Die Blue Zones - Mythos endgültig debunked?Es ging neulich ansatzweise durch die Medien, aber so richtig in den Mainstream hat es die schlechte Nachricht für die Anhänger der Blue Zones dann natürlich nicht geschafft. Auch bei Allmystery kam das m. W. noch nicht vor. Daher hier schnell noch ein kurzer Abriss.
Das Konzept der Blue Zones, aus der unter anderem das Konstrukt der Mediterranean Diet hervorgeht, die es in Wirklichkeit dort, wo Ancel Keys sie ursprünglich mal entdeckt zu haben meinte, gar nicht so recht gibt, war ja immer schon höchst dubios. Ein wohlfeiles Bilderbuch-Narrativ. Aber wissenschaftlich nie untermauert und z. T. auch herbeifabriziert.
Saul Newman hat schon 2018 oder so im Rahmen einer Gruppe, die Bevölkerungsstatistiken investigativ unter die Lupe nahm, festgestellt, dass es in vielen Fällen die angeblich so vielen sehr alten Menschen in bestimmten Regionen gar nicht gab und die Statistik verzerrt und unbrauchbar ist. Jetzt hat er einen alternativen Nobelpreis bekommen und das Ganze kocht noch mal hoch.
Unter den deutschen Artikeln liefert das RND auf den ersten Blick eine gute Zusammenfassung:
Ältester Mann der Welt ohne Geburtsurkunde
Forscher entlarvt eine Mär über Hundertjährige
Das Wesentliche zuerst:
Newman, der damals Postdoktorand an der Australian National University in Canberra war und heute am Institute of Population Aging der Universität Oxford arbeitet, war ebenso fasziniert. Doch der australische Forscher konnte bei seinen Untersuchungen beim besten Willen keine Geheimtipps für die Langlebigkeit der dortigen Menschen finden. Vielmehr kam er zu dem Schluss, dass es eigentlich gar keine blauen Zonen gibt. Stattdessen fand er an vielen dieser Orte schlampig geführte Geburten- und Sterberegister vor.
... und noch ein bisschen Beiwerk, das im Artikel zuerst kommt:
Als Saul Newman vor fünf Jahren seine Forschung über „blaue Zonen“ veröffentlichte und diese als Mythos entlarvte, hörte kaum jemand hin. „Blaue Zonen“, das sind Orte wie Okinawa in Japan, Sardinien in Italien oder Ikaria in Griechenland, wo viele Menschen angeblich ein erstaunlich langes und gesundes Leben führen.
Dass Newmans Forschung auf taube Ohren stieß, dies mag daran liegen, dass diese Ansammlung von angeblich Hundertjährigen eine Menge spannenden Stoff für die Medien liefert. Netflix hat der Thematik sogar eine eigene Dokumentation gewidmet. Leben die Menschen in diesen blauen Zonen gesünder? Sind sie weniger gestresst? Was ist ihr Geheimnis? Olivenöl, ein Glas Wein, eine vegane Ernährung? Das Geheimnis, wie Menschen die 100-Jahre-Marke knacken, ist ein Thema, das Menschen auf der ganzen Welt interessiert.
Quelle:
https://www.rnd.de/panorama/mythos-blaue-zonen-forscher-entlarvt-die-maer-der-hundertjaehrigen-JU7ZCWKFLFEKBFBVPG65UKISBA.html
Hier ein Interview aus The Conversation. Hier war ich vorgestern auf diese Sache gestoßen:
‘The data on extreme human ageing is rotten from the inside out’ – Ig Nobel winner Saul Justin Newman
Auszug:
But your work is actually incredibly serious?
I started getting interested in this topic when I debunked a couple of papers in Nature and Science about extreme ageing in the 2010s. In general, the claims about how long people are living mostly don’t stack up. I’ve tracked down 80% of the people aged over 110 in the world (the other 20% are from countries you can’t meaningfully analyse). Of those, almost none have a birth certificate. In the US there are over 500 of these people; seven have a birth certificate. Even worse, only about 10% have a death certificate.
The epitome of this is blue zones, which are regions where people supposedly reach age 100 at a remarkable rate. For almost 20 years, they have been marketed to the public. They’re the subject of tons of scientific work, a popular Netflix documentary, tons of cookbooks about things like the Mediterranean diet, and so on.
Okinawa in Japan is one of these zones. There was a Japanese government review in 2010, which found that 82% of the people aged over 100 in Japan turned out to be dead. The secret to living to 110 was, don’t register your death.
The Japanese government has run one of the largest nutritional surveys in the world, dating back to 1975. From then until now, Okinawa has had the worst health in Japan. They’ve eaten the least vegetables; they’ve been extremely heavy drinkers.(*)
Quelle:
https://theconversation.com/the-data-on-extreme-human-ageing-is-rotten-from-the-inside-out-ig-nobel-winner-saul-justin-newman-239023*1) Anmerkung: Wir wollen natürlich nicht davon ausgehen, dass mehr Gemüse für die Bevölkerung Okinawas per se gesünder gewesen wäre. Bekanntlich müsste man da ein paar mehr Faktoren diskutieren.
