Eine an sich interessante Frage, die ich nachfolgend analysieren möchte und abschließend auf ein paar Punkte der hier anwesenden User eingehen werde.
Zuerst brauchen wir eine präzise Definition dessen, was mit "Fraktal" gemeint ist. Ich nehme einfach mal die folgende Definition [1], die es gut erfasst:
"A fractal is a never-ending pattern. Fractals are infinitely complex patterns that are self-similar across different scales. They are created by repeating a simple process over and over in an ongoing feedback loop. Driven by recursion, fractals are images of dynamic systems – the pictures of Chaos. Geometrically, they exist in between our familiar dimensions. Fractal patterns are extremely familiar, since nature is full of fractals. For instance: trees, rivers, coastlines, mountains, clouds, seashells, hurricanes, etc. Abstract fractals – such as the Mandelbrot Set – can be generated by a computer calculating a simple equation over and over."Fraktale bezeichnen also spezifische Muster, die durch eine Sequenz, welche durch eine rekursive Funktion generiert wird, erstellt werden. Einer der bekanntesten Fraktale dürfte die Mandelbrotmenge sein:
Diese komplexe Struktur wird durch eine simple Rekursion, gegeben durch z_{n+1} = z_{n}^2 + c, konstruiert. [2] Wobei sich sowohl Definitions-und Bildbereich im Bereich der komplexen Zahlen befinden, sprich wir es mit einer Funktion der Form C -> C zu tun haben. Generiert man nun mithilfe dieser Rekursion eine ausreichend große Sequenz an Zahlen und will sie graphisch darstellen, wird man eine Struktur wie das obige Fraktal erhalten. Dieses Prinzip lässt sich dementsprechend auf andere Strukturen übertragen, die dann unterschiedliche, geometrische Muster erzeugen (sofern die rekursive Formel gegeben ist).
An dieser Stelle nebenbei gefragt: Unterstützt Allmystery nicht zufällig LaTex-Kodierung oder kennt jemand solide, entsprechende HTML-Äquivalente, mit der man mathematische Symbole angemessen darstellen kann? So wird es leider klotzig; ich müsste daher etwas auf mathematischen Formalismus verzichten, was schon schade für den weiteren Diskussionsverlauf wäre.
Zurück zum Thema:
Fraktale bilden also sogenannte "Feedbackschleifen", da sie bei jedem Iterationsschritt auf den vorherigen Zustand zurückgreifen und dadurch zu einem neuen gelangen können. Dieses Prinzip machen sich auch übrigens funktionale Programmiersprachen wie Haskell zunutze, da sie statt Schleifen Rekursionen nutzen, um durch sukzessive Teillösungen eine Gesamtlösung zu finden (bei Interesse vgl. [3]).
Damit können wir uns nun der Beantwortung der eigentlichen Frage widmen: Ist denn das Universum ein
Fraktal?
Nun, wir können viele Prozesse mit Fraktalen (mehr oder minder präzise) modellieren, siehe bspw. anhand dieses Beispiels [4] durch eine Fibonacci-Sequenz. Weitere Beispiele faszinierender, schöner und fraktaler Strukturen, die man in der Natur vorfinden kann, sind bspw. Bäume oder Schneeflocken [5]. Was mich persönlich sehr stark fasziniert, ist jedoch die Darstellung der biologischen Evolution als ein fraktales Muster, denn Änderungen an bereits vorhandenem führen über die Zeit zu neuen Variationen (durch natürliche Selektion). Evolution ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine Feedbackschleife aussehen mag. Dazu ein interessanter Auszug aus folgendem Artikel [6]:
"[...] The evolution of life has many characteristics that are typical of non-linear systems. First, it is deterministic: changes in one part of the system, such as the mutation of a DNA base, directly cause other changes. However, the change is unpredictable. Just like the weather, changes are inexorable but can only be followed with the benefit of hindsight.
