner und zittriger.

Allerdings beteilige ich mich momentan wenig auf allmystery, lese nur mit. Manche Mitglieder stoßen mir sauer auf und ich möchte mich auf keine Diskussion einlassen, schon gar nicht zu meinen Befindlichkeiten, was hier den Umgang mit manchen Opfern betrifft.

Aber ich finde die Diskussion hier sehr interessant und bin froh, dass der Thread nicht in der Versenkung verschwindet!


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Cold Case: Der Mord an Gertrud Kalweit - Amberg im März 1980

27.10.2020 um 18:22
Meine Tante zwang in den 60er Jahren ihre vier Kinder, die Sütterlin-Schrift schreiben zu lernen, und zwar am Sonntagnachmittag. Meine Cousinen und Cousins sollten die gleiche Schrift lernen wie einst ihre Mutter. Sie meinte auch, das helfe zur "Charakterschulung". Zudem sollten die Kinder auf diese Weise besser die alten Briefe und Postkarten der Verwandten und Bekannten lesen können, die zum Teil ja immer noch schrieben:
"Wenn ich mal nicht mehr bin, wer liest dann noch meine Sachen und all das hier", wobei sie mit der Hand auf eine Truhe wies.

Es ist demnach nicht zwingend, dass der Schreiber des Zettels diese Schrift in der Schule zusätzlich zur Normalschrift gelernt haben muss, wie das in Deutschland teilweise noch bis über 1980 hinaus der Fall gewesen ist. Das Alter des Schreibers könnte somit ohne Weiteres zwischen 16 und 25 Jahren liegen.

Die letzten Beiträge oben befassen sich nur mit dem Inhalt des Zettels und bewegen sich wohl genau auf der Bahn, in der man damals auch gedacht hat.

Es ist gewiss richtig, dass das übliche Denken und die naheliegendsten und einfachsten Erklärungen im Falle von Verbrechen MEISTENS auch die erfolgversprechenden sind.
Aber das gilt ja nur dann, wenn man am Anfang der Ermittlungen steht!
Wir stehen nicht mehr am Anfang, sondern wir blicken auf 40 Jahre zurück, ohne Ergebnis.

Demnach sind wir heute berechtigt zu fragen:
Was bleibt noch, wenn in diesem Fall, das Übliche, das Einfache und Naheliegende zu denken, ausnahmsweise eben NICHT zur richtigen Spur geführt hat?

Was der Zetteltext inhaltlich sagt und dass er passend erscheint, ist auch mir klar.

Aber niemand ausser mir hat bisher eine mögliche oder gar plausible Erklärung gegeben für die ungewöhnliche Form, also für alle diese drei von der gewählten Grundschrift abweichenden "M", von denen eines mitten im Wort grossgeschrieben ist.

Wenn die Ermittler damals etwas übersehen haben, dann gewiss nicht das Übliche.


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Cold Case: Der Mord an Gertrud Kalweit - Amberg im März 1980

27.10.2020 um 19:15
Zitat von namhaftnamhaft schrieb:Es ist demnach nicht zwingend, dass der Schreiber des Zettels diese Schrift in der Schule zusätzlich zur Normalschrift gelernt haben muss, wie das in Deutschland teilweise noch bis über 1980 hinaus der Fall gewesen ist. Das Alter des Schreibers könnte somit ohne Weiteres zwischen 16 und 25 Jahren liegen.
Das ist richtig, widerspricht aber eben
Zitat von namhaftnamhaft schrieb:Es ist gewiss richtig, dass das übliche Denken und die naheliegendsten und einfachsten Erklärungen im Falle von Verbrechen MEISTENS auch die erfolgversprechenden sind.
Legt man diese grundsätzliche Annahme zugrunde, ist es wahrscheinlicher, dass der Schreiber des Zettels zu der Generation gehört, die diese Schrift noch regelmäßig in der Schule gelernt hat (das waren alle der betreffenden Generationen) als dass es sich um jemanden jüngeren handelt, der das aus persönlichem Interesse sich angeeignet hat (das sind dann nämlich deutlich weniger in einer Generation). Zumal damals auch noch wesentlich mehr sütterlinkundige Angehörige der Generation, die es in der Schule gelernt hat lebten und aktiv waren als heute. Heute wäre das genau umgekehrt und man müsste ziemlich sicher davon ausgehen, dass es eben nicht eine 95jährige Dame war, die es geschrieben hat, sondern ein jüngerer Mensch, der sich diese Schrift aus Interesse angeeignet hat.

Im Übrigen hat man diese Schrift in der Tat auch nach 45 in den Schulen durchgenommen, das bedeutet aber nicht, dass man sie so genau gelernt und geübt hat, dass man es auch wirklich und vor allem nach Jahren des Nichtpraktizierens sicher schreiben konnte.