Hier die Arbeit von Saul Justin Newman im Original:
Supercentenarians and the oldest-old are concentrated into regions with no birth certificates and short lifespans
View ORCID ProfileSaul Justin Newman
doi: https://doi.org/10.1101/704080
AbstractThe observation of individuals attaining remarkable ages, and their concentration into geographic sub-regions or ‘blue zones’, has generated considerable scientific interest. Proposed drivers of remarkable longevity include high vegetable intake, strong social connections, and genetic markers. Here, we reveal new predictors of remarkable longevity and ‘supercentenarian’ status. In the United States, supercentenarian status is predicted by the absence of vital registration. The state-specific introduction of birth certificates is associated with a 69-82% fall in the number of supercentenarian records. In Italy, which has more uniform vital registration, remarkable longevity is instead predicted by low per capita incomes and a short life expectancy. Finally, the designated ‘blue zones’ of Sardinia, Okinawa, and Ikaria corresponded to regions with low incomes, low literacy, high crime rate and short life expectancy relative to their national average. As such, relative poverty and short lifespan constitute unexpected predictors of centenarian and supercentenarian status, and support a primary role of fraud and error in generating remarkable human age records.[/quote]
Quelle:
https://www.biorxiv.org/content/10.1101/704080v1.full
Wenn wir schon in der Rubrik Wissenschaft sind:
Hier ein Beispiel für ein Paper von ihm (in der Version 2), dem auch die Discussion abgebildet ist und dass im Gegenteil zum obigen Stück peer review ist. Ausgangspunkt war eine wissenschaftliche Debatte um eine These dahingehend, dass die menschliche Lebenserwartung auf 125 Jahre begrenzt ist (Dong et al.)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6039923/Das ist ein interessanter Stichpunkt auch deswegen, weil ein Aspekt der Kohlenhydrate-Kritik der ist, dass wir allgemeinhin meinen, relativ gesund sehr alt zu werden. Wir haben aber keine Daten dazu, wie unsere Lebenserwartung und Gesundheitsmarker aussähen, wenn wir uns heute von der Wiege bis zur Bahre LCHF/hypercarnivore ernähren würden. Wären dann die >100 Jahre die Regel statt die Ausnahme?
Fun Fact noch als Dreingabe:
Die "offizielle Homepage" der Blue Zones ist:
https://www.bluezones.comDie Marke erworben hat die Freikirche der Siebentags-Adventisten:
Adventisten erwerben das Unternehmen BlueZones®
Quelle:
https://adventisten.de/aktuelles/news/adventisten-erwerben-das-unternehmen-bluezonesNun verhält es sich so, dass diese
Adventisten ein notorischer Faktor in der Entwicklung der so genannten Ernährungswissenschaft durch die Food-Industrie seit
John Harvey Kellogg sind. Die verteufeln Fleisch. Das Blue-Zone-Thema heute ist ein bedeutsamer Faktor im, Propaganda-Apparat zugunsten der Pflanzenkost. Kellogg verteufelte auch die Masturbation ... gab sich aber jeden Morgen genussvoll einen Einlauf, wie im Wiki-Artikel beschrieben wird
;) Ich hatte das schon mal thematisiert:
Weizen - Die Droge für das Volk? (Seite 3) (Beitrag von Nemon)Aus dem Wiki-Link:
Cornflakes und andere Produkte
1897 gründeten John Harvey und Will Kellogg die Sanitas Food Company in Battle Creek, die die bekannten Cornflakes produzierte. Zu dieser Zeit war in den USA ein üppiges Frühstück nach englischer Art üblich mit Speck und Ei sowie Porridge. Nachdem Will Keith 1906 begann, seinen Cornflakes Zucker hinzuzufügen, zerstritten sich die Brüder darüber und sprachen nie mehr miteinander. Will gründete seine eigene Firma, die Battle Creek Toasted Corn Flake Company, die später zur Kellogg Company wurde. John Harvey Kellogg widmete sich nun auch der Produktion und Vermarktung von Sojaprodukten durch die Battle Creek Food Company. Außerdem entwickelte er Ersatzprodukte für Kaffee und für Fleisch, eines davon mit dem Geschmack von Beefsteak.
... von hier aus nahm vieles seinen Lauf, unter dem die Weltbevölkerung unter anderem durch Industrieprodukte der Standard American Diet heute leidet.
Okay, mein "kurzer Abriss" ist jetzt doch zu einem richtig langen Ding geworden hier. Gratulation jedem, der es bis hier unten geschafft hat .... und auch noch die Links liest.
:)