Second, behaviour of the system is sensitive to initial conditions. We see this in responses to glaciations in the Quaternary period. The exact circumstances of the beginning of each interglacial determine the development of the whole period, leading to unpredictable differences between interglacials (Quaternary Science Reviews, vol 14, p 967).Third, the history of life is fractal. Take away the labelling from any portion of the tree of life and we cannot tell at which scale we are looking (see diagram). This self-similarity also indicates that evolutionary change is a process of continual splitting of the branches of the tree. [...]".Letztendlich sind diese Prozesse bzw. Phänomene alle (echte) Teilmenge unseres Universums, welches selbst eine Art von mathematische Struktur ist. Dementsprechend können wir auch viele dieser Phänomene gut mit fraktalen Modellen abbilden und beschreiben. Dies trifft jedoch längst nicht auf
alle zu, denn nicht alles lässt sich bloß durch rekursive Formeln darstellen. Zum Beispiel haben viele Naturgesetze mathematisch die Struktur von Differentialgleichungen (gewöhnliche wie partielle). Ein (mathematisches) Pendel kann auf diese Weise beschrieben werden (siehe [7]); es ist jedoch keine rekursive Gleichung und hat somit auch keine fraktale Struktur. Auf Wunsch kann ich noch gerne weitere Beispiele heraussuchen und diese versuchen, näher zu erläutern. Gerade die Quantenmechanik könnte hier einiges an Material liefern.
Da, wie ich aufzählte, mehr als genug andere, mathematisch anders strukturierte (bzw. beschreibbare) Phänome existieren, kann man
nicht sagen, dass das Universum bloß ein Fraktal ist, auch wenn es genügend solcher Strukturen beinhaltet. Wie so oft ist die Wirklichkeit immer ein wenig komplexer und kann nicht auf wenige (oder gar einen) Begriffe reduziert werden, von denen man aus irgendwelchen Gründen beeindruckt ist.
Zum Schluss noch paar Kommentare zu anderen Aussagen, die ich hier lese:
NovaFusion schrieb:Natürlich ist die fraktale Mathematik undendlich. Und ich weiß was du meinst. Ja klar ist die fraktale Mathematik unendlich, weil sich die Formen immer weiter runterbrechen, nur ein Baum ist halt nicht unendlich.
Kannst Du den Begriff "fraktale Mathematik" eindeutig definieren oder sonst auf irgendeine Weise charakterisieren? Auch das "unendlich" in diesem Kontext ist seltsam, zumal es nicht danach aussieht, als sei Dir bewusst, wie "Unendlichkeit" innerhalb der Mathematik verstanden wird.
Wie man vielleicht meinem Post entnehmen kann, sind fraktale emergente Phänomene. Sie tauchen in verschiedenen mathematischen Bereichen wie der Chaostheorie, der Topologie und auch der Algebra auf. Rekursionen bilden ohnehin ein extrem elementares Vorgehen, dass jeder Student der Informatik oder Mathematik schon im ersten Semester lernt.
Fraktale Mathematik habe ich nie gehört. Selbst ein Student, der im Moment Luftraumtechnik studiert, hat noch nie etwas über die fraktale Mathematik gehört. Das ist keine normale Schulmathematik, so wie wir sie kennen mit Rechtecken, Quadraten und Wurzeln.
Was aber wohl eher daran liegt, dass die Bezeichnung "Fraktale Mathematik" so nicht in der Fachwelt auftaucht. Ich bin mir sicher, dass die besagten Studenten mindestens schon etwas von Fraktalen und Rekursionen gehört haben. Je nachdem, welchen Kurs man belegt oder welchen Lehrer man hat, wird sowas auch schonmal in der Schule angesprochen.
Das sind alles Indizien, dass die fraktale Mathematik in der Natur vorhanden ist.
Wie ich schrieb ist das eine recht triviale Feststellung und trifft im Kern auch nicht die Ausgangsfrage des Threads.
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Quellen:
[1]:
http://fractalfoundation.org/resources/what-are-fractals/[2]:
Wikipedia: Mandelbrot set[3]:
https://en.wikibooks.org/wiki/Haskell/Recursion#Loops.2C_recursion.2C_and_accumulating_parameters[4]:
http://fractalfoundation.org/OFC/OFC-11-1.html[5]:
Wikipedia: Patterns in nature#Trees.2C fractals[6]:
https://www.newscientist.com/article/mg20827821-000-the-chaos-theory-of-evolution/[7]:
https://www.hs-aalen.de/uploads/mediapool/media/file/4296/03PZ_S1_Mathematisches___Physikalisches-Pendel.pdf