Panikmache um Geldentwertung?
12.09.2007 um 14:49
Gezielt war in den USA ein Immobilien- und Hypothekenboom erzeugt worden, um die marode US-Kriegswirtschaft nach den dramatischen Kursstürzen im Jahr 2000 künstlich am Leben und die Bevölkerung bei der Stange und in Abhängigkeit zu halten. Wer denkt schon wirklich eigenständig, und wer protestiert schon entschlossen gegen den Krieg, wenn er mit dem Häuschenkauf absorbiert ist und dabei darauf schielt, dieses Häuschen – «dank der Politik der eigenen Regierung» – mit Gewinn wieder verkaufen zu können, zugleich aber auch den Kopf in der Schlinge der Geldgeber und ihrer Zinspolitik hält?
Der Verstand setzte aus, und das Hirngespinst des schnellen und risikolosen Gewinns vernebelte die Geister. Nun stehen rund 2 Millionen Hypothekar-Schuldner in USA vor der Zwangsversteigerung ihrer Häuser.
Die zeitweiligen Gewinne der «Häuslebauer» waren allerdings nur die Brotkrümel bei einem riesengrossen Geschäft der Banken und anderer Finanzinstitute, die ganz gross ins Immobilien-und Hypothekengeschäft eingestiegen waren – mit Billionenbeträgen.
Dass das alles nicht gut gehen konnte, wusste jeder, der bei Verstand war, von vornherein. Der Boden war niemals solide, und allein die Illusion, dass schon niemand über die Nacktheit des Kaisers «mit den neuen Kleidern» sprechen würde, heizte den Motor des Geldgiergeschäftes an.
Aber auch ganz im Sinne dieses Geldgiergeschäftes! Denn diese Branche arbeitet gezielt gegen Solidität, weil fast jeder Spekulant glaubt, am meisten von Unsicherheiten profitieren zu können: Denn was den einen in den Abgrund stürzt, soll des anderen Riesenprofit sein. In den Abgrund sollen aber immer nur die anderen stürzen. Das ist das wahre Gesicht des Raubtierkapitalismus!
So auch jetzt wieder. «Abstürzer» im Reigen der wirklich grossen Geldgier sind derzeit einige Banken, die Kreditmarktpapiere kauften, von denen sie sich 20 Prozent und mehr Profit erwarteten, die sich aber derzeit nicht mehr verkaufen lassen. Denanderen empfiehlt die «Financial Times Deutschland» vom 22. August deshalb nun «distressed Investment». Das heisst: den Kauf von Kreditmarktpapieren von «Käufern in Not». Das werde «mit grosser Sicherheit eine der lukrativsten Strategien der nächsten Jahre». Die deutsche Finanzkapitalzeitung gebraucht auch gleich noch den treffenden Begriff: «finanzieller Leichenschmaus».
Was nutzt es da, dass der US-Ökonom Hyman Minsky schon vor mehr als 20 Jahren vorausgesagt hat, was derzeit passiert und was die deutsche Zeitschrift stern, auf die heutige Situation bezogen, mit folgenden Worten beschreibt: «Sorglos angehäufte Risiken, in diesem Fall auf dem Hypothekenmarkt, haben unweigerlich zu einem Zusammenbruch geführt, der sich auf alle Bereiche der Finanzwelt ausgeweitet hat. Häuslebauer verloren ihr Heim, Investoren Tausende Milliarden, Banken stürzten in die Zahlungsunfähigkeit.»
Pro memoria: Auch die Weltwirtschaftskrise der 20er und 30er Jahre des vergangenen Jahrhundertshatte ihre «Profiteure»: mächtige Finanziers in London und New York, die ein sinnvolles Gegensteuern gegen die Krise verhinderten und statt dessen Hitlers Diktatur und den Zweiten Weltkrieg planten.
