Carl138 schrieb:Der Doppelaufruf „Hier (ὧδε) ist Weisheit … wer Verstand hat“ erscheint an anderen Stellen der Apokalypse (vgl. Offb 17,9) stets dann, wenn Symbolik zu entschlüsseln ist, nicht um triviale Daten abzurufen.
Naja. 17,9ff:
9 Hier ist der Verstand [nötig], der Weisheit hat: Die sieben Köpfe sind sieben Berge, auf denen die Frau sitzt. Und es sind sieben Könige:
10 die fünf [ersten] sind gefallen, der eine ist, der andere ist noch nicht gekommen; und wenn er kommt, muss er eine kurze Zeit bleiben.
11 Und das Tier, das war und nicht ist, es ist selbst sowohl ein achter als auch von den sieben und geht ins Verderben.
Hier wirds schlicht erklärt, was was ist. Auch wenns nicht ganz ausdrücklich gesagt wird, so ist dennoch zu erkennen, daß von der Stadt Rom (sieben Hügel) und den sieben Alleinherrschern seit Cäsar die Rede ist. Nach Neros Tod gab es die Gerüchte, er würde wiederkehren, und es gab tatsächlich mehrere Anwärter, die als
Nero redivivus auftraten.
Carl138 schrieb:Wenn also 666 bereits die Tier‑Zahl wäre, wäre der Aufruf zur Weisheit, dem Gebrauch des Verstandes und Zählens redundant, in einfachen Worten, warum das alles, wenn doch eh die „Lösung“ bereits am Ende des Textes erwähnt wird?
Wieso redundant. Es muß doch noch gerechnet werden, welches Menschen die Zahl des Tieres 666 nun sei.
Carl138 schrieb:τὸν ἀριθμὸν τοῦ θηρίου·
ἀριθμὸς γὰρ ἀνθρώπου ἐστίν·
Carl138 schrieb:Grammatikalisch ist die Verbindung αὐτοῦ → ἀνθρώπου die naheliegendere.
Gelinde gesagt.
Carl138 schrieb:Literarisch‑pragmatisch macht der Imperativ „zähle!“ nur Sinn, wenn 666 nicht bereits die Tier‑Zahl ist.
Wie gesagt, wenn es die Tierzahl ist, wie es ja auch grammatikalisch "das Naheliegendste" ist, so muß dennoch gerechnet werden. Denn offensichtlich verweist die Zahl auf einen bestimmten Menschen, und dieser wiederum auf das Tier. Da ist dann Weisheit und Verstand gefragt, dies herauszufinden, indem man was berechnet / auszählt, um die 666 zu erhalten.
Carl138 schrieb:Theologisch eröffnet die „Menschen‑Zahl“-Deutung eine doppelte Dynamik: 666 kennzeichnet das Menschliche (Limitierte, Unvollkommene), während die wahre „Zahl des Tieres“ erst durch eine geistige Operation, die Weisheit und Verstand erfordert, entlarvt wird.
Was issn daran jetzt theologisch? Das ist Mystik, womöglich Esoterik. Irgendwas, nur nichts mit "Theo-".
Carl138 schrieb:Damit ist die Standardidentifikation 666 = Zahl des Tieres zwar möglich, aber nicht zwingend.
Sagen wir mal so. Erst dadurch, daß Du im 'Berechnen der 666' ein Problem "siehst", "erkennst" Du die Notwendigkeit, den Text anders zu verstehen, als die Syntax es vorgibt.
Flitzschnitzel schrieb:
Sowieso sonderlich, wieso man gerade dieses abgespacede Buch der Bibel hinzugefügt hat.
Das kann ich Dir sagen: Weil die Kirche, die keine Demokratie ist (Kardinal Gerhard Ludwig Müller), auf dem Konzil von Nizäa (ca.320 n .Chr.) einfach abgestimmt hat, welche Bücher zukünftig zur Bibel gehören sollen und welche nicht und somit das ganze kanonisiert hat. ;)
Da der User dieses Zitats nicht mehr posten will, zitier ich ihn mal anonym, um ihn nicht versehentlich doch wieder einzuladen. Wollt aber kurz zum Unsinn was sagen, auch zu:
Carl138 schrieb:Es stimmt schon, die haben damals beim Konzil tatsächlich alles ausgemustert, was Ihnen nicht in den Kram passte, aber das haben sie drin gelassen, was ich auch merkwürdig finde.
Natürlich ist das Mumpitz. Dieses Konzil hat mitnichten den Kanon festgelegt, es hat sich überhaupt nicht mit der Kanonfrage befaßt. Immerhin wurden Kanones festgelegt. Oder auch: Kanons. Offensichtlich hat irgendwann mal jemand davon gehört und sich dann zusammengereimt "dis kann ja nur den Kanon der Schrift meinen". Meints aber nicht. Ein Kanon ist eine Regel, eine Norm, eine Festlegung. Siehe
Wikipedia: Kanon (Kirchenrecht) .
