Optimist schrieb:ja und zwar 4: wäre es völlig absurd deine Auslegung der anderen Verse anzuzweifeln?
Das wäre 1).
Optimist schrieb:Ich meine, Tommy hatte andere Auslegungen ins Feld geführt. Ich bin mir noch nicht ganz einig, welche Version ich glauben soll.
Wie gesagt, Tommys Auslegung ist ideologisch vorbelastet; als JZ muß er eine finden, die ohne wahrnehmende Tote auskommt.
Dabei ist es so einfach. Wozu sollte diesen Engeln gepredigt werden, was soll damit erreicht werden? Wieso nicht sowas wie 1.Petrus4,6 als Antwort? Und wieso sollten dann die Menschen jener Zeit davon ausgeschlossen sein?
Und wenn in 1.Pe4,6 die geistig Toten gemeint wären, wieso steht dann nicht einfach "Menschen" da? Denn darauf läufts wie gesagt hinaus. Vor dem Annehmen der Predigt des Evangeliums waren nun mal alle Menschen geistig Tote, wie Tommys eigene Belegstelle zeigt. Warum spricht der Vers also ausdrücklich von den Toten?
Bei der Textexegese des NT gibt es ne simple Regel. Wenn ein Text nicht verständlich ist, betrachte den Kontext. Und zwar stets erst mal den näheren Kontext als den ferneren. Also erst mal der Sinnabschnitt. Hilft der nicht, schaut man die anderen Sinnabschnitte der selben Schrift an. Erst dann berücksichtigt man weitere Schriften des NT, und zwar zunächst gleichgeartete Schriften (vom gleichen Verfasser, oder gleiches Genre (Evangelium oder Brief). Und schließlich kommt dann auch das AT als Kontext zur Klärung in Frage. ABer eben in dieser Reihenfolge. Vom naheliegendsten Kontext zum fernsten. 1.Pe4,6 ist daher ein näheres Interpretament für 1.Pe3,18-20 als 2.Pe. Der Bezug aufeinander ist eigentlich auch deutlich genug. Es geht nicht um allgemeine Predigt, sondern um ein Predigen an eine spezielle Gruppe. Und während 3,18-20 nunmal zwingend die Frage "Wozu eigentlich wird denen gepredigt" aufwirft (die mit 2.Pe als Verstehenskontext mitnichten aufgelöst wird!), ist 4,6 auch noch so formuliert, als wäre es die Antwort.
Optimist schrieb:wenn dies so wäre, was könnte der Grund sein? Verwirrung stiften?
Ich denke nicht, daß diese zweite Möglichkeit hier gilt. Ein schönes Beispiel, daß diese Möglichkeit aber durchaus real vorkommt, sind die beiden Schöpfungsberichte in 1.Mose1 und 1.Mose2-3. Im ersten wird der Mensch nach dem Bilde Gottes erschaffen und zum Herrschen eingesetzt. Im zweiten Schöpfungsbericht hingegen wird der Mensch in den Garten gesetzt, diesem zu dienen ("ihn zu bebauen und ihn zu bewahren"), und das "Sein wie Gott" ist etwas Schlechtes. Dieser Widerspruch ist ganz sicher beabsichtigt. Er sagt etwas über die Ambivalenz des Menschseins aus, über die Widersprüche, die uns ausmachen. Über die Chancen und die Gefahren, die aus ein und der selben Befähigung entspringen. Über die zwei Seiten der Medaille.