Und man kann auch soweit gehen, dass der Schreiber schlichtweg in der Orthographie nicht besonders sattelfest war und deshalb "Muttermörder" ohne weitere bewusste oder unbewusste (!) Absicht als "Mutter Mörder" geschrieben hat, eventuell sollte es auch "Mutter-Mörder" heißen und er hat durch den zu geringen Wortabstand den Bindestrich nicht mehr unterbringen können.

Ich will damit im Übrigen auch gar nicht grundsätzlich gegen eine psychologische Herangehensweise anreden, aber die Wahrscheinlichkeit spricht meiner Meinung nach hier trotz allem für die banalen Erklärungen.

Und dass nach der Todesstrafe für den Mörder gerufen wird...nun ja, ich empfehle mal einen Blick in die Leserkommentare der Online-Ausgabe einer beliebigen Zeitung, wenn es im Artikel um einen Kindermörder geht. Da unterscheiden sich die Reaktionen heute auch nicht grundlegend von dem Inhalt dieses Zettels.


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27.10.2020 um 20:20
@CaiaLia
Diese 3 M in lateinisch geschrieben könnten u.U. vielleicht ein Hinweis sein. Besonders, da mitten im Wort Muttermörder auch ein grosses M platziert wurde. Somit mussten es drei M sein. Zwei reichten nicht aus.
Zitat von HathoraHathora schrieb:Wenn dieser Verdächtige zum näheren Bekanntenkreis des Schreibers gehörte, wollte er vielleicht so ganz subtil auf ihn hinweisen, ohne dass jemand eine Ahnung hat, wer der Hinweisgeber war.



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27.10.2020 um 21:25
Zitat von HathoraHathora schrieb:Besonders, da mitten im Wort Muttermörder auch ein grosses M platziert wurde.
Vielleicht hat sich da jemand an Fritz Langs Film "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" erinnert?


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27.10.2020 um 21:57
Zitat von HathoraHathora schrieb:Diese 3 M in lateinisch geschrieben könnten u.U. vielleicht ein Hinweis sein. Besonders, da mitten im Wort Muttermörder auch ein grosses M platziert wurde.
Vielleicht ist es aber auch einfach so, dass der Schreiber eben die Sütterlinschrift im Alltag nicht verwendet und dann bei diesen Buchstaben unwillkürlich in die lateinische Schrift verfällt oder schlichtweg nicht mehr wusste, wie der betreffende Buchstabe in der Sütterlinschrift aussieht? Und bei dem großen M mitten im Wort denke ich nach wie vor, dass hier vielleicht einfach ein Schreibfehler vorliegt, statt Muttermörder "Mutter Mörder", wobei evt.l ein Bindestrich ("Mutter-Mörder") wegen des zu gering geratenen Wortabstands nicht hingepasst hat....?

Immerhin endet das "r" mit einem Aufstrich, und das M beginnt in gleicher Höhe mit einer Schleife, da wäre es doch ohne weiteres möglich gewesen, die beiden Worte miteinander zu verbinden, wenn aus irgendeinem Grund "MutterMörder" geschrieben werden sollte. So ist es aber, strenggenommen "Mutter Mörder".

Wenn jemand hier eine versteckte Botschaft einbauen wollte, dann hätte er doch wohl die Buchstaben noch deutlicher hervorgehoben, also z. B. durch Unterstreichen. Was nützt es, solche Zeichen (was auch immer die dann bedeuten mögen) anzubringen, wenn der Leser dann nicht einmal bemerkt, dass da eine Botschaft drinsteckt?

Wie gesagt, ich glaube nicht an eine versteckte Botschaft, aber wenn, dann wäre es vielleicht als (nicht nach den Regeln erstelltes) Chronogramm zu verstehen, bei dem die drei großen M (in lateinischer Schrift!) jeweils für die Römische Zahl Tausend stehen.

Aber was nun 3000 in diesem Fall sagen könnte, das weiß ich nicht.... (mal so herumgesponnen!)


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27.10.2020 um 22:28
@brigittsche
Zitat von brigittschebrigittsche schrieb:Was nützt es, solche Zeichen (was auch immer die dann bedeuten mögen) anzubringen, wenn der Leser dann nicht einmal bemerkt, dass da eine Botschaft drinsteckt?
Ja, ist richtig.
Vielleicht ist es wirklich nur ein Amberger, ein Nachbar, Kollege oder Bekannter, den die Tat so empört hat und das zum Ausdruck bringen wollte.
Wobei ein Muttermörder ja nicht der Mörder irgendeiner Mutter ist, sonder der Mörder seiner eigenen Mutter. Aber wenn das ein älterer schlichter Mensch geschrieben hat, dann hat er das halt nicht gewusst.


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30.10.2020 um 09:50
Wenn es wirklich eine verstecke Botschaft sein sollte und jemand wusste wer der Mörder ist, könnten mit den 2 Ms meiner Meinung nach noch am ehesten die Anfangs-Initialen gemeint sein?
Ich weiß ziemlich weit hergeholt, aber warum nicht...


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