Organspende
28.07.2008 um 18:20
Hallo Leute,
meine generelle Einstellung pro Organspende habe ich im Beitrag weiter oben ja ausführlich kund getan, dennoch möchte ich gerne noch einige Anmerkungen machen.
1. zu dem Medikamentenplan: wie weiter oben schon korrekt angmerkt wurde, ist ein Großteil der aufgeführten Medikamente nicht Transplantationsbezogen, sondern dient der Nahrungsergänzung und der Behandlung anderer, eventuell parallel vorhandener Erkrankungen. Es ist ein individueller Medikamentenplan eines Transplantationspatienten, jedoch keineswegs ein typischer Plan.
Ich selber hatte bisher vornehmlich mit Herztransplantierten Patienten zu tun und im Rahmen meiner Doktorarbeit mit Lebertransplantierten, ich kann also keine wirklich verlässlichen Aussagen bezüglich den Lungentransplantationspatienten machen, ich habe im obigen Medikamentenplan aber alleine 17 Medikamente gezählt, die nicht direkt mit einer Lungentransplantation zusammenhängen bzw. transplantationsbeding je nach Grund- und Begeliterkrankung zwar nötig sein können, jedoch nicht automatisch generell gegeben werden. Die eigentlichen Immunsuppressiva sind das Cephalosporin A, das Decortin und das CellCept (Mycophenolatmofetil), also um genau zu sein drei Medikamente. Außerdem gibt es mittlerweilen auch schon sehr gute und sehr gut verträgliche Kombinationspräparate, die die Tablettenmenge nochmals vermindern.
2. zu den Nebenwirkungen: man darf sich einen Transplantationspatienten keineswegs als dahinsiechendes Individuum vorstellen, daß mit einem schlecht funktionierenden Fremdorgan herumläuft, dauernd Abstoßungsschübe bekommt und sich vor lauter Nebenwirkungen kaum mehr auf den Beinen halten kann.
Sicherlich, diese Patienten gibt es auch, keine Frage, denn in der Medizin gibt es nichts, was es nicht gibt.
Den meisten Patienten geht es aber sehr gut, sie können sich wieder aktiv am Leben beteiligen, sind durchaus auch Leistungsfähig und belastbar und können die tägliche Medikamentendosis auf 3-5 Medikamente minimieren, die gut vertragen werden.
Viele von den Herztransplantationspatienten, die ich kennengelernt habe, treiben Sport, fahren Motorrad, gehen wieder in die Arbeit und machen all die Sachen, die sie vorher nicht mehr machen konnten.
Ganz klar, ich habe auch andere Fälle gesehen, wo alles nichts halt, das gebe ich auch offen zu, ich will kein falsches Bild zeichnen, aber alles in allem sind die Ergebnisse sehr gut.
Also nochmal zum Mitschreiben: kein Dahinsiechen, keine schrecklichen Nebenwirkungen und kein 22 Medikamente! :)
3. Ich bekomme weder von der Pharmaindustrie noch von dem Krankenhaus, in dem ich arbeite, Geld dafür, daß ich das schreibe! :) Ich bekomme noch nichtmal mehr Geld, wenn ich einen Transplantationspatienten behandle, ich schreibe hier nur meine Erfahrungen und meine Schlüsse, die ich daraus ziehe. :)
4. Ich muß Shakuru in der Hinsicht Recht geben, als daß eine Organentnahme tatsächlich einen nicht geringen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht eines Menschen darstellt. Dieses Selbstbestimmungsrecht hört auch mit dem Tode nicht auf, wenn er/sie also vehement keine Organentnahme durchführen lassen möchte, dann muß dieser Wunsch respektiert werden (und wird auch respektiert) und darf keinesfalls gesellschaftlich negativ sanktioniert werden.
Wir fragen im Krankenhaus auch vor keiner Transplantation nach, ob der betreffende Patient einen Spenderausweis besitzt, wenn ein Patient eine entsprechende Erkrankung hat, wenn er eine Transplantation wünsche und wenn ein Organ für ihn frei wird, dann wird er unabhängig vom Besitz eines Spenderausweises transplantiert.
Hier muß man vorsichtig sein, wenn man sagt "Aber der nimmt doch dann jemand anderem ein Organ weg", denn so einfach ist das nicht, die Organallokation ist ein hochkomplexer Prozess, der vielfach diskutiert, verfeinert und umgearbeitet wurde und es wird versucht, denen, die ein Organ brauchen, eines zukommen zu lassen.
Daß dennoch ein großer Organmangel herrscht, das brauche ich nicht exra zu erwähnen, es fehlt an allen Ecken und Enden.
Aber nochmal, unabhängig davon was ich oder andere darüber denken mögen und welche moralischen Implikationen es beinhaltet, wenn jemand keine Organe spenden will, dann muß dies respektiert werden und es darf keine negative Sanktionierung stattfinden. Jeder Mensch bestimmt alleine und vollkommen individuell über seinen Körper.
Ich persönlich bin, wie oben ausgeführt, ein echter Befürworter der Organspende und für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, aber man muß andere Meinungen und Vorstellungen akzeptieren, auch wenn es manchmal schwer fällt!
Sebastian