Alkohol verbieten - Sinn oder Unsinn?
22.02.2010 um 03:26wo setzt man die meßlatte an?
Keine Ahnung. Oben , unten?
Glaube wir werden bald verboten^^
Keine Ahnung. Oben , unten?
Glaube wir werden bald verboten^^
Leibhaftiger schrieb:was hilft es wenns bei dir "klick" macht und der nächste besoffene fährt deine kinder tot und lässt sie im strassengraben liegen?Typen, die so sturzbetrunken Auto fahren, Kinder dabei sterbend im Straßengraben liegen lassen... solche Menschen würden andere Wege finden, bedenkenlos zu töten, wenn sie keinen Zugriff auf Alkohol hätten oder nicht am Steuer sitzen könnten.
Leibhaftiger schrieb:...nimm dem den alk weg und er wird nie wem mit absicht schaden.Na, da wäre ich mir aber überhaupt nicht sicher, dass dies der Wahrheit entspricht.
Alaska wird trockenQuelle DIE ZEIT, 2.12.1994 Nr. 49
Von Ulrich Schiller
Das Snowmobil kam mit hoher Fahrt auf der Uferpiste heran, bog aber unvermittelt ab nach draußen auf glattes Eis und verschwand in den sperrigen Trümmern des Packeises. Minuten später erschien der Fahrer wieder auf der Bildfläche. Um 2000 Dollar ärmer. Aber am Leben. Das Snowmobil war in ein Loch gestürzt, er selbst hatte sich retten können. Im Nu waren Leute am Ufer. Die Eskimos redeten aufgeregt Unverständliches. Ein junger Weißer vermutete: „Booze!“ Suff.
Die Vermutung lag nahe. Schließlich ist intoxicated driving (Fahren nach Alkoholgenuß) in Barrow keine Seltenheit. Die Vermutung lag außerdem in der Luft, weil es der Wahltag war. An diesem Oktobertag wurde in der nördlichsten Ansiedlung der USA unter anderem darüber abgestimmt, ob die Stadt dry werden solle – trocken, alkoholfrei.
Die anderen sieben Eskimodörfer der North Slope Borough, dieses Landkreises von der Größe Englands ganz im Norden Alaskas, haben schon längst das strikte Alkoholverbot beschlossen. Jetzt war Barrow dran, die größte Eskimostadt der Welt. Sechzig Prozent der fast 4000 Einwohner sind Inupiat-Eskimos; ihr Anteil ist seit Jahren rückläufig, obgleich die Bevölkerung noch wächst.
Eskimos bevölkern die Alkoholstatistik: 120 häusliche Schlägereien, zu denen die Polizei 1993 gerufen wurde; 25 Vergewaltigungen; 150 tätliche Angriffe; 121 Kinder, die betrunken aufgegriffen wurden. Ob die Alkoholkriminalität im Winter größer ist als im Sommer? Der Polizeichef Ed Ward verneint; ob sich die Sonne ab 18. November für 67 Tage ganz verabschiedet oder ob sie für 88 Tage im Sommer überhaupt nicht untergeht, alles sei Gewohnheit, das Leben 500 Kilometer nördlich des Polarkreises sowieso.
„Links Sibirien, rechts die kanadische Arktis, gegenüber Petersburg, Oslo und Stockholm“, so ließe sich die Lage der alten Walfangsiedlung an der äußersten Nordspitze von Alaska skizzieren. Wenn die großen Nord- oder Grönlandwale aus der Beringsee in die Beaufortsee wechseln, ziehen sie an Point Barrow vorbei. Inupiat-Eskimos haben auf der Verläßlichkeit dieses Phänomens seit Hunderten von Jahren ihre Lebensweise gegründet. „Rauschmittel hatten sie nie in ihrer Kultur“, konstatiert der Regierungschef des Kreises, George Ahmaogak. Der selbst- und machtbewußte Manager jenes Reichtums an Öl, der den Eskimos in den letzten fünfzehn Jahren zugefallen ist, fügt warnend hinzu: „Es ist höchste Zeit, alle Rauschmittel, die die westliche Kultur in unser Leben gebracht hat, zu beseitigen.“ Und das in Barrow? Durch eine Abstimmung?
Barrow, das ist zur größeren Hälfte eine liederliche Ansammlung von Holzhäusern, Hütten und Baracken, dazwischen kläffende Hunde und Autoruinen. Zur kleineren Hälfte das aufwendige Verwaltungsgebäude und supermoderne, bestens ausgestattete Schulen, mit Computerklassen sogar in der Grundschule; dazu ein Supermarkt.
Einen Liquor shop gibt es in Barrow schon lange nicht mehr, auch keinen Saloon und keine Bar, wie in Nome etwa, der alten Goldgräberstadt an Alaskas Westküste, wo dösende Schnapsköpfe von früh bis spät am Tresen hängen und etliche alljährlich auf dem Heimweg im Schneesturm dann verlorengehen. In Barrow darf man Alkohol einführen und besitzen, man darf ihn aber nicht verkaufen. Deshalb muß der Heilbutt im Restaurant mit Blick in die düsteren Nebelschwaden über der Tschuktschensee mit Wasser oder Coke heruntergespült werden. Bootlegger, die Schnapsschmuggler, haben bisher keine Hemmungen, die aus Fairbanks oder Anchorage eingeflogene Whisky-Kiste vor den Augen des Sheriffs auf dem Flugplatz abzuholen. Verboten ist ja nur der Verkauf. Bislang. Als im Oktober darüber abgestimmt wurde, war der Andrang beträchtlich.
Ein zeitaufwendiger Wahlgang: Abgeordnete, Kreisbeamte, Schulbeiräte waren zu bestimmen. Und dann eben: Trocken oder nicht trocken. Als der Tag in leichtem Schneetreiben zu Ende ging, hatten an die siebzig Prozent der Wahlberechtigten gewählt. Das Ergebnis: zwei Stimmen Mehrheit für Prohibition.
Einige Bürger weigerten sich, das Ergebnis zu akzeptieren. Die Neuauszählung wurde durchgedrückt. Doch da kam es noch deutlicher: Mit 614 zu 607 Stimmen soll Alkohol aus Barrow verbannt werden.
Wird die Polizei nun bei den vier täglichen Rügen aus Anchorage Kontrollen vornehmen? „Nur wenn hinreichend Verdacht vorliegt, eine Vorausmeldung etwa aus Anchorage“, sagt Bürgermeister Donald Long. „Dann würden wir einen Durchsuchungsbefehl ausstellen.“ Wer mit Alkohol, wie zufällig auch immer, erwischt wird, muß demnächst 1000 Dollar blechen. Wer verkauft, muß 5000 Dollar in die Stadtkasse zahlen.
„Ein soziales Experiment“, sagt Elise Patkotak von der Stadtverwaltung. Ob es gelingen wird, will auch Polizeichef Ed Ward nicht prophezeien.