Erst im Jahr 367, Jahrzehnte später, verwendete Bischof Athanasius von Alexandria erstmals diese Vokabel für den Umfang der fürs Christentum verbindlichen Schriften.
Wikipedia: Begriffsgeschichte des Wortes Kanon#BibelkanonAnders als die erste Zitation andeutet (
sogar mit ner falschen Implikation, Kardinal Müller verneinte für die Kirche, eine politische Organisation zu sein; überdies sind dessen Äußerungen selbst in der Katholischen Kirche umstritten, auch in den oberen Etagen) war die Kanonbildung durchaus ein recht demokratisches Geschehen. Schriften konnten nur dann grundlegend und allgemeingültig sein, wenn sie apostolisch waren, keine abweichenden Lehren enthielten - und in den Gemeinden der Ökumene allgemein akzeptiert waren. Ist bereits im allerersten Dokument der Kanonsdebatte, dem
Kanon Muratori, so zu finden.
Ich finds immer wieder erschreckend, wie Menschen irgendwelchen aufgeschnappten Dreck ungeprüft nachplappern, nur weils in ihre Vorurteile paßt. Ja, so sindse halt, Kirchens, allen voran die Katholen. Religioten eben, wie so schön gesagt.
Flitzschnitzel schrieb:Polytropos schrieb:
Aber wagt es nicht zu behaupten, dass das Ganze irgendeinem anderen Anspruch als Beliebigkeit und freiem Assoziieren genügt.
Diesen Kampf verlierst du. Wir sprechen von Menschen die mit diesen Informationen jonglieren. :D
Wenn Ihr nur Ahnung hättet, worüber Ihr redet. Aber das ideologische Vorurteil reicht manchem schon, festlegen zu können, was Realität zu sein habe.
Theologische Exegese biblischer Schriften folgt einem Methodenkanon, wie er auch in der
Editionswissenschaft zu finden ist. Witzigerweise wurden diese Methoden aber nicht unerheblich erst auf theologischer Seite entwickelt. Mit "Beliebigkeit", "freiem Assoziieren" oder "Jonglieren" hat das nichts zu tun. Dennoch bleibt das Handycap, daß es sich wie bei etlichen anderen auch (z.B. Geschichtswissenschaften) um eine sog. weiche Wissenschaft handelt, bei der Eindeutigkeit oft nicht erreicht werden kann. Dieses Schicksal teilt die Exegese biblischer Bücher mit der Exegese zahlreicher anderer Schriften, da fallen diese nicht aus dem Rahmen.
Carl138 schrieb:Tatsächlich nutzten schon die alten Semiten im Hebräischen wie im Arabischen ihr Alphabet gleichzeitig als Zahlensystem.
Naja, "alt". Zur Zeit der Johannesoffenbarung war es noch ne ziemlich neue Sache, mit hebräischen Buchstaben Zahlenwerte anzugeben.
In der hebräischen Bibel werden Zahlen stets als Zahlwörter ausgeschrieben. In althebräischen Inschriften des 1. Jahrtausends v. Chr. wurden hieratische Zahlzeichen oder Zählstriche verwendet. Eine Zuordnung von Zahlwerten zu den hebräischen Buchstaben kann in vorchristlicher Zeit nicht nachgewiesen werden.
Quelle:
Wikipedia: Hebräische Zahlschrift
Carl138 schrieb:Kurz gesagt: „Das Tier“ hat einmal einen Namen + eine Zahl/Nummer/ID, die ihn/es/was auch immer identifiziert. Will das auch näher ausführen:
Griechischer Urtext: Vers 17 vs. Vers 18
Vers 17 (SBLGNT):
καὶ ἵνα μή τις δύνηται ἀγοράσαι ἢ πωλῆσαι εἰ μὴ ὁ ἔχων τὸ χάραγμα,
τὸ ὄνομα τοῦ θηρίου ἢ τὸν ἀριθμὸν τοῦ ὀνόματος αὐτοῦ.
„…– den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens.“
Hier siehst du klar das „ἢ“ (griechisch für „oder“): Name oder Zahl des Namens – zwei separate Merkmale, ohne eine implizite Kopplung. Nirgens hier steht, dass das eine Aufschluss über das Andere gibt, es wird nur erwähnt, dass er einmal einen Namen hat + eine Zahl.
Wie bitte was???
Der Name des Tieres oder die Zahl seines Namens sollen als Charagma, als "Malzeichen" (gerne: Tattoo) vorhanden sein. Geht beides, darum "das „ἢ“ (griechisch für „oder“)" Entweder hat man das oder das andere. Ist beides ---> das Tier.
Und zugleich ist es die Zahl eines Menschen. So what!
Krieg es doch erstmal raus, wofür die 666 nun steht, "errechne" es. Hier ist Weisheit und Verstand gefragt. Und das mit "ist eines Menschen Zahl" (man möcht fast sagen: "
oder Name") scheint als Hint gedacht zu sein. Welcher Mensch steht für das Tier mit den sieben Köpfen, dessen einer Kopf tot war und wieder lebte? Oder um auf Kap.17 zu verweisen: welcher der sieben
Köpfe - oh, Tschuldigung: Könige - kam nochmal rediviend wieder? Und wird in diesem Kapitel sogar ausdrücklich "Tier" genannt???