Nicht nur US-amerikanische, auch europäische und deutsche Finanzinstitute hatten nach einem Stück vom US-Immobilien- und Hypothekenkuchen gegiert und sehr viel Geld in die Illusion des grossen Geschäfts gesteckt. Und ob nun mit (so die SachsenLB) oder ohne Rücksicht (so die Mittelstandsbank IKB) auf die privaten und wenig durchsichtigen internationalen Rating-Agenturen, die für die Prüfung der Solidität eines Kunden bei der Kreditvergabe zuständig sein wollen, der Crash in den USA hat auch sie erfasst, und noch ist nicht absehbar, wer sonst noch alles erfasst werden wird. Die SachsenLB wurde mittlerweile von der Landesbank Baden-Württemberg übernommen. 17 Milliarden Euro mussten der SachsenLB zuvor von der deutschen Sparkassenfinanzgruppe als Rettungsaktion zur Verfügunggestellt werden. Fast täglich wird über weitere Verstrickungen berichtet. Spiegel Online nannte am 3. September die BayernLB. Auch sie sei verstrickt, mit 1,9 Milliarden Euro Beteiligungen am US-Hypothekenmarkt. Der Grössenwahn in Bayerns Landesbank ist allerdings ungebrochen. Man plant, die ebenfalls durch Spekulationen ins Trudeln geratene WestLB zu kaufen. Übrigens: Alle LBs (Landesbanken) sind Banken, in deren Aufsichts- beziehungsweise Verwaltungsräten Regierungsvertreter der jeweiligen Bundesländer sitzen. Schöne Aufsicht!
Am 5. September meldete die «Berliner Zeitung», dass die Deutsche Bank selbst, welche die deutsche Bankenaufsicht vor ein paar Wochen auf die prekäre Situation der IKB aufmerksam machte, der IKB über Jahre riskante Risiko-Kredite vermittelt und daran 20 bis 30 Millionen US-Dollar verdient hat. Mit anderen Worten: Zuerst hat die Deutsche Bank kräftig mitverdient am Geldgiergeschäft, und erst, als ihr die Sache zu heiss wurde, hat sie gerufen:Haltet den Dieb! Dabei hatten Experten schon vor drei Jahren auf die geringe Solidität der IKB-Kreditnehmer auf dem US-Hypothekenmarkt hingewiesen. Aber damals lief das Geschäft ja noch «sehr gut» für die Beteiligten.
Wie gross das Desaster der Bankenwelt und insbesondere der US-Bankenwelt und das gegenseitige Misstrauen ist, zeigt die Tatsache, dass sich diese private Bankenwelt nicht mehr, wie eigentlich vorgesehen und üblich, durch gegenseitige Kreditgewährung selbst aus dem Sumpf ziehen konnte (oder wollte). Offensichtlich hat sie nichts Solides mehr zu bieten. So sprang die Europäische Zentralbank in einem ungewöhnlichen Akt in der ersten Augusthälfte mit mehr als 200 Milliarden Euro europäischem Volksvermögen als «Liquiditätshilfe» ein – 200 Milliarden Euro, die nun für andere Zwecke fehlen. Zur Erinnerung: Diese Summe ist mehr als das Vierfache der derzeit jährlich weltweiten Ausgaben für Entwicklungshilfe.
Oder wird einfach nur die Geldpresse betätigt, wie esGottfried Heller, der Geschäftsführer eines der ältesten unabhängigen Vermögensverwaltungen in Deutschland, in einem Interview mit dem stern vom 29. August formulierte. Hunderte von Milliarden neu gedruckter Euro und Dollar und Yen in der ganzen Welt, die unser aller Geld immer wertloser machen?
Für Leute wie den französischen Präsidenten Sarkozy sind das alles nur «Marktbereinigungen». In einem Brief vom 15. August an die deutsche Kanzlerin Merkel sprach er zwar von gewissen Lektionen aus der Krise, fügte aber auch noch gleich hinzu, er sei der Überzeugung, «dass diese Bewegungen am Markt nicht das langfristige Wachstum unserer Volkswirtschaften, das robust ist, tangieren werden». Wachstum mit Kriegswirtschaft wie unter Hitler? Wie lange wollen wir uns das noch gefallen lassen?
Wie lange noch, dass immer mehr und immer wieder auch neugedrucktes Geld in die Geldgier-Tretmühle gestopft wird, damit ein paar wenige mit dem den Völkern geraubten Geld noch mehr Geld machen?Wie lange noch, dass der Reichtum der Völker nicht den Völkern selbst zugute kommt, über Investitionen in den produktiven und gemeinwohlorientierten Bereich? Für Arbeitsplätze; für eine rentable Produktion von Gütern, die alle Menschen brauchen, für Schulen und Krankenhäuser? Wie lange noch, dass auf dem Rücken unserer und kommender Generationen für die Geldgier-Tretmühle immer brutalere und menschenverachtendere Kriege geführt werden, die nicht nur unser aller Geld verschlingen, sondern auch Gesundheit und Leben von uns allen bedrohen? Wie lange noch, dass immer mehr «Krisen» auch gezielt erzeugt werden, die uns in Atem halten und unser freies Denken ausschalten sollen? Wie lange noch, dass immer mehr staatliche «Massnahmen» gegen all diejenigen ergriffen werden, die Protest leisten oder Protest leisten könnten?