Universität Erlangen-Nürnberg: Forscher untersuchen Bild des Christentums inislamischen
Schulbüchern
Ute Missel,Sachgebiet
Öffentlichkeitsarbeit
Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg

29.05.2007

Welches Bild vom Christentum wird
Schülerinnen undSchülern in islamischen Ländern vermittelt? Dieser Frage ist Prof. Dr.
JohannesLähnemann, Inhaber des Lehrstuhls für Religionspädagogik und Didaktikdes
evangelischen Religionsunterrichts an der Universität Erlangen-Nürnberg,nachgegangen.
Zusammen mit Prof. Dr. Klaus Hock von der Universität Rostock sowiePatrick Bartsch und
PD Dr. Wolfram Reiss analysierte der Religionspädagoge Schulbücheraus islamisch
geprägten Ländern, unter anderem aus der Türkei, Iran, Ägypten,Palästina, Syrien,
Libanon, Jordanien, Algerien. Das Fazit der Wissenschaftler:Religiöse Toleranz spielt in
den Lehrbüchern eine wichtige Rolle, die christlicheReligion eine eher untergeordnete.
Gefördert wurde das Projekt von der DeutschenForschungsgemeinschaft.

Es gibt
viele Gemeinsamkeiten in der Betrachtung desChristentums in den verschiedenen islamisch
geprägten Ländern, sagen die Forscher: DasChristentum wird - gemäß dem Koran - als
Buchreligion betrachtet und damit prinzipiellals anerkannte Religion. Das Gesamtbild des
Christentums ist deshalb nirgendwo absolutnegativ. Andererseits gilt das Christentum als
unvollkommene Vorläuferreligion desIslam - mit dem Problem von Verfälschungen in seinen
heiligen Schriften und mitLehren, die mit dem Glauben an den einen Gott scheinbar nicht
in Einklang zu bringensind, zum Beispiel der Gottessohnschaft Jesu. Weiterhin spielen
Belastungen durch dieGeschichte eine Rolle, vor allem die Kreuzzüge und der
Kolonialismus.

Insgesamt gehen die Lehrbücher nur punktuell auf die christliche
Religion ein- ganz überwiegend dargeboten in der Form vermeintlich objektiver Fakten, so
das Fazitder Forscher. Erkenntnisse einer neueren Weltreligionen-Didaktik haben - außer
inersten Ansätzen in der Türkei - noch keinen Eingang in dieSchulbücher
gefunden.

Große Unterschiede von Land zu Land
In der Türkei hatdie Tradition
der Trennung von Kirche und Staat einen starken Einfluss auf denUnterricht: Das Fach
"Religions- und Sittenkunde" versteht sich als objektivinformierend, wobei eine
islamisch-positionelle Konzeption faktisch dominiert. Es giltaber ein
Unterrichtsprogramm, in dem auf objektive Information über die Religionen undErziehung
zur Toleranz großer Wert gelegt wird.

Im Iran als islamischeRepublik spielt
Religion in der schulischen Erziehung eine zentrale Rolle. Dabei wirdin Schulen der
Minderheiten (es gibt z. B. 36 armenische Schulen in Teheran) auchReligionsunterricht in
deren Tradition erteilt. Insgesamt aber ist der Islam in denSchulbüchern, auch den
Geschichtsbüchern, das Maß aller Dinge - dieÜberlegenheitsreligion schlechthin.
In
Ägypten wird politisch offiziell einmaßvoll islamisch-konservativer Kurs verfolgt. Die
christlichen Kirchen, voran diekoptisch-orthodoxe, gelten als anerkannte
Religionsgemeinschaften und stützen dennationalen Kurs der Regierung. Es gibt aber kaum
eine wechselseitige inhaltlicheWahrnehmung - weder in den muslimischen noch in den
christlichen Religionsbüchern. ImGeschichtsbild wird einseitig die Linie direkt von den
Kreuzzügen zum Kolonialismusgezogen.

In Palästina waren lange Zeit ägyptische (im
Gaza-Streifen) undjordanische Schulbücher (auf der Westbank) in Gebrauch. Im Zuge des
Friedensprozesseszur Lösung des Nahost-Konflikts hat es ernsthafte Bemühungen um neue
wechselseitigeWahrnehmung der muslimischen, christlichen und jüdischen
Religionsgemeinschaftengegeben. Gegenwärtig sind diese aber stark zurückgefahren, trotz
der desolatenpolitischen Lage aber nicht vollkommen auf Eis gelegt.

"Das
Besondere unseresProjekts ist, dass wir die Schulbücher nicht nur analysiert haben. Wir
hatten auchGelegenheit, konstruktive Gespräche in den Partnerländern zu führen - in
Teheran undKairo ebenso wie schon in Istanbul", berichtet Prof. Lähnemann. "Dabei
tauchte immerwieder die Frage auf, ob es gelingen kann, das Selbstverständnis
christlicher Kirchenund das anderer Religionsgemeinschaften zu berücksichtigen. Eine
schwierige Frageangesichts der im Koran festgelegten Sicht der nichtmuslimischen
Religionen. Außerdemhaben wir darüber gesprochen wie es sich erreichen lässt, aus der
Selektivität zueiner ganzheitlicheren Darstellung zu gelangen."

Vorausgegangen
war derUntersuchung von Prof. Lähnemann ein Kölner Forschungsprojekt zur Darstellungdes
Christentums in deutschen Schulbüchern aus den 1970er und 80er Jahren, indem
Wissenschaftler analysierten, wie der Islam in deutschen Schulbüchern dargestelltwird.
Die Ergebnisse führten zur Revisionen deutscher Schulbücher, und dieUntersuchung wurde
ab 1988 auf zahlreiche andere europäische Länder ausgeweitet.

K. Hock/J.
Lähnemann (Hg.): Die Darstellung des Christentums in Schulbüchernislamisch geprägter
Länder. Hamburg 2005. Bd. I: W. Reiss: Ägypten und Palästina.Bd.II: P. Bartsch: Türkei
und Iran

Weitere Informationen für dieMedien:

Prof. Dr. Johannes
Lähnemann
Tel.:0911/5302-548
johannes.laehnemann@ewf.uni-erlangen.de



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