Carl138 schrieb:aber auch eine „Menschen‑Zahl“ erwähnt, dessen Zahl Sechs Sechs Sechs sei.
Falsch. Es ist die ἑξακόσιοι ἑξήκοντα ἕξ, also: Sechhundert Sechzig Sechs.
Carl138 schrieb:Ja, ich denke, um überhaupt herauszufinden, wer oder was sich hinter dem „Tier“ verbirgt – sei es sein Name oder seine rätselhafte Zahl –, braucht man wohl offensichtlich eine ordentliche Portion Weisheit, Wissen und Verstand.
Naja, eigentlich isses nicht so schwer. Bei der anderen Stelle mit Weisheit und Verstand wirds ja mitgeteilt. Da kommt das Tier (ausdrücklich das mit den zehn Hörnern und sieben Köpfen again) wieder vor, und da stehen die seiben Köpfe für sieben Berge - Rom - ebenso für sieben Könige - Cäsaren. Und wer reitet aufm Tier, also auf den sieben Hügeln? Die Hure Babylon. Diese Stadt kommt abgesehen von Matthäus und der Apostelgeschichte, wo sie als Hauptstadt des untergegangenen Neubabylonischen Reiches genannt wird, nur noch in 1.Petrus5 vor, im Schlußgruß, als Ort der Gemeinde, von der aus Petrus seine Adressaten grüßt. Und das ist nicht die Stadt am Euphrat.
Sondern Rom. Quasi als die Hauptstadt des heutigen Großreiches, welches das Volk Gottes bedroht wie jenes "erste" Babylon damals es tat.
Donna_Littchen schrieb:Lass dich einfach mal daran messen, wie du da jetzt welchen historischen Kontext herstellst.
Bin zwar nicht der Gefragte, aber ich wollte Dich mal drauf verweisen, was ich hier bereits vorgelegt habe. Daß das Tier über seine sieben Köpfe sowie über seine Reiterin ziemlich deutlich mit der Stadt und dem Weltreich Rom zu tun hat, mit besonderem Verweis auf jenen einen unter den sieben ersten Herrschern, welcher nach seinem Ton erneut leben und herrschen soll. Klingt nach Kaiser Nero. Im Griechischen heißt der übrigens Neron. Und "Kaiser Nero" auf hebräisch? Das ist: נרון קסר (neron qeßar). Und nun zähle mal zusammen:
Aleph א 1
Beth ב 2
Gimel ג 3
Daleth ד 4
He ה 5
Waw ו 6
Zajin ז 7
Chet ח 8
Tet ט 9
Jod י 10
Kaph כ 20
Lamed ל 30
Mem מ 40
Nun נ 50
Samech ס 60
Ajin ע 70
Pe פ 80
Tzade צ 90
Koph ק 100
Resch ר 200
Schin ש 300
Taw ת 400
Quelle:
Wikipedia: Hebräische ZahlschriftNa und da Du ja weißt, daß es ne sehr alte Textüberlieferung gibt, die statt der 666 als Zahl die 616 anbietet (die singuläre und verdammt späte 665 kannste vernachlässigen): Was kommt denn bei raus, wenn man auf hebräisch nicht mit der griechischen, sondern mit der römischen Namensversion zählt, also mit Nero statt Neron, mit einem Nun weniger? Hier sind Weisheit und Verstand gefragt...
Donna_Littchen schrieb:Die ganze Offenbarung konterkariert den gutherzigen gnädigen Gott, der ja so gerne den Christen und von Christen verkauft wird. Das ganze Werk ist derart aus der Art geschlagen, dass man sich schon Gedanken machen könnte, ob mit dem Schreiber noch alles i. o. war.
Aber OK, hier gehts um die 666.
Wozu erwähnste es dann überhaupt? Pawlowscher Geiferreflex?
Donna_Littchen schrieb:Schon wenn man hingeht und eine Zahlenmystik zugrundelegt, von der man weder weiß, ob sie Sinn macht
Ja siehste: Johannes legt allenfalls ein Zahlenrätsel vor. Daß mit diesem "Auszählen" noch irgendne mystische Bedeutung verbandelt ist - ich wüßte nicht, woran Du das festmachen willst. Wenn in der Rätselecke einer Zeitung ein Rebus vorkommt, gehts ja auch nur ums Lösen, nicht um nen Hintersinn.
Daß ne Menge Leutz da noch irgendnen Hintersinn reinpacken
Spoiler
Carl138 schrieb:666 kennzeichnet das Menschliche (Limitierte, Unvollkommene), während die wahre „Zahl des Tieres“ erst durch eine geistige Operation, die Weisheit und Verstand erfordert, entlarvt wird.
ist an den Text herangetragen, nicht aus ihm herausgelesen.