Ein weiterer Widerspruch der beiden Schöpfungsberichte ist der der Ereignisabfolge. Im ersten werden tagweise erst Pflanzen und verschiedene Tiergruppen erschaffen und zuletzt der Mensch beiderlei Geschlechts, im zweiten wachsen erst die Pflanzen, dann kommt der Mensch, dann die Tiere alle, und schließlich durch Trennung die Frau (und recht eigentlich jetzt erst auch derMann). Auch dieser Widerspruch ist m.E. beabsichtigt. Nämlich um zu verdeutlichen, daß die Wahrheit nicht im Bereich des Historischen liegt.Es geht nicht um die Korrektheit der geschilderten Abläufe, es liegt keine Chronik von echten, genau so erfolgten Ereignissen vor. Mindestens ein Handlungsablauf muß ja falsch sein, und die Bibel läßt nicht erkennen, welcher. Womöglich sind ja beide inkorrekt. Gerade der Umgag der Schrift damit, ihr Offenlassen dieser "wichtigen Frage" zeigt, daß genau das eben überhaupt keine "wichtige Frage" ist. Die Bibel ist ein Buch desGlaubens, das den Menschen, seine Stellung, seine Möglichkeiten und Gefahren beschreibt, seine Beziehungen zu sich selbst, zu anderen Menschen, zur Umwelt, zu Gott. Darauf kommts an. Die Bibel ist ein "Fachbuch"
dafür. Wer wissen will, wie genau nun die Welt entstanden ist, was wor wem entstand etc., der muß in andere "Fachbücher" schauen. Und wer die Bibel als solch ein biologisches etc. "Fachbuch" nutzt, der liest sie falsch.
Es gibt also durchaus Widersprüche, die bewußt und gewollt vorkommen und durchaus ne Botschaft enthalten. Und die nicht durch Harmonisierung glattgebügelt werden sollen.
Optimist schrieb:ich kann diese anzweifeln bzw. glauben, in der Bibel steht was Falsches.
Dann kann ich somit auch nicht mehr glauben, die Bibel sei von Gott inspiriert.
Auch das ist ein guter Grundfür Widersprüche etc. in der Bibel. Wenn Du erst mal der Auffassung bist, die Bibel verstanden zu haben, oder wenn Du zu dem Schluß kommst, daß da Widersprüche drin sind, die unüberbrückbar oder ohne Bedeutsamkeit sind, wenn Du das eine oder das andere denkst, dan hast Du "abgeschlossen". Und beides ist nicht gut. Ich persönlich finde es massiv unsäglich, daß Abraham tatsächlich versucht,seinen Sohn Isaak zu opfern. Und daß Gott das auch noch toll findet. Ich würd das am liebsten aus der Bibel rausschmeißen, dasträubt sich in mir echt alles, daß Gott von einem Menschen verlangt, einen anderen Menschen zu töten.
Aber es steht in der Bibel, und es wird da drinnen bleiben. Und ich werde mich auch in Zukunft damit rumplagen müssen. Aber genau das ist es: Ich bin da jedes Mal aufs neue gefordert, mich damit auseinanderzusetzen undmeinen eigenen Standpunkt zu hinterfragen, meine ethischen Vorentscheidungen zu überdenken etc. Ichmag ne gefestigte Ethik haben, in die sowas nicht reingehört. Aber dank dieser Geschichte muß ich jedes Mal, wenn ich an sie denke, mich neu entscheiden, ob ich bei meiner Ethik bleibe.
So geht es mir auch mit dem Gott aus den von Dir zitierten Stellen, der Menschen allein dafür, daß sie nicht an ihn glauben, für eine geschlagene Ewigkeit verdammt. Bedingungslose Liebe wie 1.Ko13, bedingungslose elterliche Liebe zur eigenen Schöpfung stelle ich mir anders vor.
Gerade mit solchen "Stolpersteinen" in der Schrift wird aus dem Lesen der Schrift ein echter, ein nie aufhörender Dialog, in dem ich mit meinen Vorstellungen und Entscheidungen mit einbezogen bin. Ich bin nicht nur ein Befehlsempfänger, der seine Befehle irgendwann auswendig kennt und sie dann stumpf befolgt. Ich bin geradezu gezwungen, mir immer wieder die Frage zu stellen, ob das gut ist, was ich da lese, ob ich das auch wirklich will - und kann. Wie Gott dem Adam ein echtes Gegenüber geben will, nicht nur "pets", so erschafft Er sich mit diesen Stolpersteinen ein Gegenüber statt einer simplen Marionette.
So lange Du Dich diesen Widersprüchen immer wieder stellst, so lange hast Du nicht "abgeschlossen". So lange kannst Du immer wieder an der Schrift wachsen und Dich verändern. So lange hinterfragst Du Dich und Dein Tun und Deine Standpunkte.
Na und wenn das kein "göttlich inspiriert" ist, dann weiß ich auch nicht...
OK, is wieder mal ne "Predigt" geworden, 'schulljung.