Die verdammte, existenzielle Angst
24.04.2021 um 11:10starkiller69 schrieb am 18.07.2019:wie geht ihr damit um?Alle Ängste, die nichts mit "Lebensgefahr" zu tun haben, sind Lebensqualitätskiller.
Viele Menschen halten unglückliche Kontakte (meist mit der Familie) aufrecht, weil sie Angst haben, einmal ganz alleine da zu stehen oder weil es in der Gesellschaft als "böse" bzw charakterlos gesehen wird, wenn man der (engeren) Verwandtschaft den Rücken kehrt.
Es ist unglaublich, was man mir alles einreden wollte, als ich mit 18 Jahren den Kontakt mit meinen Eltern abgebrochen habe (ich nenne nur einige Beispiele):
- wenn du in Not bist, ist Blut dicker als Wasser
- das wird einmal auf dich zurück kommen
- es heißt: du sollst Vater und Mutter ehren
- undankbar
- charakterlos
- böse
- das kannst du deiner Oma nicht antun (dass ich meine Mutter nicht mag)
- das kannst du deiner Mutter nicht antun
- sie hat dich geboren, ohne ihr wärst du nicht am Leben
- das Wichtigste ist die Familie
Als ich später mein erstes Kind bekam, wollte man mir weitere Existenzängste bzw ein schlechtes Gewissen einreden, weil ich die gesamte Verwandtschaft (außer meiner Oma) ablehnte:
- es wird Situationen geben, wo du auf Hilfe angewiesen sein wirst
- ohne Hilfe wirst du arbeiten gehen nicht mit Kinder vereinbaren können
- die Kinder haben ein Recht auf Großeltern, Tanten, Onkeln, Cousins, Cousinen,....
- was lebst du deinen Kinder nur vor?
- eine Mutter geht nicht acht Wochen nach der Geburt wieder Vollzeit arbeiten
- eine Mutter hat für ihre Kinder zu kochen
- deine Kinder werden mit dir einmal das Selbe machen, wie du mit deinen Eltern
Diese Ansagen gingen links rein und rechts raus. Was ist passiert? Nichts, es ist alles auch ohne Kontakt zur Verwandtschaft gegangen.
Ich hatte aber zeitweise auch Ängste, dass wir (mein Partner und ich) jemanden um Hilfe bitten müssen. Als meine Kinder viele Operationen, Therapien, Spezialkindergarten,... benötigten, war es sehr hart, alles ohne Hilfe mit Vollzeitarbeit verbinden zu können.
Ich bin aber ein extrem stolzes Wesen, deshalb ging ich teilweise über meine Kräfte hinaus, machte unmögliches möglich, nur um niemanden um Hilfe bitten zu müssen - wir (mein Partner und ich) haben es geschafft.
Auch finanziell hatte ich in jungen Jahren Ängste. Ich wollte mir immer große Ersparnisse zulegen, damit ich im Fall der Fälle lange davon leben kann.
Die schlimmste Zeit war, als ich mir meine Wohnung kaufte. Ich investierte meine gesamten Ersparnisse in Kauf und Renovierung. Ich wollte alles schuldenfrei durchziehen, deshalb zog sich die Renovierung über 3,5 Jahre, weil ich (mit vielen Überstunden) immer auf den nächsten Renovierungsschritt sparte.
In dieser Zeit hatte ich Ängste, dass sich wohl alles ausgeht und keine unvorhergesehenen Kosten anfallen.
Heute weiß ich, dass dieser Gedanke falsch war und nur unnötig Energie gekostet hat.
Ebenso habe ich heute keine Angst mehr, einmal mit "Nichts" dazustehen. Ich horte mein Geld nicht mehr, sondern spare immer nur bei den Dingen, die mir nicht wichtig sind (Gewand, Kosmetik, Ausgehen,....)
Alles, was mir Freude macht (Unterhaltungselektronik, Handy, Auto und vor allem Bequemlichkeit), kaufe ich mir. Ich denke mir, verhungern werde ich schon nicht. Solange es gut geht, habe ich dadurch eine hohe Lebensqualität und wenn es einmal nicht mehr so geht, hatte ich wenigstens eine schöne Zeit.
Existenzängste spielen sich hautsächlich im Kopf ab - wenn man sich von ihnen befreien kann, steigt die Lebensqualität enorm!